Le Puy-en-Velay – Saugues 43 km
Saugues – Aumont-Aubrac 48 km
Aumont-Aubrac – St. Chély d’Aubrac 42 km
St. Chély d’Aubrac – Estaing 33 km
Estaing – Conques 38 km
Conques – Cajarc 73 km
Cajarc – Cahors 53 km

Le Puy-en-Velay, eine sehenswerte Stadt, mitten im Massif Central auf ca. 675 m gelegen, ist sozusagen die Pilgerhauptstadt Frankreichs. Ca. 950 n. C. wurde in Santiago de Compostela in Galizien das Grab von Apostel Jakobus entdeckt. Ungefähr ein Jahrhundert später, nahm der Bischof von Le Puy-en-Velay als Erster die ca. 1500 km lange Pilgerreise an diese Grabstätte unter die Füsse. Seither ist Le Puy-en-Velay der Ausgangspunkt für viele Pilger, Tendenz zunehmend. In dieser Stadt vereinen sich diverse Wege aus allen Ecken Europas zur via Podiensis.
Le Puy-en-Velay ist nicht nur eine Pilgerstadt, sondern bietet noch einiges mehr. So wird hier die Verveine (Eisenkraut), die wir nur als Tee kennen, zu verschiedenen Genussmitteln verarbeitet, hauptsächlich zu Likör, aber auch zu Bonbons, Eiscreme und Crème brulée.

Ein Kunsthandwerk, das hier noch praktiziert wird, sind die Klöppelspitzen. In allen Gassen trifft man auf ein Geschäft, das diese kostbaren Spitzen in verschiedensten Formen vermarktet. Ab und zu sitzt eine Frau vor dem Laden und man kann ihr beim Klöppeln zusehen.

Besuchenswert sind vor allen die grosse Kathedrale und die Chapelle St. Michel-sur-Aiguilhe, die auf einen Basaltkamin eines ehemaligen Kraters, gebaut ist.
Wir nahmen uns fast zwei Tage Zeit, um uns die Stadt anzusehen. Die Frau in der Kathedrale, die uns den Stempel in die Pilgerpässe presste, erinnerte uns in einwandfreiem Baslerdialekt, dass jeweils morgens um 9:00 h die Pilgermesse stattfinde und um die hundert Pilger daran teilnehmen würden. Am anderen Morgen, machten wir uns kurzentschlossen auf den Weg, um dieser Messe beizuwohnen. Wir fanden, es würde sicher interessant sein und vielleicht gäbe es noch schöne Musik zu hören. Kurz vor 9:00 h hasteten wir die Treppe zur Kathedrale hinauf. Wir setzten uns in das Kirchenschiff, aber nichts passierte. Ab und zu huschte jemand an uns vorbei und sah uns erstaunt an, bis wir merkten, dass in einem Nebenschiff eine Messe stattfand. Als „Pilger“ waren wir zu dritt, die restlichen 9 Personen gingen an Stöcken (nicht Pilgerstöcken). Zurück im Hotel, erfuhren wir dann, dass die Pilgermesse jeweils morgens um 7:00 h stattfindet. Jedenfalls waren wir für den Rest des Tages gesegnet!
Wie wir von Anfang an festhielten, ist der Jakobsweg unser Wegweiser Richtung Westen um dem ist auch so. Es ist für uns unmöglich auf dem Wanderweg zu fahren und so folgen wir dem Weg auf den asphaltierten Strassen.

Die erfahrenen Pilger erzählten uns Schauergeschichten von Radfahrern, die den Wanderweg benutzen. Zwar entgeht uns einiges an Naturschönheiten und an Pilgerfeeling, aber auch wir haben unsere Höhenpunkte und ab und zu das Gefühl, wir wären die einzigen Lebewesen in ganz Frankreich.

Einsame Velopilger

Nach drei Tagen Veloabstinenz machten wir uns erneut an die nächsten Etappen durchs Zentralmassiv, mit Auf und Ab’s zwischen 600 m und 1340 m. Nach Le Puy-en-Velay stieg die Strasse gleich an, auf den Montbonnet (1108 m). Während die Umgebung von Le Puy-en-Velay von Vulkanen geformt war, änderte sich das Landschaftsbild rasch. Das Tal des Alliers präsentierte sich rau und schroff. Die sonst erholsamen Talfahrten in Frankreich glichen sich alle: bissiger Gegenwind und kalt, so auch heute. Bald hatten wir unser Tagesziel, Monistrol d’Allier , erreicht.

