Am heutigen Morgen klingelte der Wecker schon um 05:00 Uhr. Wir mussten unsere Koffer bereits wieder packen, denn um 08:50 h startete unser Flieger nach Guilin, in der Provinz Guangxi, im Südwesten Chinas, etwa 3 Flugstunden von Beijing entfernt. Von nun an müssen wir ohne Oliver’s Hilfe zurechtkommen. Halb verschlafen erreichten wir per Taxi den Flughafen. Wir hielten Ausschau nach dem richtigen Check-in-Schalter und schon wurden wir von einem hilfsbereiten, in einem schwarzen Anzug gekleideten Chinesen, überrumpelt. Erst glaubten wir, es sei ein offizieller Angestellter des Flughafens. Vor jedem Check-in-Schalter gab es eine lange Schlange reisefreudiger Passagiere, die darauf warteten, dass ihr Gepäck abgefertigt wird. Unser ranke Chinese nahm uns Pass und Gepäck ab, schlüpfte unter den Absperrungen hindurch, steuerte auf den ersten Schalter zu und keine 5 Minuten später waren wir im Besitz der Boardingkarte. Es ist ja klar dass dieser kleine Service nicht umsonst war. Er zog uns in eine ruhige Ecke, holte seinen Taschenrechner hervor und zeigte uns die stolze Zahl 600. Soviel Yuan (ca. Fr. 100.00) wollte er von uns für diese Dienstleistung, die wir nicht von ihm verlangt hatten. Man kann es ja versuchen, aber nicht bei Meilis, denn die haben in den wenigen Tagen schon einiges gelernt. Wohl oder übel musste er sich mit 100 Yuan zufrieden geben. Nach Oliver hätten 20 Yuan genügt! Wir sind wieder um eine Erfahrung reicher geworden. Eigentlich hätten wir gar keinen Express-Check-in gebraucht, denn wir waren früh genug am Flughafen. Aber als wir merkten, worum es ging, war alles schonpassiert. Wir denken, für das nächste Mal sind wir gewarnt. Es wird der erste und letzte Express-Check-in in China gewesen sein.
Trotz vielen Blumen ist Guilin keine Stadt zum Verweilen, deshalb blieben wir nur für eine Nacht dort. Am nächsten Morgen, pünktlich um 08:30 h holte uns unser Fahrer ab, um uns an die Schiffsstation am Li-River zu chauffieren. Im morgendlichen Stossverkehr steuerte er uns durch die Strassen von Guilin, dann übers Land, durch üppig grüne Felder. Armin und ich sahen uns an und wir waren uns einig, er bringt uns direkt nach Yangshuo und die Schifffahrt auf dem Li-River können wir uns abschminken. Doch siehe da, nach einer knappen Stunde waren wir doch bei der Schiffsstation angekommen. Einmal mehr wurde uns klar, dass die chinesischen Dimensionen eben anders sind.
Leider hatte uns der Sonnenschein seit der Landung in Guilin schon wieder verlassen, doch der Nebel verlieh der einzigartigen Natur einen mystischen Anstrich. Die 4-stündige Schifffahrt von Guilin nach Yangshuo, durch die einmalige Karstlandschaft, war trotz des trüben Wetters ein Erlebnis.

Während wir das einmalige Karstgebirge bestaunen, wird in der Bordküche eifrig gekocht

Während wir das einmalige Karstgebirge bestaunen, wird in der Bordküche eifrig gekocht

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Yangshuo, mitten im Karstgebirge gelegen, ist ein beschauliches Städtchen. Obwohl es von Touristen überrannt wird, hat es doch seinen Charme. An der Strasse von der Schiffsanlegestelle ins Zentrum reiht sich Souvenirladen an Souvenirladen. Angesichts des Touristenstromes sind die Händler entsprechend aggressiv und feilschen ist ein absolutes „muss“.

Eindrücke aus dem Alltag

Eindrücke aus dem Alltag

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Am zweiten Tag wir wurden vom Wetterglück total verlassen. Trotz der dunklen Wolken stiegen wir in den Bus, um das historische Städtchen „Fuli“ zu besuchen.

