Kurz vor Mittag verliessen wir Hangzhou bei 32° C und sehr hoher Luftfeuchtigkeit. Mit dem Auto wurden wir ins ca. 200 km entfernte Tunxi gebracht, den Ausgangspunkt für den Besuch der vielgerühmten gelben Berge in der Provinz Anhui. Dies ist eine sehr liebliche Provinz mit vielen Teeplantagen und Landwirtschaft. Kurz vor dem Ziel machten wir Halt, um eines der Huizou-Dörfer und einen Bonsai -Garten zu besuchen. Huizou ist die Heimat höchst erfolgreicher Kaufleute, die mit Holz, Tee und Salz handelten und im ganzen Reich eine Reihe lukrativer Pfandhäuser betrieben. Das hatte zwei Seiten. Einerseits waren die Bewohner meist ziemlich reich, aber sie waren auch immer irgendwo unterwegs. Mit 13 Jahren wurden viele junge Männer vor die Türe gesetzt, um anderswo Geschäfte zu machen. Meist kehrten sie nur einmal im Jahr nach Hause zurück. Statt ihre Familien zu entwurzeln oder sich dem angestammten Clan gegenüber respektlos zu zeigen, blieben diese Kaufleute mit ihren Heimatstädten verbunden, die sie kaum mehr zu Gesicht bekamen. Ihre Gewinne investierten sie in den Bau luxuriösen Residenzen und in den Bau von einigen der grössten Ahnenhallen Chinas. Vor diesem Hintergrund gehören die Huizou Dörfer , die über das ganze südliche Anhui verstreut sind, zu den schönsten des Landes, wozu auch die Tatsache beiträgt, dass sie häufig inmitten einer üppigen Landschaft, voller Hügel mit Bambus- und Kiefernwälder liegen. Im Hintergrund verlaufen die Silhouetten, der verschiedenen Hügelzüge.

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Der Bonsai-Garten gehört zu einem Privatbesitz. Ein reicher Mann hat ihn für seine Frau bauen lassen. Die Frau wäre jeweils gerne an den Westsee gefahren, weil aber die Entfernung für sie zu gross war, liess der Mann auf seinem Landstück einen Miniatur-Westsee bauen,

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umgeben von hunderten, wundervollen Bonsais.

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In dieser Umgebung stehen keine Industrieanlagen und die gute Luft liess uns tief durchatmen. Wir sind eben doch Landeier und fühlen uns in den Häuserschluchten bald einmal eingeengt.

Am nächsten Tag stand der Besuch des Huang Shan (gelbes Gebirge) auf dem Programm. Die Wetteraussichten waren nicht gerade ideal für den Aufstieg auf 1800 m, auf den schönsten Berg Chinas. Aber das Wetter können wir nun einmal nicht ändern. Wasserdicht ausgerüstet, fuhren wir während 1 Stunde zur Seilbahnstation, von dort mit der Gondelbahn auf ca. 1600 m. Im dichten Nebel und einmal mehr bei strömendem Regen kamen wir oben an. Der Besuch des Berges bei Regen und Nebel lohnt sich nur schon, um zu sehen, wie die Chinesen zu Berge gehen. Jeder Bergführer bei uns zuhause bekäme Herzkrämpfe. Die Chinesen kennen keine Gore-Tex Kleider oder Wanderschuhe. Bei Regenwetter kaufen sie an der Seilbahnstation dünne Plastikjacken- und Hosen, über die feinen Schühchen ziehen sie ebenfalls eine Plastikhaut.

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Natürlich kann man die Bergwege auch nicht mit unseren vergleichen, hier werden Autobahnen gebaut, damit man in der Hochsaison dem Ansturm gerecht wird.

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Im dichten Nebel waren wir jedenfalls froh, einen Führer dabei zu haben, wir hätten uns nicht orientieren können. Wir besuchten all die verschiedenen, bestens ausgebauten Aussichtspunkte und er erklärte uns, hier würden sie diese Felsformation sehen, dort jene. Wir sahen aber nur Bäume, sonst nichts.

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Unser junger Guide schien jedenfalls nicht unglücklich zu sein, als wir zurück ins Hotel wollten. Es schüttete die ganze Nacht, so konnten wir uns am Morgen um 5:30 h ohne schlechtes Gewissen im Bett nochmals drehen, der viel beschriebene Sonnenaufgang blieb uns ebenfalls vergönnt. So müssen wir uns selbst vorstellen, wie die Felsformationen mit den vielsagenden Namen, wie „Gipfel des Beginns des Glaubens“, „Pinsel, an dem eine Blume blüht“ oder „Gipfel der himmlischen Hauptstadt“ aussehen, wenn Nebelschwaden sie umschleichen. Erst als wir mit der Gondelbahn wieder talwärts fuhren, lichtete sich der Nebel in etwa auf halber Höhe und wir konnten uns kurz vorstellen, wie magisch das gelbe Gebirge wirkt.

