15. April – 18. April 2014

Dienstag, 15. April 2014, 04:00 h morgens.
Bei Meilis klingelt der Wecker, sie gehen wieder auf Tour, genauer auf Velotour.
Dieses Jahr steht die Via de la Plata auf dem Programm. Einerseits ist dies eine alte römische Handelsstrasse, die von Sevilla, in Südspanien nordwärts bis nach Gijon, an die Atlantikküste führt. Anderseits gehört dieser Weg auch zum Jakobspilger-Wegnetz, um nach Santiago de Compostela zu gelangen. Wir aber folgen dieses Mal der römischen Handelsstrasse nach Gijon, dann weiter ostwärts der Küste entlang nach Bilbao, schliesslich mit dem Bus nach Madrid um von dort aus, auf irgendeine Art nach Hause zurückkehren.

Es war eine zeitraubende Sucharbeit, einen direkten Flug aus der Schweiz nach Sevilla zu finden. Die meisten Fluggesellschaften fliegen über Madrid oder Mallorca. Nach langem „Flugplänestudium“ wurde Armin bei Easy Jet fündig. Jeweils dienstags fliegen sie direkt von Genf nach Sevilla. Unsere Satteltaschen und die Fahrräder haben wir bereits einige Tage zuvor per Passagiergut zum Flughafen Genf geschickt; so waren wir nur mit „leichtem“ Handgepäck unterwegs. Mit dem ersten Zug von Fehraltorf nach Zürich starteten wir in unser neues Abenteuer. In Zürich steuerten wir im ICN-Zug gleich den Speisewagen an. Während wir durch die noch verschlafene Schweiz fuhren, frühstückten wir gemütlich ein letztes Mal nach Schweizerart . Der Vollmond blinzelte uns zu und wünschte uns eine gute Reise. Bald lachte die Sonne auf unseren Tisch und die Fahrt durch die gelb leuchtenden Rapsfelder in der Romandie war ein wahrer Genuss. Erinnerungen an unsere Tour im 2012 wurden wach, die uns durchs Schweizer Mittelland und durchs Welschland Richtung Jakobsweg zur iberischen Halbinsel führte.
Wir waren gespannt, wie alles klappen würde mit unseren verschiedenen Gepäckstücken. Aber auf die SBB ist immer noch Verlass. Unser Hab und Gut für unser Abenteuer konnten wir am Gepäckschalter in Empfang nehmen und einige Meter weiter am Easy Jet-Schalter gleich wieder für Weiterreise aufgeben. Kleinen Ärger gab es nur mit den Leuten mit dem Handy vor der Nase, die nichts mehr um sich wahrnahmen und dann plötzlich vor unseren vollbeladenen Wagen stehenblieben und wir kaum bremsen konnten.

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Wir flogen über die schneebedeckten Pyrenäen, was auch unsere Herzen höher schlagen liess. Diese hatten wir damals tapfer mit unseren Rädern überquert. Nach zwei Stunden landeten wir in der Hauptstadt von Andalusien. Wir rätselten, ob wir die Räder gleich zusammen stellen sollten oder eine Transportmöglichkeit zum Hostel suchen sollten. Eigentlich waren wir noch nicht so ganz in Velolaune, kannten den Weg nicht, hatten kein vernünftiges Kartenmaterial, und zudem waren wir viel zu warm angezogen. Bei unserer Abreise zeigte das Thermometer gerade 5° C, in Sevilla beachtliche 26° C. Das Glück war auf der „faulen Leute“ Seite. Ein unkomplizierter Taxifahrer lud unsere Räder und unser Gepäck ohne grosse Diskussionen in sein Auto. Flink lenkte er sein Gefährt durch die verwinkelten Gassen des „Barrio Santa Cruz“, dem ehemaligen Judenviertel, mit den schmiedeisernen Tür- und Fenstergittern und den blumengeschmückten Innenhöfen. Hier, mitten in der Altstadt hatten wir schon vor zwei Jahren logiert und diese Adresse hatten wir uns gemerkt. Der Besitzer erkannte uns gleich wieder und es gab ein lautes „Hola“. Es fühlte sich an, wie „nach Hause kommen“. Schon eine Stunde später sassen wir bereits in einer Tapas-Bar bei einem Glas Weisswein, begleitet von einigen köstlichen Tapas und waren hoch erfreut, über die problemlose Reise. Wir betrachten es als gutes Omen für die restliche Zeit.
Wir sahen viele schöne Städte in Spanien, aber Sevilla war für uns bis jetzt die Schönste. Hier fühlten wir uns schon vor 2 Jahren wohl. So haben wir uns einige wenige Tage eingeräumt, bevor wir in die Pedalen steigen, und uns noch einiges angesehen, was wir letztes Mal verpasst hatten, z. B. das 2011 eingeweihte Sonnendach, von einem Schweizer Architekten gebaut.

