An unserem letzten Tag in Chongqing hatten wir genügend Zeit um etwas umher zu trödeln. Die Einschiffungszeit für unsere Schifffahrt auf dem Jangtse-Fluss war erst um 17:45 h. Die ganze Nacht hatte es in Strömen geregnet und der Morgen sah auch nicht besser aus. So beschlossen wir, uns etwas Zeit für unseren Blog zu nehmen und die ausgewählten Fotos zu laden. Sorgsam machten wir uns an die Arbeit, fast alle Fotos waren geladen, dann ein falscher Griff in die Computertasten und alles war wieder gelöscht. Gefrustet packten wir diese teuflische Computermaschine zusammen und hofften, auf dem Schiff etwas Zeit dafür zu haben.
Pünktlich wurden wir von einem deutsch sprechenden Chinesen abgeholt. Das Nervenbündel begleitete uns zum Schiff.

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Am Hafen wollte er uns einen Kofferträger andrehen.

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Entschieden lehnten wir ab und schoben unser Gepäck selbst zum Schiff. Wir sind ja keine Weicheier. Kopflos rannte er einer Gruppe Leute hinterher und lotste uns aufs falsche Schiff. Endlich auf dem richtigen Schiff, erlebten wir innerhalb einer halben Stunde mehr, als in einem halben Jahr zu Hause. Die verschiedensten Informationen prasselten auf uns hernieder, die es in wenigen Sekunden zu begreifen galt. Die Hostess zeigte uns, unser reserviertes Zimmer in der untersten Schiffsetage. Das Schiff sei nicht ganz belegt und wir hätten die Möglichkeit für ein Upgrade. Sie nannte uns den Preis, wir verstanden Yuan, sie aber meinte Dollars. Entscheiden mussten wir uns in Blitzeseile. Ich sagte nein, brauchen wir nicht, Armin sagte ja. So zogen wir in ein grosses, komfortables Zimmer in der 4. Etage. Bei jeder Stufe standen zwei Bedienstete, die uns warnten: watch your step oder mind your head. Kaum im Zimmer, ertönte eine unverständliche, englische Durchsage aus dem Lautsprecher in der Decke. Zur gleichen Zeit klingelte das Telefon. Noch einmal eine chinesisch-englische Information, die wir nicht verstanden. Während Armin immer noch am Telefon versuchte die Information zu verstehen, klopfte es an der Zimmertür. Kleiderwaschservice zu horrenden Preisen wurde angeboten. Keine Minute später klopfte es erneut. Dieses Mal wollte man uns ein Getränkepackage für 800 Yuan andrehen. Schnellstens mussten wir uns für die fakultativen Ausflüge entscheiden und diese, sowie das Upgrade bezahlen. Das Schiff könnte ja untergehen und es wäre eine Katastrophe, wenn die Rechnungen nicht vorher beglichen worden wären. In der Zwischenzeit stand das Nachtessen bereit (natürlich nicht im Preis inbegriffen). Schliesslich blieb uns dann doch noch etwas Zeit, vom Schiff aus Chongqing by Night zu bewundern.

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Das Schiff legte um 21:30 ab. Eine halbe Stunde später fand die nächste Information über alle Angebote auf dem Schiff statt. Jeder wurde wieder bearbeitet, sich doch einen Termin für eine Massage oder Akupunkturbehandlung geben zu lassen. Das Internet wurde für 200 Yuan pro Tag angeboten. Bei diesem Wucherpreis entschieden wir, uns für drei Tage von der Aussenwelt abzumelden. Total erschöpft fielen wir ins Bett, dabei glaubten wir bis jetzt, eine Kreuzfahrt sei etwas Gemütliches.
Am nächsten Morgen wurden wir bereits um 6:30 h mit leiser Musik ermahnt, dass es Zeit zum Aufstehen ist. Zwischen 7:00 h und 8:00 h wird Frühstück serviert. Um 8:15 h mussten wir in die richtige Gruppe stehen für den ersten Landausflug. Die Geisterstadt Fengdu, 170 km von Chongqing entfernt, war auf dem Programm. Die Ortschaft Fengdu ging 2009 in den Fluten des Jangtse unter, als der Fluss gestaut wurde. Auf der gegenüberliegenden Seite wurde die Stadt neu aufgebaut und die Bewohner mussten umziehen. Was geblieben ist, ist die auf Geister fokusierte, teils buddhistische, teils taoistische Tempelanlage Ming Shan. Über 400 Stufen mussten wir hinaufsteigen, um die Geister, Dämonen und Monster zu besuchen.

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Jedem, der diese Anlage besucht hat, soll ein langes Leben beschieden sein. Wir sind ja mal gespannt! Die Besichtigung dauerte genau von 8:15 h bis 11:00 h, keine Minute länger, keine Minute weniger. Um 12:00 h war das Mittagsmahl bereitet. Die Zeit reichte gerade zum Hände waschen und Haare kämmen. Nach dem Mittagessen durften wir während 3 Stunden die Beine strecken, bevor es zum nächsten Landausflug ging. Dieses Mahl besuchten wir Shibaozhai, eine 56 m hohe, hölzerne Pagode, die an einen, vom Flusswasser umspülten, Felsen geklebt ist.

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Nach unserer Rückkehr im strömenden Regen, hatten wir gerade Zeit für eine Dusche, bevor der Kapitän zum Bankett lud. Endlich hatte ich Gelegenheit, meine „Jack Wolfskin Designer-Klamotten“ und die eleganten „Ecco-Jerusalem“ anzuziehen. Die Talent Show der Crew nach dem Essen liessen wir aus und zogen uns in unser grosszügiges Zimmer zurück.
Der zweite Morgen begann wie der Erste, mit leiser Musik um 6:30 h. Wiederum Frühstück von 7:00 bis 8:00 h und wieder in die richtige Gruppe einstehen für den Besuch der halbversunkenen Stadt des weissen Kaisers, am Eingang der ersten Schlucht.