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Auf dem Berg stehen einige Hotels, verbunden mit breiten Wegen und vielen Treppen,
auf und ab. So können die Hotels nicht mit Autos, oder anderen Fahrzeugen beliefert werden. Die Gondelbahn bringt die Lebensmittel etc. nach oben, anschliessend wird alles mit Menschenkraft verteilt. Etwa 1000 Männer sind täglich im Einsatz. 80 – 100 kg binden sie gleichmässig, in zwei Teilen verteilt, an ein Stecken, den sie über die Schulter legen.

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Für diese harte Arbeit erhalten sie 2,8 Yuan (1 Yuan = ca. 16 Rappen) pro Kilogramm. Auf dem Rückweg, wenn sie ihre schwere Last in den Hotels abgegeben haben, leeren sie all die Mülltonnen, die am Wegesrand stehen. Die Gesichter der Männer sind gezeichnet. Wir fragen uns, ob die junge Generation noch bereit sein wird, diese Arbeit zu erledigen.

Auf der Rückfahrt nach Tunxi besuchten wir Chengkan, ein weiteres Huizou-Dorf. Es ist ein lebendiges, aktives Dorf und bietet ein anderes Bild, als die anderen Museumsdörfer.

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Bauern laufen mit geschulterten Hacken durch den Ort, Teehändler wuchten Körbe mit frischgepflückten Teeblättern auf die Strasse, quakende Enten machen den Bach unsicher und in der Luft liegt der Duft von Stallmist – ein echtes Stück Leben im ländlichen China.

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In diesem Dorf steht der grösste Ahnentempel im südlichen China, ein massiver, hölzerner Komplex, mit mehreren Innenhöfen.

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In den Eingangsbalken sind 199 Pfingstrosenblüten geschnitzt.

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An den Wänden hängen viele Tafeln, mit Verhaltensregeln für die nächste Generation.

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Schade, in den Gassen liegt überall Unrat. Als ich unseren Führer darauf ansprach, antwortete er spontan, die werde am nächsten Morgen abgeholt. Wer’s glaubt!

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Es ist gut, ab und zu einen Führer zu haben, so erfahren wir doch noch einiges über die Traditionen, das Leben oder den Buddhismus in China, je nach Interessen des Guides. Wir sind aber auch immer wieder froh, wenn wir die guten Leute wieder loshaben, dann können wir alles etwas gemütlicher angehen. Der 23-jährige turnte mit uns auf dem Berg oben Treppen rauf und runter, bis uns manchmal der Atem fehlte und wir ihn wieder bändigen mussten. Wie ein „Heugümper“ hüpfte er mit uns durch die Gassen von Chengkan. Dafür haben wir einiges von ihm über die Traditionen erfahren. Auf unsere Frage, ob er als so junger Mann nicht einmal in ein Land gehen wolle, wo man Englisch spricht, für seine weitere berufliche Karriere, erklärte er uns, dass er eine Freundin habe, die er gerne heiraten möchte. Aber als Mann könne er dies erst tun, wenn er genug Geld gespart habe, um ihr eine Wohnung zu kaufen. Er wollte dann von uns wissen, wer bei uns das Sagen habe. Als wir ihm erklärten, dass wir die Entscheidungen meistens gemeinsam treffen, meinte er, seine Freundin entscheide alles, was die Familie betrifft, er alles, was ausser Hause entschieden werden müsse. Von diesen Traditionen haben wir auch in Shanghai von einem Vater eines 14-jährigen Sohnes erfahren. Er jammerte uns vor, erst müsse er für die Ausbildung des Sohnes Geld sparen, dieser möchte einmal gerne in Oxford oder Cambridge studieren, dann müsse er für seinen Sohn eine Wohnung kaufen, sollte dieser einmal Heiratspläne haben und schliesslich gehen die Hochzeitskosten sowie der Honeymoon ebenfalls zu Lasten des Vaters. Bei der Hochzeitsfeier dürfe man sich gar nicht knausrig zeigen, sonst verliere man das Gesicht gegenüber Freunden und Verwandten. Über die Geburt eines Sohnes könne man sich nur solange freuen, bis einem bewusst werde, welche Kosten auf den Vater zukommen werden. Ob diese Traditionen im modernen China weiter Bestand haben werden?