BfU geprüfter Notsitz im Kleinbus

BfU geprüfter Notsitz
im Kleinbus

Die Hinfahrt kostete 20 Yuan, für die Rückfahrt wollten sie uns 30 Yuan abnehmen. Während wir noch im Bus sassen, kam es zu einem monsunartigen Wolkenbruch . Als wir vor einem Laden Schutz suchten, wurden uns 2 ca. 30 cm hohe Stühlchen zum Sitzen angeboten. Gegenüber sassen zwei ältere Chinesen auf ebenso niedrigen Stühlen.

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Erst lächelte man sich zu, dann gaben wir, dank Olivers Survival Guide, den beiden zu verstehen, dass wir Schweizer sind und das erste Mal China bereisen. Das Lachen wurde breiter und ihre Reaktion war sofort: Ah, Rolex und Omega!
Meinen Regenschirm hatte ich im Hotel gelassen, in der Annahme, dass Goretex-Jacke mit Kapuze genügen würde. In kürzester Zeit war ich so nass, dass eben ein Schirm doch nützlich gewesen wäre- und – siehe da – schon kamen 2 junge Leute auf einem Roller angefahren und verkauften uns einen Knirps. Das ist eben die Flexibilität der Chinesen, wenn es regnet, verkauft man Regenschirme und Plastikjacken, wenn die Sonne scheint, werden blitzschnell die Sonnenhüte hervorgeholt.
Auch am dritten Tag in Yangshuo schüttete es den ganzen Tag vom Himmel. So fielen die geplante Fahrradtour und die Schifffahrt mit dem Bambusboot buchstäblich ins tiefe Wasser. Selbst die Besteigung eines Karsthügels lohnte sich nicht, denn die viel gepriesene Aussicht war im Nebel und in den Wolken verschwunden. So trieben wir uns in den verschiedenen Märkten umher, kauften einige Souvenirs in der Händlermeile und hatten unseren Spass beim Handeln.

Einige Impressionen vom Marktgeschehen

Einige Impressionen vom Marktgeschehen

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Der Süden Chinas ist ja bekannt für seine Küche. Die hiesige Spezialität ist der Bierfisch. In den Gassen, vor den Restaurants, stehen Plastikkübel mit lebenden Fischen. Bei Bestellung wird ein armes Tier getötet und ganz frisch mit einer Biersauce zubereitet. Bezahlt wird je nach Gewicht des Fisches. Dieses Gericht schmeckte uns ausserordentlich gut. Aber für Hundefleisch und gefüllte Schnecken konnten wir uns nicht begeistern.

Chinesische Fortbewegungsmittel

Chinesische Fortbewegungsmittel

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Am nächsten Morgen, um 9:00 h holten uns unser Fahrer und die deutschsprechende Reiseleiterin ab. Erst fuhren wir zurück nach Guilin, wo wir eine Seidenfabrik besuchten, anschliessend ins ca. 80 km entfernte Ping’an in den Bergen. Der Fahrer raste mit uns auf der kurvenreichen, holprigen Strasse auf 850 m ü. M. hinauf. Kurz vor dem Dorf war dann fertig mit Autofahren, das letzte Stück muss zu Fuss zurückgelegt werden, das heisst, man kann sich auch den Luxus leisten und sich per Sänfte den Berg hinauf tragen lassen.

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Baustoffe, wie auch Lebensmittel werden von Pferden oder Menschen ins Dorf getragen.

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Wenn man bedenkt, welch zierlichen Körperbau die Einheimischen haben, glaubt man kaum, welche Kraft sie besitzen. Ping’an ist ein 600 Jahre altes Dorf, wo das Zhuang-Volk beheimatet ist. Die Zhuang-Frauen schneiden ihre Haare nur zweimal in ihrem Leben. Das erste Mal mit 18 Jahren, das zweite Mal bei der Heirat. Sie glauben, je länger die Haare werden, desto länger leben sie. Auch die Haartracht wird vermarktet. Für 10 Yuan öffnen die Frauen ihren kunstvoll gebundenen Haarschopf, um fotografiert zu werden.

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Wir hatten die Absicht von Ping’an durch die Drachenknochenreisterassen nach Dazhai, ins Dorf der Yao-Minderheit, zu wandern. Da sich Lenka und Oliver letzten Februar in dieser Gegend verirrt hatten, zogen wir es vor, dies mit einer Führerin zu tun. Das Wetterglück war auf unserer Seite. Es war trocken und kein greller Sonnenschein begleitete uns. Mit bandagiertem Knie und Knöchel und einer Dosis Ponstan intus, machten wir uns um 8:30 h auf die 5-stündige Wanderung über die Hügel zwischen 850 m – 1150 m.

