Armin

Sevilla – Caceres

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Via de la Plata

Sevilla – Castelblanco de los Arroyes
48 Km, 577 kum. Hm = kumulierte Höhenmeter

Samstag, 19. April 2014

Heute Morgen fiel der Startschuss zur Verwirklichung unseres Traumes „Via de la Plata“. Dieser Name wird heute meist als „Silberstrasse“ übersetzt. Ursprünglich aber kam der Name aus dem Arabischen „Balat“, was „gepflästert“ bedeutet. Wartet jetzt ein Paris-Roubaix auf uns? Eines sind wir gewiss, es warten einige Höhenmeter auf uns.
Früh morgens war Armin schon ganz „elektrisch“, wie ein kleines Kind, das Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammen feiert, kam er mir vor. Seinen Übermut sollte aber bald gezähmt werden. Ich hätte mich im Bett gerne nochmals gedreht, aber das Leben war gnadenlos. Kurz vor 7:30 h schoben wir unsere vollbepackten Räder durch die noch dunklen Gassen Sevillas, auf der Suche nach einer geöffneten Frühstückbar. Nach einem Glas frischgepressten Orangensaft, einer Tasse café con leche und tostados machten wir uns zum Startpunkt der Via de la Plate, gegenüber der Kathedrale auf den Weg.

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Ab nun sind wir wieder als „bicigrinos“ (bicicletta-peregrinos) unterwegs und folgen den gelben Pfeilen oder den Jakobsmuscheln. Die gelben Pfeile sind genial, um aus der Stadt herauszukommen. So früh an einem Samstagmorgen, ohne Leute auf der Strasse war es für uns ein einfaches Ding, den Pfeilen zu folgen.

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Aber plötzlich ertönte vom vorderen Gefährt ein lautes Schimpfen und Wettern. Eine Glasscherbe wollte uns den Tag vermiesen und der erste Plattfuss war schon Realität, noch keine 4 km auf dem Kilometerzähler! Zudem waren am Gepäckträger noch Schrauben locker.

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In den letzten zwei Jahren hat sich also noch nichts verändert, Armin sorgt immer noch für Unterhaltung mit seinen Pannen. Aber er hat sich ja zu einem Meister im Reparieren entwickelt und so zogen wir bald weiter auf einem Feldweg durch die weiten Felder Andalusiens. Links Weizenfelder, rechts Sonnenblumenfelder oder Oliven- und Orangenhaine, am Wegesrand ein bunter Blumenstrauss in den Farben weiss, blau, rot, violett und gelb.

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Gemütlich traten wir in die Pedalen, bis wieder Armins Velo unsere Idylle störte. Es tönte wie ein getuntes Moped, aber Armin kam kaum mehr vom Fleck. Es dauerte, bis wir herausfanden, welches Teil streifte – ein Ding das noch nie Probleme verursacht hatte. Vielleicht haben unsere Räder beim Transport doch mehr gelitten, als wir angenommen hatten? Als alles wieder im grünen Bereich war, setzten wir unsere Fahrt fort, bis uns ein kleines Gewässer den Weg abschnitt.

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Zum Glück fanden wir einige Meter neben dem Weg eine Möglichkeit, das Hindernis zu überqueren ohne all unser Gepäck abzuladen und durchs knietiefe Wasser zu waten. Endlich konnten wir unsere Fahrt ohne weiter Pannen und Hindernisse fortfahren. 2/3 unserer Etappe war schön eben, im letzten Drittel mussten wir schliesslich heftig in die Pedalen. Es galt 350 Höhenmeter zu überwinden, tönt banal, aber es muss geschafft werden – und wir schafften es.

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Beim Erreichen unseres Tagesziels in Castelblanco de los Arroyos tat mir alles weh, die Füsse, die Waden, die Knie, die Oberschenkel, der Rücken, die Arme, die Schultern, nur der Kopf war noch einigermassen o.k. In einem ausgedehnten, warmen Bad entspannte sich alles schnell wieder. Unkraut verdirbt nicht so schnell.