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Obwohl in der Karwoche die Preise überteuert sind, sich Menschenmengen durch die Gassen drängen, wählten wir diesen Zeitpunkt, um etwas von dem Spektakel der Semana Santa mitzubekommen. Nirgends in Spanien wird die Karwoche mit so viel Pomp, Feierlichkeit, Ausgelassenheit, Traditionsreichtum, Stolz und ausufernden Madonnenkult begangen, wie in Sevilla. Von Palmsonntag bis Ostersonntag werden Tag für Tag riesige, reich geschmückte Figuren und lebensgrosse Tableaus der Passionsgeschichte aus Sevillas Kirchen durch die Strassen zur Kathedrale getragen. Begleitet werden sie von Prozessionen, die teils mehr als eine Stunde vorbeidefilieren. Diese Rituale spielen sich in der heutigen Form schon seit dem 17. Jahrhundert ab und viele Figuren, teils Kunstwerke ersten Ranges, stammen aus dieser Zeit. 72 verschiedene Bruderschaften, denen tausende Mitglieder angehören, organisieren die Prozessionen. Sie werden angeführt von Trägern einer bis zu je 50 kg schweren Christus- und Marienskulptur.

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Sie bewegen sich hypnotisch im schwankenden Rhythmus voran, im Takt ihrer Begleitkapellen und dem Kommando ihres Anführers.

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Ihnen folgen ca. 2500 Kostümierte. Sie tragen langen Kutten mit spitzen Kapuzen, die, ähnlich wie beim Ku-Klux-Klan das Gesicht bis auf ein Paar Sehschlitze komplett verdecken, denn nur Gott soll die Identität der Büsser kennen. Die Allerbussfertigsten sind barfuss mit geschultertem Kreuz unterwegs. Bis zu 14 Stunden sind sie auf den Füssen und das Pumm-Pumm der Trommeln hört man bis weit in die Nacht hinein.

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Einen Tag nutzten wir für einen Ausflug nach Jerez de la Fronteira. Diese Stadt gehört zum Sherrydreieck „Sanlucar de Barrameda – El Puerto de Santa Maria – Jerez de la Fronteira“. In den beiden anderen Städten kamen wir bereits vor zwei Jahren vorbei, Jerez lag damals nicht an unserem Weg. Die Stadt betört mit einer wilden Mischung aus Sherry, Pferden und Flamenco. Sie beherbergt eine ansehnliche Gitano-Gemeinde, aus der einige bedeutende Flamencokünstler hervorgebracht wurden. Letztes Jahr feierte die Königlich-Andalusische Schule der Reitkunst ihr 40-jähriges Bestehen. Sherry-Bodegas gibt es ebenso viele wie Kirchen. Der Sherry war in England schon zu Shakepears Zeiten berühmt. Der Ausbau der Sherrykellereien wurde im 19. Jahrhundert hauptsächlich mit britischem Geld finanziert. Die High Society von Jerez ist heute teils andaluz, teils britisch, weil in den letzten 150 Jahren viele Mischehen zwischen Sherryfamilien geschlossen wurden. Obwohl die Sherryindustrie der Stadt grossen Reichtum beschert hat, ist es immer noch eine Stadt der Extreme. Sie hat eine Arbeitslosenquote von 30 %, zudem todschicke Boutiquen und vornehme Villen.
Die Fahrt mit dem Bus dorthin erinnerte uns an unsere schlimmste Radetappe im 2012, durch endlose Reisfelder ohne jegliche Zivilisation, Staub, Schlangen und Plattfüssen. Die damals neue Zugbrücke ohne jede Infrastruktur, weder auf der einen, noch auf der anderen Seite war immer noch hochgezogen, wie vor zwei Jahren. Eine teure Investition, die wahrscheinlich noch nie in Gebrauch war.
Bei ca. 30° C schlenderten wir durch die Stadt zur Reitschule, vergeblich, sie war geschlossen.

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Schade, einer Reitstunde hätten wir gerne beigewohnt. Auch Kathedrale und Alcazar öffnete die Tore nicht für uns. Doch Kathedralen werden wir noch einige sehen.

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3 Kommentare zu “Sevilla – Jerez de la Fronteira”

  1. Rolf Rusterholzam 23.04.2014 um 18:41

    Hallo ihr Lieben
    freut uns sehr, dass der Anfang ruhig und warm gestaltet werden konnte. Freuen uns auf euren nächsten Beitrag und wünschen euch äs herzlichs „Hebed sorg und gnüseds“ Rolf und Jeannette.

  2. Monica Grafam 25.04.2014 um 00:20

    Hallo Ihr beiden
    Ganz toll, dass ihr wieder am radeln sind. Der Reisebericht ist so interessant beschrieben, dass man förmlich „mitreisen“ kann.
    Ich hoffe, alles klapt bei Euch und dass ihr viel schönes erlebt und gesund wieder nach Hause zurück kehrt.
    Übrigens bin ich wieder in der Schweiz vom 11. Mai – 10. August.
    Wäre toll, wenn wir uns treffen könnten.
    Liebe Grüsse und toi toi toi
    Monica

  3. Peter Ernstam 27.04.2014 um 23:34

    Hallo zusammen

    wir wünschen Euch viel Vergnügen und nur schönes Wetter bei Eurer Reise.
    Als Rentner haben wir nun Zeit euren Trip zu verfolgen. Wir freuen uns schon jetzt auf die weiteren Berichte.

    Liebe Grüsse
    Peter und Bernadette Ernst