Eindrücke vom Etappenaugangsort Tunxi

Eindrücke vom Etappenaugangsort Tunxi

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Auf dem Bahnhof von Tunxi verabschiedeten wir uns von unserem jungen Heugümper und waren froh, wieder etwas langsamer gehen zu können. Die Bahnstrecke zwischen Tunxi und Nanjing ist nicht die Strecke, wo die komfortablen Hispeed- Züge eingesetzt werden. So mussten wir, obwohl während des Tages reisend, mit einem Liegewagen vorlieb nehmen. Geduldig warteten wir, bis das Tor geöffnet wurde, um den Bahnsteig zu betreten. Kaum war das Tor offen, rannten hunderte von Chinesen los, mit Säcken, Schachteln, Koffern und Taschen beladen, der Wagentüre des Zuges entgegen. Es sah aus, als wollen hunderte, vollbepackte Chinesen durch ein Nadelöhr rennen. Wir sahen bald ein, mit Anstand werden wir diesen Zug nie erreichen. Armin nahm den Kampf mit einer Frau auf, verlor ihn aber bitterlich. Der Bahnsteig war noch nicht angepasst für bequemes Einsteigen. Als wir endlich an der Reihe waren, mussten wir unser Gepäck über steile Stufen hinauf hieven, mit ungeduldigem Gedränge von hinten. Wir waren froh, als wir unsere reservierten Liegeplätze lebend und ohne grösseren Schaden erreichen konnten. Nach 5 ½ Stunden Fahrt erreichten wir bei strahlendem Sonnenschein Nanjing. Obwohl diese Stadt auch über 3,4 Millionen Einwohner hat, war sie uns gleich sympathisch. Wir wurden nicht gleich von den hohen Hochhäusern erdrückt und in den Strassen spenden riesige Platanen Schatten und verleihen der Stadt eine grüne Lunge.

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Diese berühmte Universitätsstadt soll zu den angenehmeren und wohlhabenderen Städten China gehören und liegt in einer schönen Landschaft aus Seen, Flüssen und waldreichen Parks. Die Stadt blickt auf eine lange Geschichte zurück. Sie diente in der Vergangenheit zwei Mal als Hauptstadt. Das erste Mal im 14. – 17. Jahrhundert, das zweite Mal anfangs des 20. Jahrhunderts bei der Gründung der Volksrepublik China. Es gibt aber auch eine dunkle Seite im Geschichtsbuch der Stadt. Hier kam es im Jahre 1937, während eines japanischen Angriffs auf China zu den schlimmsten Kriegsgreueltaten. Zwischen 200 000 – 300 000 Zivilisten wurden von den Japanern massakriert oder gezielt ermordet. 20 000 Frauen im Alter zwischen 11 – 76 Jahren wurden vergewaltigt. Frauen die sich wehrten oder Kinder, die störten, wurden brutal mit dem Bajonett niedergestochen. Heute erinnert noch eine Gedenkstätte an diese Geschehnisse.
Über dem östlichen Stadtrand erhebt sich der Berg Zijin. Es ist ein stark bewaldeter Park, in dem sich die meisten Sehenswürdigkeiten Nanjings liegen, so zum Beispiel das Mausoleum des Dr. Sun Yatsens. Dr. Sun gilt bei den Kommunisten als Vater des modernen Chinas. 1925 starb er in Beijing, es war aber sein Wunsch in Nanjing beigesetzt zu werden. Dabei dachte er wahrscheinlich eher an ein schlichtes Grabmal, als an das gewaltige Mausoleum im Ming-Stil, das ihm seine Nachfolger errichteten. 392 Stufen sind wir den Berg hinauf gestiegen, bis wir bei seiner Krypta angelangt waren.

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Unweit des Mausoleums steht der Tempel Linggu, eine Anlage aus der Ming-Zeit.

Figur aus dem Tempel

Figur aus dem Tempel

Beachtlich ist die balkenlose Halle, die im 14. Jahrhundert mit Ziegeln und Steinen gebaut und ohne Balken gestützt wurde.

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Zu dieser Zeit wurde jeweils mit Holz gebaut. Wegen der Verknappung des Bauholzes mussten die Baumeister auf Ziegel und Steine zurückgreifen. Früher standen in dieser Halle hauptsächlich verschiedene Buddhas. In den 1930-er Jahren wurde die Halle in eine Gedenkstätte für die Gefallenen des Widerstandes gegen die Japaner umgewandelt. Gleich in der Nähe steht die farbenfrohe, 9-stöckige, 60 m hohe Linggu-Pagode. Sie wurde im Jahr 1933 als Erinnerung an die Toten der Kuonmingtan-Revolution errichtet.

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Um die schöne Aussicht über den Wald und die nähere Umgebung zu geniessen, sind wir nochmals 300 Stufen hinauf gestiegen.
Gleich um die Ecke, bei unserem Hotel, liegt der Konfuziustempel.

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Er war über einen Zeitraum von 1500 Jahren ein Zentrum konfuzianischer Studien. Da das Wetter bereits wieder in Regenschauer umgeschlagen hatte, war der Tempel ein geeignetes Ziel für uns. Als wir durch die verschiedenen Hallen gingen, hörten wir plötzlich aus einer grösseren Halle Musik. Da wir draussen ja nichts verpassten, setzten wir uns in die Bänke. Eine 5-köpfige Girl-Band spielte chinesischer Geige, chinesischer Laute und Bambusflöte, ansprechliche Musik.

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Leider dauerte das Konzert nur kurze Zeit und wir standen wieder im Regen.

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