Castelblanco de los Arroyos – Almaden de la Plata

30 km, 529 kum. Hm

Sonntag, 20. April 2014

Nach fünf sehr schönen sonnigen Tagen, sah die Wettervorhersage für die nächsten Tage nicht sehr optimistisch aus. Nach den Anstrengungen vom Vortag schliefen wir wie die Murmeltiere. Als wir morgens um 7:00 h erwachten, regnete es draussen in Strömen und wir drehten uns nochmals im Bett. Aber für einen Tag im Hotel sitzen, konnten wir uns auch nicht begeistern. So stürzten wir uns in Regenmontur und starteten kurz nach 9:00 h in das nächste Abenteuer. Petrus war uns jedoch gnädig, bald konnten wir uns der wasserdichten Kleidung entledigen, denn immer öfter schaute die Sonne zwischen den Wolken hervor. Eine 30 km lange Etappe ohne Zivilisation und Verpflegungsmöglichkeit wartete auf uns. Ca. 20 km folgten wir der schwach befahrenen Landstrasse bergaufwärts, bis wir das Eingangstor des Parque nacional Sierra Norte erreichten, ein Naturpark der nur von einigen Pilgern oder zwei „Bicigrinos“ besucht wird, aber nicht von einem Touristenstrom.

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Mit Begeisterung fuhren wir auf der gut unterhaltenen Naturstrasse durch dieses Paradies, begleitet von munterem Vogelgezwitscher in allen Tonlagen. Nur einer Handvoll Pilgern begegneten wir. Bis zum Ende des Parks lief alles gut, dann wurde der Weg immer schmaler und steiniger. In unserem Führer stand, dass es für Radler eine Schiebeaktion geben würde. Aber was versteht man schon unter „Schieben“? Mit vereinten Kräften mussten wir unsere Räder, eines nach dem anderen, Meter für Meter über die Steine hinaufschieben.

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Wer denkt, dafür gibt es auf der andern Seite eine flotte Talfahrt, der täuscht sich gewaltig. Durch ein noch steinigeres Bachbett ging es hinunter. Wenigstens hatten wir unser Ziel vor Augen. Trotzdem, es war eine landschaftlich wunderbare Etappe, und unsere Velo-Schiebeaktion erfüllte uns mit mächtigem Stolz.
Die Via de la Plata ist noch nicht so begangen, wie der Camino Francés im Norden, aber die Route wird immer beliebter und die Herbergsbetreiber immer geschäftstüchtiger. Sie lauern den Pilgern schon vor der Türe ab und jeder bieten günstige und schönste Unterkunft an, so auch in Almaden de la Plata. Wenn möglich ziehen wir ein sauberes Doppelzimmer mit eigenem Bad einer Übernachtung im Massenschlag einer Herberge vor. Im Hostal, wo wir übernachteten, trafen wir wieder das symptische Paar aus Frankreich, das in der Nähe von Genf beheimatet ist.

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Wir wünschten ihnen am Morgen schon bei unserer Wegfahrt in Castelblanco „buen camino“. Als wir so gemütlich beisammen sassen und plauderten, entleerte sich über dem 1000-Seelen-Dorf ein tosendes Gewitter. Trotz geschlossenem Fenster lag unsere ganze Kleider-Auslage am Boden im Wasser. Doppelverglasung mit Gummidichtung – was ist das?

Almaden de la Plata – Monesterio
51 km, 698 kum. Hm

Montag, 21. April 2014

Trotz schlechter Wetterprognose war Petrus wiederum gnädig mit uns. Er hatte ja noch einiges gutzumachen von der letzten Tour. Sonnenschein wechselte sich mit vorüberziehenden Wolken ab. Im ständigen bergauf und bergab radelten wir 14 km nach El Real de la Jara.