Monistrol d'Allier

Hartgesotten, wie wir sind, beschlossen wir jedoch, die 16 km nach Saugues anzuhängen. Das hiess nochmals einen Aufstieg von 620 m auf fast 1000 m unter die Räder zu nehmen. Etwas an Höhe gewonnen, kamen liebliche Alpweiden zum Vorschein.

Alpweiden zwischen Monistrol d'Allier und Saugues

Nachdem wir unsere Glieder in einem warmen Bad aufgewärmt hatten, wurde uns beim Nachtessen als Dessert köstlicher Käse aus Kuh- Ziegen- und Schafmilch serviert. Der Rotwein aus der Region und die feinen Bagettes fehlten auch nicht.

Kirche Saugues

Holzschuhe nicht nur in Holland vertreten

Am folgenden Tag führte uns die Tour weiter über die Margeride, eine Granithochebene auf 900 – 1300 m gelegen. Ein eisiger Gegenwind blies um unsere Ohren. Immer wieder taten sich uns neue Blicke auf prachtvolle Landschaften auf. Jede hat ihren ganz besonderen Reiz und bei wärmeren Temperaturen muss es hier wunderschön sein.

Esplantas in der Margeride

Obwohl uns dies zwei Etappen zwar einiges an Kräften gekostet haben, konnten sie uns den Humor nicht nehmen. Im Restaurant mit den Gault-Millau und Michelin-Punkten konnten wir uns kaum mehr halten vor Lachen, als wir in unserer Phantasie, Stefanie Glaser’s Goldfisch „Traugottli“ in unserer Wasserkaraffe schwimmen sahen.

Am anderen Morgen, der Blick aus dem Fenster verriet uns sofort: Goretex mit einigen Schichten darunter war angesagt! Trotzdem hatten wir den Ehrgeiz, den letzten Pass in Frankreich, den 1350 m hohen Col d’Aubrac zu überqueren. Es fing dann auch harmlos an, es regnete leicht, ab und zu erhellte sich der Himmel und locker kamen wir in Malbouzon an, wo wir uns mit einer heissen Schokolade aufwärmten. Bei anderen Bedingungen hätten wir hier ein kühles Bier geschlürft. Bald stachen wir in den Nebel und ohne grössere Schwierigkeiten erreichten wir Nasbinals, die letzte Ortschaft vor dem Pass, im Winter eine grosse Langlaufstation. Während wir zu Beginn dieser Etappe durch Bergland mit aufgelockerten Wäldern fuhren, wechselte sich die Landschaft in eine Bergwelt, wo es kaum mehr Schutz vor Wind und Wetter gibt.

Karge Frühlingslandschaft

Das Hochland des Aubrac besteht aus weiten Weiden ohne Baumbestand und wirkt bei diesem unfreundlichen Wetter recht trostlos. Es lässt sich aber erahnen, dass nach ein paar wärmeren Tagen die Weiden mit blühenden Narzissen übersäht sein werden.

Erste Vorboten

Kaum lag Nasbinals hinter uns, die Passhöhe war noch nicht ganz erreicht, erlebten wir den absoluten Höhepunkt an Widrigkeit, was wir schon jemals auf unseren Touren erlebt hatten: dichter Nebel, sibirische Kälte, eisiger Gegenwind und strömender Regen!

No comment!

Über die Abfahrt ins auf 808 m gelegene St. Chély d’Aubrac, müssen wir uns wohl nicht mehr äusseren. Armin ist zweimal beim Absteigen seines Vehikels gestürzt, weil die Knochen eingefroren waren. Zum Glück gab es im Hotel kein Pharisäer! Freundlich wurden wir aufgenommen. Später, in trockenen und warmen Kleidern, waren wir schon ein bisschen stolz, trotz den äusseren Bedingungen fast 40 km geschafft zu haben.

Am anderen Tag, der Blick zurück auf den Aubrac liess uns aufatmen. Er war bis weit hinunter tief verschneit. Eine Rückkehr zum Wandern oder Radeln in das Gebiet der Margeride und des Aubrac wäre bei anderen Wetterverhältnissen sicher lohnenswert. Nicht nur für uns, sondern auch für die Einheimischen waren diese Wetterkapriolen um dies Jahreszeit extrem. Der Reiseführer verhiess uns heute mit dem Erreichen von Espalion, im Lot-Tal, „das Lächeln des Südens“.