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Bei den Anlegestellen ist es jedes Mal ein Spiessrutenlauf, vorbei an den Händlern. Einmal sind es Vogelpfeifen oder Holzspielsachen, ein anders Mal überteuerte Früchte oder getrocknete Fische, die angeboten werden.

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Der Spaziergang über die kleine Insel des Weissen Kaisers war entspannend und interessant. Zurück auf dem Schiff, reichte die Zeit wiederum gerade fürs Händewaschen, bevor es an den Mittagstisch ging. Dieses Mal durften wir 2 Stunden nichts tun.

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Nachdem das Schiff die Qutang-Schlucht und die Wu-Schlucht durchfahren hatte, hielt es in Badong. Dort wurden wir in ein kleineres Boot umgeladen für die Besichtigung der drei kleinen Schluchten auf dem Shennong-Strom.

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Eine Stunde dauerte die Fahrt, bis wir kleine Holzboote besteigen mussten. Ca. 20 Personen pro Boot wurden von 4 muskulösen Chinesen noch weiter in die Schlucht gerudert.

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Als diese ihre Arbeit getan hatten, banden sie ihre Boote am Ufer fest und rannten auf schmalen Trampelpfaden ca. 500 Höhenmeter steil den Berg hinauf zu ihren Häusern.

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Hängende Särge der Ureinwohner in den Felsspalten

Hängende Särge der Ureinwohner in den Felsspalten

Wieder reichte die Zeit gerade zum Händewaschen und schon war es Zeit für das Nachtessen. Bei jeder Mahlzeit teilten wir den Tisch mit sieben aufgestellten, sympathischen Australiern. Es gab immer viel zu lachen. An diesem Abend beschlossen wir, uns die Talent Show der Passagiere anzusehen. Es war eher peinlich als wirklich schön. Einzig ein junger Amerikaner, der auf dem Flügel Chopin spielte, erhielt von uns die Note gut, bei den restlichen Teilnehmern meinten wir „leider nein“. Mitten in der Nacht, kam es zu einem weiteren Spektakel. Wir hatten die grosse Staumauer am Jangtse-Fluss erreicht. Unser 135 m langes Schiff wurde über 5 Schleusenstufen um 110 m abgesenkt.

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Der Tag begann wieder früh, denn wir mussten bereits wieder unsere Koffern packen und um 8:15 h bereitstehen für die Besichtigung der grossen Staumauer.

Befestigungsteine für die Flussumleitung wärend des Dammbaues

Befestigungsteine für die Flussumleitung wärend des Dammbaues

Schiffshebewerk Bauvollendung voraussichtlichn 2015

Schiffshebewerk
Bauvollendung voraussichtlichn 2015

Um 12:30 h verliessen wir das Traumschiff in Yichang, um nach Shanghai weiter zu fliegen.

Der Jangtse-Fluss
Der Jangtse-Fluss ist nach dem Amazonas und dem Nil, der drittgrösste Fluss der Welt. Der 6300 km lange Fluss fliesst durch 7 chinesische Provinzen. Von ca. 700 Nebenflüsse wird er gespeist, bevor er nördlich von Shanghai in das chinesische Meer mündet. Der berühmteste Abschnitt liegt zwischen Chongqing und Yichang, wo er sich in drei Schluchten eingefressen hat. Etwa 40 km vor Yichang wurde die berühmt-berüchtigte Staumauer gebaut. Durch den Bau des Dammes ist der Pegelstand durch die Schluchten um ca. 80 m gestiegen und hat den Schluchten einiges an Gefährlichkeit genommen. 1,2 Millionen Menschen mussten umgesiedelt werden. Diese Menschen hätten dies gerne getan, wurde uns übermittelt. In früheren Zeiten kam es am Unterlauf immer wieder zu verheerenden Überschwemmungen, bei denen tausende Menschen ums Leben kamen. Durch den Dammbau wurde der Fluss am Unterlaufgebändigt. In Europa hätten diese Umsiedelungen zu einem Aufstand geführt, Chinesen seien aber gute Leute. Die Menschen oberhalb des Dammes wussten, dass sie der Bevölkerung am Unterlauf durch den Dammbau das Leben retten konnten und waren mit den Umsiedelungen ohne Einwände (!) einverstanden. 30 m2 Wohnfläche habe jede umgesiedelte Person vom Staat geschenkt bekommen.
Die ersten Pläne für den Dammbau stammen aus dem Jahr 1919. Schon damals wurde erkannt, dass in diesem Fluss ein gewaltiges Potenzial zur Energiegewinnung liegt. Heute ist der Drei-Schluchten-Damm der grösste, von Menschhand erbaute Generator für elektrischen Strom aus erneuerbarer Quelle. 32 Turbinen stellen Strom her für die Bevölkerung in einen Umkreis mit einem Radius von 1000 km.

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Die saubere Energie wird viel gerühmt. Etwas leiser erzählt man, dass, seit diesem Mammutbau der chinesische Störfisch und das chinesische Krokodil und wahrscheinlich noch vieles mehr, ausgestorben sind.
Wir hatten uns immer vorgestellt,die Fahrt auf dem Jangtse führe durch eine Schmutzkloake und das Schiff müsse sich durch leere Petflaschen, Ölteppiche und weiteren Unrat navigieren. Aber nichts dergleichen. Die chemische Zusammensetzung des Wassers konnten wir nicht beurteilen. Wir empfanden den Fluss ebenso „sauber“, wie Rhein, Rhone und Donau.

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