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Wiederum waren nur die Vögel mit ihrem Gezwitscher von der Partie. Ausserhalb der Ortschaft wechselte die Via de la Plata von der asphaltierten Strasse in einen löchrigen, nassen Feldweg. Wir waren uns schnell einig. Wir beide hatten keine Lust für eine kräfteraubende Aktion wie am Vortag. Wie wir später von anderen Pilgern erfuhren, war unsere Entscheidung einzig richtig. Wir wussten dass unsere Kräfte einteilen mussten denn unser Etappenziel lag auf 750 m ü. M. Wir zogen es vor, einen Umweg von einigen Kilometern zu fahren als dem nassen lehmigen Pilgerweg zu folgen. In Spanien führt jeweils eine bestens ausgebaute Nationalstrasse neben der Autobahn. Also fahren die Autos und Lastwagen auf der Autobahn und die Nationalstrasse wird, zum Teil dreispurigen, Luxusradweg. Die Spanier können sich diesen Luxus ja leisten. Wir verliessen die Provinz Andalusien und die Provinz Extremadura empfing uns mit strömenden Regen. Trotzdem radelten wir tapfer weiter bis zu unserem Ziel, Monesterio.

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Das Hotel gewährte uns auf den Zimmerpreis 10 Euros Pilgerrabatt, was natürlich Armins Pilgerherz höher schlagen liess. Pilgern macht so doppelten Spass!

Monesterio – Zafra
52 km, 350 kum. Hm

Dienstag, 22. April 2014

Für den heutigen Tag wurde uns viel Sonne prophezeit. Die Temperaturen am Morgen waren jedoch kühl. Wir hatten es unterlassen, unser zweites Paar Goretex- Socken aus dem Gepäck zu nehmen. So hatten wir in den nassen Schuhen bald eiskalte Füsse. Wir entschieden uns wiederum für die Nationalstrasse, im vollen Bewusstsein, dass wir so einiges an Naturschönheiten verpassen würden. Mit kalten Händen und Füssen rollten wir zähneklappernd Fuente de Cantos zu. Nachdem wir wieder einen Hügel überfahren hatten, änderte sich die Landschaft ganz plötzlich und wir fühlten uns in einem komplett anderen Film. Die bunten Blumen am Wegesrand, die wilde Natur mit den Kork- und Steineichen, die Felsen, alles war plötzlich weg und die sanfte Hügellandschaft und weiten Felder der Extremadura tat sich vor uns auf. Die vereinzelten Sonnenstrahlen und die Nebelschwaden verliehen dem Ganzen etwas Mystisches.

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Die Extremadura ist so gross wie die Schweiz. Nur ca. eine Million Einwohner besiedeln diese weite Region, die eine wahre Kornkammer ist (die Getreidesilos sind höher als die Kathedralen) über einen erstaunlichen Wasserreichtum verfügt und trotzdem die ärmste Region Spaniens ist.
Locker erreichten wir unser Zwischenziel, wo wir uns mit Proviant und Wasser eindeckten. Wir wollten uns treu bleiben und auf einer kleinen Landstrasse zu unserem Etappenort fahren. Am Dorfrand wollten wir eben in die Pedalen steigen, da kam eine Spanierin mit energischem Ton, der keine Widerrede duldete und meinte, man fahre den Camino auf dem Originalweg und nicht auf der Strasse. Sie hatte recht, die Naturstrasse zur nächsten Ortschaft, durch die Felder war wirklich lohnenswert.

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In Calzadillo de los Barros, nach einem kleinen Imbiss, folgten wir weiterhin dem Originalweg. Wir hätten es ahnen sollen, schon der Einstieg führte durch vom Regen aufgeweichte Erde und Pfützen und unsere Hoffnung, dass der Weg besser werde erfüllte sich gar nicht. Plötzlich sassen wir im tiefen Morast fest, zum Glück keine 100 m von der Nationalstrasse entfernt. Der Schlamm setzte sich zwischen Schutzblech und Rädern fest, sodass wir weder rückwärts noch vorwärts schieben konnten, alle Räder waren blockiert. Es gelang uns, die Räder ins Gras am Wegrand zu tragen und sie zur Strasse zu schleifen. Am Strassenrand wollten wir erst den Lehm mit den Fingern zwischen den Schutzblechen und den Pneus herauskratzen, aber nur die Demontage der Räder und die Entfernung des Lehms mit der Velopumpe in den Schutzblechen machten die Velos wieder einigermassen fahrbar.