Espaniol - Das Lächeln des Südens?

Die Rückkehr in den Frühling mit den sonnigen Abschnitten, den blühenden Bäumen und Wiesen und den zwitschernden Vögeln erwärmte unsere Herzen wieder. Als Etappenort wählten wir Estaing, ein pittoresker, geschichtsträchtiger Ort mit bekanntem Adelsgeschlecht. Wegen der Freundschaft der Estaings zur einstigen Königin Marie-Antoinette durfte dieses Geschlecht die königliche Lilie in ihrem Wappen tragen. Der ehemalige Präsident Frankreichs, Valérie Giscard d’Estaing, stammte ebenfalls aus diesem Geschlecht.

Estaing

Für die folgende Etappe hatten wir zwei Varianten zur Auswahl. Der eine Reiseführer empfahl uns die Hauptstrasse, entlang des Lots, der andere Führer empfahl die Route über die Hügel. Motiviert durch die Frühlingslüfte, entschlossen wir uns für die Route über die Hügel. Das ständige bergauf- und ab über die grossen Weiden, erinnerte uns an unsere letztjährige Tour in Südwestengland – und das Wetter auch!

Was für hübsche Frauen verstecken sich unter den Pelerinen? - Flirten?

Bald waren die Sonnenstrahlen wieder Mangelware und der Himmel uni grau, der dazugehörige Regen setzte wieder ein. Angeblich sollen die Bauern froh sein um das Nass, also freuen wir uns mit ihnen! Die Einfahrt in Estaing am Tag zu vor, entlockte uns schon ein langes, begeistertes Oh. Das zweite, ein doppelt so langes Oh wurde uns bei der Ankunft in Conques entlockt. Das Dorf wirkt wie angeklebt an die steilen Felsen, hoch über dem Dourdou. Die eindrückliche Abteikirche und die alte Pilgerbrücke gehören zum Unesco Weltkulturerbe.

Basilika in Conques

Weltkulturerbe

Welche historischen Hintergründe haben da wohl eine Rolle gespielt, dass in einer so ruppigen, gottverlassenen Gegend, eine der schönsten Basilikas Frankreichs gebaut wurde?

Mit dem heutigen Tag verliessen wir definitiv das höhere Gebirge und folgten zuerst dem, von Stein und Erde rotgefärbten Dourdou. Bald vermischte sich das rotgefärbte Wasser mit dem grünen Wasser des Lots zu einer braunen Brühe. Wir folgten dem Flusslauf des Lots, zwar bei Regen, aber mit Gefühl in den Finger. Das noch enge Tal öffnete sich und auf den riesigen Feldern der Talebene, gab es bereits pflückbereiten Salat und blühende Erdbeerkulturen. Kurz vor Cajarc boten die Bauern an der Strasse frischen Spargel an. In Cajarc waren die Hotels entweder ausgebucht oder zu teuer. Deshalb entschieden wir uns, in einem Chambre et Table d’hôtes zu übernachten. Wir verbrachten einen gemütlichen Abend mit den Besitzern bei selbstgebrautem Nusslikör. Cajarc ist bekannt für seine „Bodenschätze“. So findet man in dieser Umgebung den kostbaren Trüffel und ebenso teurer Safran wird hier angebaut. Bekannte Persönlichkeiten waren mit dieser Ortschaft verbunden. So wurde die erfolgreiche Schriftstellerin Françoise Sagan in diesem Ort geboren, der frühere Präsident François Mitterand besass ich Cajarc eine Ferienwohnung.

Als wir uns am anderen Morgen wieder auf den Weg machten, empfahlen uns unsere Gastgeber nach ca. 20 km die Flussseite zu wechseln und die Ortschaft St. Cirq-Lapopie zu besuchen.

St. Cirq-Lapopie

Zum Glück befolgten wir diesen Ratschlag und schoben unsere Räder bergauf in dieses schmucke Dorf. Die anschliessende Talfahrt war zum ersten Mal ein Genuss. Wir folgten weiter dem Lot, rechts die steilen schroffen Felsen, an Canyons erinnernd, links von uns, der Fluss und die fruchtbare Ebene.