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Nach ca. 3 Stunden Marsch erreichten wir das Dorf Zhongliu, ebenfalls von fahrbaren Strassen abgeschnitten. Dort hatte eine Bauersfamilie ein Mittagessen für uns vorbereitet. Die Bauersfrau, ebenfalls eine Angehörige der Zhuang und traditionell gekleidet, wollte sicher sein, dass wir kommen und wartete deshalb schon am Ausgang von Ping’an auf uns. Während wir gemächlichen Schrittes vorwärtsgingen, hüpfte sie zwischen den Gebüschen hin und her und pflückte Farnsprossen, die wir später dann gekocht assen. Ein Bündel Holz das am Weg lagerte,stemmte sie so mir nichts, dir nichts, auf die Achseln und trug es in ihr Dorf zu ihrer Mutter.

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Armin vermochte das Bündel nicht zu heben! Die glatte, frische Haut der Frau liess sie jung erscheinen, ich schätzte sie so ca. 35 Jahre alt. Sie war 47 und bereits Grossmutter. Das letzte Stück zu ihrem Hof ging nochmals steil bergan. Die Familie möchte gerne ein Guesthouse eröffnen und hat deshalb ein neues Haus gebaut, mit dem Geld, das Sohn und Schwiegertochter in Kanton verdienen. Das Haus wird in chinesischer Manier gebaut: zuerst wird gebaut, dann geplant. Am Boden in der Küche hat es eine Feuerstelle, wo gekocht wird, einen Rauchabzug gibt es nicht, dafür hängt ein Stück Rauchfleisch über dem Feuer.

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In oberen Stock, in den Schlafzimmern, stehen Betten und Kleiderschränke, WC und Duschen kommen dann noch.
Das für unser Mittagessen vorgesehene Huhn hatte der Bauer bereits eingefangen. Unsere Führerin bestand darauf, dass er das Huhn erst nach unserer Ankunft schlachtet, damit es ja frisch ist.

Kurz vor dem Kochtopf

Kurz vor dem Kochtopf

Das Huhn wurde gerupft, in kleine Stücke geschnitten geschnitten und gekocht (mit Magen, ohne Darm). Dazu gab es noch Räucherfleisch mit Farnsprossen, Wildschnittlauch mit Eiern, frittierte Süsskartoffelscheiben und Reis. Obwohl alles am Boden und nicht gerade professionell zubereitet wurde, schmeckte dieses Menü doch ganz lecker. Nach dem Essen öffnete die Bauersfrau noch stolz ihre Haare für uns – natürlich gegen Bezahlung.

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Anschliessend ging es auf schmalen Pfaden, vorbei an vielen Zhuong-Gräbern, weiter nach Dazhai.

Traditionelles Haus der Zhuong

Traditionelles Haus der Zhuong

Dort, wie auch schon in Ping’an gab es im Guesthouse keinen elektrischen Strom. Angeblich müssen vor dem 1. Mai alle Leitungen in der Region kontrolliert werden, so fehlte auch hier das Licht bis ca. 21:00 h. Im Guesthouse in Dazhai gesellte sich noch Sabine aus Neuchâtel zu uns. Im Dämmerlicht sangen wir zusammen französische und Schweizer Volkslieder zur Freude der anwesenden Chinesen. Beim Abschied am nächsten Morgen wollte die Wirtsfrau noch ein Foto von uns machen. Wir wären so sympathisch gewesen!

Eingangsportal von Dazhai

Eingangsportal von Dazhai

Diese Wanderung und alle Erlebnisse werden, wie auch die Schifffahrt auf dem Li-River, ins Dossier der Highlights unserer Chinareise abgelegt.
Zurück in Guilin, bildete der Besuch einer Vorstellung des New Ballet Circus, eine Mischung von Ballet und Akrobatik, den krönenden Abschluss unseres Aufenthaltes in der Provinz Guangxi. Beindruckend, was da an Körperkraft, Grazie, Kleidern, Musik und Lichttechnik geboten wurde.

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