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Zum Glück konnten wir unser Ziel Zafra (auf der Nationalstrasse) doch noch erreichen. Wir schämten uns richtig, so als „Dreck-Bicigrinos“ auf Zimmersuche zu gehen. Doch der Hotelbesitzer war nachsichtig, er zeigte uns, wo wir in einer Auto-Selfwash-Anlage mit Hochdruckreinigern unsere Gefährte von Dreck befreien konnten. Der Automat schluckte einige Eurostücke, kein Pilgerrabatt, bis die Fahrräder und die Schuhe wieder einigermassen ansehnlich waren. Diese Sumpftour wird im Langzeitgedächtnis gespeichert.

Zafra

Mittwoch 23. April 2014

Zafra ist eine hübsche, kleine Stadt im Süden der Extremadura, ebenso weiss wie die Dörfer in Andalusien. Ursprünglich war es eine muslimische Stadt. In der Burg aus dem 15. Jahrhundert ist heute ein nobles Parador Hotel untergebracht.

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Gestern hatten wir keinen Mut dort anzuklopfen.
Wir nahmen uns einen Tag frei, um gemütlich durch die Stadt zu schlendern und um zu realisieren, was wir in den letzten Tagen schon alles erlebt hatten. Auch auf diesem Weg begegnen wir den verschiedensten interessanten Leuten. Zum Beispiel der Pilger „Jean-Paul, comme le pape“, unverkennbar mit Hut, Rucksack, Stock und Handtasche, der sich hauptsächlich von Mandel, Bier, und ab und zu einem Glas Gin ernährt. Oder die drei nicht mehr ganz knackigen Französinnen die mit ihren vollbepackten Fahrrädern in Tarifa gestartet sind und in drei Monaten in Norwegen sein wollen. Vielen begegnet man, tauscht ein paar Worte aus, wünscht sich „buen camino“ und jeder geht seinen eigenen Weg weiter.

Zafra – Villafranca de los Barros

22 km, 350 kum. Hm

Dienstag, 24. April 2014

Heute Morgen fühlten wir uns beide nicht so fit, wie Radfahrer eigentlich sein sollten. Beide hatten in der Nacht gesundheitliche Probleme. Nun standen wir vor der Entscheidung, weiterfahren oder nochmals einen Tag pausieren. Wir waren uns bald einig. Wir fahren weiter, aber nur eine kurze Etappe. Vor allem, müssen wir uns wärmer anziehen. Die Wärme Andalusiens ist längst Vergangenheit. Am Morgen erreicht das Thermometer keine 10°C, tagsüber bleibt es unter 20°C Sonnenschein abwechselnd mit vorüberziehenden Wolkenfeldern. Eigentlich ideale Temperaturen für körperliche Anstrengungen, sei es Wandern oder Velofahren.
Es war eine wunderschöne Etappe, ohne weitere Kraftakte, durch Olivenhaine und Blumenwiesen, auf einem einsamen Feldweg.

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Einzig unserem Pilger Jean-Paul und einem weiteren Pilger begegneten wir. Schon kurz nach Mittag erreichten wir unser Ziel. Die kurze Etappe hatte sich gelohnt. Villafranca de los Barros entpuppte sich als schöner, gepflegter Ort. Als Sehenswürdigkeiten hatte der Ort „nur“ zwei schöne Kirchen zu bieten und für unser Nachtlager ein geschmackvoll und liebevoll eingerichtetes Casa Rural. Das gab uns die Möglichkeit, das Schlafmanko der letzten Nacht aufzuholen.

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Villafranca de los Barros – Mérida
46 km, 667 kum. Hm