Im Tal des Lot

Ruth Müller, wir verstehen deine Begeisterung für das Tal des Lots! Zum ersten Mal radelten wir bei angenehmen Temperaturen von 19° C und ohne Regen. Eines ist klar, Apostel Jakobus hat mit seinem interessanten Weg zu seiner Grabstätte gepunktet, Petrus steht im Minus, er hat einiges gutzumachen.

Unseren wöchentlichen Ruhetag zogen wir in Cahors ein. Diese Stadt wird auf drei Seiten vom Lot umflossen und bildet somit eine Halbinsel. Die mittelalterliche Brück über den Fluss, der „Pont Valentré“ ist eindrücklich und erstaunlich gut erhalten.

Pont Valentré in Cahors

Nach 10 ½ Stunden Schlaf in einem warmen, bequemen Bett, nach einem gemütlichen Frühstück schlenderten wir ohne Eile durch die Altstadt, setzten uns in riesige Kathedrale und lauschten den Klängen des übenden Organisten. Viele Läden lockten zum Einkauf, aber unser Platz ist beschränkt.

Pilger - Über diese Brücke musst du gehn.

Seit Le Puy-en-Velay hat sich die Pilgerschaft verändert. Sie ist internationaler geworden, auch die USA und Australien sind vertreten. Zwischen Genf und Le Puy-en-Velay schien das Pilgern eine Männerdomäne zu sein. Seit Le Puy-en-Velay hat die Frauenquote beachtlich zugenommen. Erstaunlich, wie viele Frauen den Mut haben, alleine zu Fuss nach Santiago de Compostela zu wandern. Dann gibt es auch die Luxuspilger, sie lassen sich das Gepäck von Etappenort zu Etappenort transportieren. Die Pilger beklagen sich selten über das Wetter, wir scheinen die Einzigen zu sein, die immer jammern. Die Meisten sind sehr gut ausgerüstet und bei Regen kuscheln sie sich unter ihre Pelerine. In der Regel übernachten sie in den öffentlichen, günstigen Herbergen. Wir sind da etwas snobistischer, wir ziehen ein einfaches Hotel oder ein Gästezimmer bei Privatpersonen vor.

3 Kommentare zu “Le Puy-en-Velay – Cahors 18. bis 26. April 2012”

  1. ruth mülleram 29.04.2012 um 19:20

    oh,wie wir mit euch leiden,aber auch jeden tag mit euch reisen.ja gerade durchs lottal.macheds guet!!!!!!!!

  2. Marguerite & Hanspeteram 01.05.2012 um 10:02

    Hallo ihr Lieben

    Es ist unglaublich was ihr alles erlebt und wie fit ihr seid – beinahe beneidenswert. Heute ist der Tag der Arbeit und zugleich seid ihr bereits ein Monat weg und sooooooo viele KM von uns entfernt.
    Wir hoffen, dass ihr weiterhin so motiviert seid und bald die spanische Wärme ein bisschen geniessen könnt.
    Wenn wir an euch denken, so fällt uns sofort: PoPo-Schmerzen, Wadenkrämpfe, Rückenprobleme etc. ein. Aber eben ihr seid „hartgesotten“ und kennen bloss das Schöne – SUPER! bis bald wieder emol
    Roth’s us Feldmeilen

  3. Bea Bucheram 01.05.2012 um 19:14

    Liebe Meilis,
    Mit viel Bewunderung habe ich heute zum ersten Mal auf eurem Blog “ geschneuselt “ .
    Mein Mann erzählte mit von einem Bekannten, der von Bern nach Berlin gewandert ist. Er brauchte dazu 50 Tage . Mein Mann fand dann , das wolle er sich auch mal vornehmen. Darum kamt ihr mir in den SInn ! Da ist doch noch meine ehemalige Arbeitskollegin auf Tour !
    Ich habe wirklich gestaunt, was ihr alles schon geschafft habt ! Gratulation. Auch von Sehenswürdigkeiten hörte ich viel interessantes. Was mich erfreute , waren auch viele kulinarische Hinweise . Das erfreut mich immer – ich bin so “ verfressen “ und lerne immer gerne Länder auf diesem Weg kennen.

    Danke, dass wir teilhaben können an eurem grossen Vorhaben !

    Viel Vergnügen weiterhin und liebe Grüsse
    Bea