Freitag, 25. April 2014

Nach viel und tiefem Schlaf fühlten wir uns wieder zu 100% einsatzbereit. Bei der Etappenplanung lasen wir, dass der Anhang „los Barros“ an mehreren Ortschaftnamen in der Gegend „fruchtbarer Boden“ oder „Lehm“ bedeutet. Gemäss unserem Reiseführer, stellte diese Etappe keine grossen Anforderungen, weder an Wanderer noch an Velofahrer. Nach dem Zenit in Monasterio ging es bis Mérida tendenziell bergab. Der Lehm im Ortsnamen machte uns aber schon hellhörig und wir fragten uns, ob die Regenfälle vom Vorabend, den Weg wohl aufgeweicht hätten. Wiederum warm angezogen und voll Zuversicht machten wir uns auf den Weg. Auf dem Weg in die Frühstückbar begegneten wir schon Jean-Paul. Seit wir mit ihm zusammen in der Hotelbar in Zafra ein Glas Wein getrunken haben, singen wir bei jeder Begegnung zusammen „Sur le Pont d’Avignon“ oder „Chevalier de la table ronde“. Heute sollten wir öfters zum Singen, oder gar Jubeln kommen. Wir staunten nicht schlecht, wie weit er schon marschiert war, bis wir unser Frühstück gegessen hatten. Die Fahrt führte durch Weinplantagen, soweit das Auge reicht.

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Die Naturstrasse war durch den Regen überhaupt nicht beeinträchtigt. Plötzlich aber bog der Camino links auf einen Feldweg ab. Da wir nicht wussten wohin die breite Strasse führt, blieb uns nichts anders übrig, als dem Feldweg zu folgen. Spätestens seit diesem Moment wissen wir, dass „los Barros“ eher „Lehm“ als „fruchtbarer Boden“ bedeutet. Es dauerte nicht lange, bis unsere Räder wieder zubetoniert waren. Weder Vorderrad noch Hinterrad drehte sich und keine gute Strasse in greifbarer Nähe. Wir haben ja schon Vieles auf unseren Radtouren erlebt, aber Sumpftouren, das ist etwas ganz neues. Ich war der Verzweiflung nahe und schwor, dass ich dem nächsten Wegweiser nach Madrid folgen werde und nach Hause reisen würde. Armin meinte nur trocken, dass sei eben Abenteuer. Als wir so verzweifelt dastanden, kam plötzlich ein Traktor gefahren und wir hofften auf Hilfe. Der stolze Spanier fuhr aber, ohne mit der Wimper zu zucken, an uns vorbei. Seiner Hilfe wurden wir erst später bewusst, denn er hatte mit seinen breiten Rädern den nassen Lehm festgewalzt. In der Zwischenzeit hatte uns Jean-Paul wieder eingeholt, er konnte uns auch nicht helfen und ging schliesslich seines Weges weiter.

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Es blieb uns nichts anderes übrig, als unser Gepäck abzuladen, die Fahrräder auf den Kopf zu stellen, die Räder zu entfernen und den Lehm aus dem Schutzblechen zu kratzen. Wir hatten keinen Mut, die vollbepackten Räder auf der festgewalzten Erde weiterzuschieben, deshalb ging ich mit meinem Rad, ohne Gepäck, voraus bis nach ca. 1 km der klebrige Weg wieder in die Naturstrasse, die wir einige Kilometer zuvor verlassen hatten, mündete. Ich deponierte mein Velo am Strassenrand und ging zurück um Armin weiterzuhelfen. Währenddessen transportierte Armin das Gepäck und sein Velo meterweise weiter.
In solchen Momenten beginnt man schon zu sinnieren, ob man solche Aktionen in unserm Alter noch braucht. Oder beginnt das Leben tatsächlich erst mit 66 Jahren? Die Jakobswege gleichen oft dem Lebensweg, da gibt es ja manchmal auch Situationen, wo man glaubt es gehe nicht mehr weiter. Wenn wir später einmal, mit den Fotobüchern von der Via de la Plata im Altersheim sitzen, werden wir über diese Erlebnisse lachen und sagen, was haben wir alles geleistet als wir noch „jung“ waren.
Kaum war die Idylle auf der breiten Naturstrasse wieder hergestellt, war der Ärger vergessen und ich entschied, mit dem Fahrrad weiter zu pilgern! Bald holten wir Jean-Paul wieder ein, nochmals ein kurzes Gespräch und ein Adieu. Wir werden in kaum mehr sehen, aber die Einladung an die Loire und seine Adresse haben wir im Sack. Wir überzeugten ihn natürlich auch, einmal den Jakobsweg durch die Schweiz zu gehen und dann bei uns Einkehr zu halten. Es sind besonders diese Begegnungen, die den Wert des Weges ausmachen.
Wir staunten nicht schlecht, dass wir unser Tagesziel Mérida, trotz der Rackerei, doch noch auf angenehme Art erreichten. Sogar das Hotel, wo wir vor zwei Jahren wohnten, fanden wir noch. In Mérida hatten die Römer vieles an Bauwerken hinterlassen, z.B. Aquädukt, Amphitheater, Dianatempel, die römische Brücke etc.

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Da wir diese Sehenswürdigkeiten schon alle besichtigt hatten, setzten wir uns gemütlich auf der Plaza de Espana an die Sonne und nippten an einem Glas Vino al Limon und beobachteten das Treiben auf dem Platz.

Mérida – Alcuéscar
37 km, 476 kum. Hm

Samstag, 26. April 2014

Bei bewölktem Himmel und bei etwas wärmeren Temperaturen starteten wir in den neuen Tag. Es stand wieder eine Bergetappe auf das nächste Hochplateau bevor. Wir verliessen Mérida auf einem ausgezeichneten Radweg, der zum Naherholungsgebiet an den Stausee von Prosperina führt.

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Es handelt sich um den grössten, heute bekannten, römischen Stausee und ist zusammen mit der Stadt Mérida von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt worden.
Je höher wir den Berg hinauf krochen, desto mehr veränderte sich die Natur: Steineichen, Viehweiden, Blumen in allen Farben und Variationen.

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Der Kuckuck rief uns laut zu. Armin, mit seiner gelben Jacke, als Kanarienvogel getarnt, erwiderte sein Rufen. Es gibt nämlich auch Vögel mit Fremdsprachenkenntnissen.
Unser Weg bog links ab, von der angenehmen Naturstrasse in eine Sand- und Steinpiste. Wir standen dort und fragten uns, sollen wir oder sollen wir nicht? Wir wagten es. Es gab einige kleine Schiebeaktionen aber ohne Katastrophen oder Verzweiflungen. Es kamen uns auch einige begeisterte Biker entgegen. Schon bald erreichten wir Aljucén, wo wir Gelegenheit hatten, uns mit heissem Tee und Bocadillos zu stärken.

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Wir wollten das Glück nicht herausfordern und wählten für den Rest der Etappe die Nationalstrasse, begleitet vom Rauschen der benachbarten Autobahn. Mit Rückenwind erreichten wir unser Ziel Alcuéscar locker.

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Nach einer warmen Dusche und einer Ruhepause machten wir uns auf Sightseeing-Tour, obwohl es gar nicht sehenswertes gab. Vor allem aber waren wir hungrig. Obwohl es erst 17:30 h war und in Spanien ab 20:30 h Nachtessen serviert wird. Die Gassen waren menschenleer. Wir schauten in einige Bars, aber keine war einladend genug für uns. Kurz nach 18:00 h fanden wir ein ziemlich grosses Restaurant. Wir bestellten uns ein Glas Weisswein und fragten den Kellner, ab welcher Zeit das Nachtessen serviert werde. Seine Antwort lautete, ab 19:30 – 20:00 h. Wir sassen gemütlich am Tisch und beobachteten das Kommen und Gehen der meist männlichen Gäste. Eine Gruppe sass am Tisch und spielte Karten, ohne Konsumation, andere standen an der Bar und tranken ein Bier. Im Hintergrund lief der Fernseher, ohne dass ihm wirklich Beachtung geschenkt wurde. In Spanien wird mit dem Lichtschalter gleich auch der Fernseher angeschaltet! So ca. 19:15 h verabschiedete sich der Kellner in den Feierabend und der Chef kam zum Einsatz. Eine halbe Stunde später, getrauten wir uns zu fragen, ob wir unser Nachtessen bestellen könnten. Die Antwort des Chefs: heute gibt es keine Nachtessen! Cornuto! Enttäuscht und immer noch hungrig machten wir uns davon, weiter auf die Suche, bis wir zu einer Art Restaurant-Confiserie kamen. Dort sassen die Frauen mit den Kindern beim Kuchenessen. Die Kinder kreischten, die Mütter schrien, der Fernseher lief in der oberen Lautstärke, und der Rest musste so laut reden, dass man sich verstand. Aber wir hatten Hunger und viele Alternativen gab es nicht. Trotz unserer Bestellung blieb der Koch, mit seinem übergrossen Hängebauch am Nebentisch sitzen und plauderte mit zwei Damen. Erst als diese sich verabschiedet hatten, bemühte er sich in die Küche.

Alcuéscar – Caceres
40 km, 340 kum. Hm

Sonntag, 27. April

Der Wind hatte über Nacht die Wolken weggeputzt. Ein kühler, aber wolkenloser Tag wartet auf uns. Wiederum folgten wir dem Camino durch Weiden und Felder. Wir wollten den Meilenstein aus römischer Zeit, der eine Zeitlang noch als Briefkasten für ein benachbartes Gut diente, nicht verpassen.

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Die Ruhe, nur vom Vogelgezwitscher unterbrochen, war nach dem gestrigen Abend, Balsam für unsere Ohren. Nachdem wir das nötige Bild im Kasten hatten, und der Camino eh parallel zur Strasse verlief, kämpften wir uns im Gegenwind weiter auf der Nationalstrasse Richtung Caceres.

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Sonntagnachmittag, ca. 14:30 h erreichten wir die Stadt. Da war einiges los, Herr und Frau Spanier promenierten durch die Stadt, Herr Spanier im Anzug mit Kravatte, Frau Spanier im eleganten Kostüm oder Hosenanzug, mit Schmuck um den Hals, sodass man das Gesicht kaum sah.
Auch diese Stadt besuchten wir im 2012 und auch hier fanden wir das Hotel gleich wieder. Als wir uns anmeldeten, begann die Réceptionistin zu strahlen und meinte: Sie waren ja schon vor 2 Jahren da!
Wir beschränkten uns auf einen kleinen Rundgang in der Altstadt, genossen dafür auf der Plaza Mayor einen üppigen Salatteller, begleitet von einem Gitarristen mit einer wunderschönen Stimme.

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Eine Gesellschaft am Nebentisch sang imbrünstig mit, was Armins Sängerherz hoch schlagen liess.
Neben den vielen Sehenswürdigkeiten aus römischer Zeit, gibt es noch eine andere Attraktion in der Extremadura – die Störche. Eine riesige Zahl von Störchen bevölkern im Frühling und im Frühsommer sämtliche Kirchtürme, Turm- und Palastspitzen und bauen auf den Dächern ihre Nester. In der Extremadura sind sie in keinernArt und Weise vom Aussterben bedroht. Sie werden in den Städten nicht nur geduldet, sondern gehegt. Es ist den Störchen ausgezeichnet gelungen, sich an die neuen, modernen Biotope anzupassen. Als Folge der Klimaerwärmung soll es heute Störche geben, die das ganze Jahr in Spanien bleiben –„Stubenhocker“

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3 Kommentare zu “Sevilla – Caceres”

  1. s müllersam 01.05.2014 um 20:29

    ihr Lieben,mit grossem Vergnügen haben wir eure Berichte über die
    Drecktouren gelesen und unsere Veloherzen haben mit euch gelitten.
    Nach einer Woche Holland mit Eingänger, Rücktritt und Gegenwind kommen wir uns schon ein wenig „schäbig“vor.
    Tragt euch sorge und behaltet den erfrischenden Humor,auf keinen Fall aufhören,was würden wir am Abend in der warmen Stube machen ohne eure Berichte!
    Viele guten Gedanken und liebe Grüsse von Ruth und Hugo

  2. Philippam 02.05.2014 um 21:40

    Bezüglich Pannen: füll den Schlauch mal mit 100ml Reifenmilch für „tubeless“ Systeme, damit sich der Schlauch wieder von selbst repariert. Bekommst du in jedem veloshop.
    Gruss Söhnlein

  3. Arminam 03.05.2014 um 17:22

    Kann man den Schaum solange man will im Schlauch lassen?
    Muss der Schlauch nach einigen Kilometern nicht gewechselt werden?