In Nanjing stiegen wir in den Nachtzug um nach Luoyang weiterzureisen. Wir teilten unser Abteil mit zwei 40 – 50 jährigen Chinesen.

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Einer davon sprach einige wenige Worte Englisch. Trotz der Sprachbarrieren waren wir bald in ein angeregtes Gespräch verwickelt. Derjenige, der kein Englisch sprach, sagte dem anderen immer, was er fragen müsse. Beim Abschied sagten sie uns, dass sie letzte Nacht beschlossen hätten, besser Englisch zu lernen, damit sie künftig mit Fremden besser kommunizieren können, denn sie hätten viel Interessantes von uns erfahren. Nach der 12-stündigen Fahrt kamen wir morgens um 7:00 h in Luoyang an, gerade rechtzeitig für eine Dusche und das Frühstück im Hotel.
Luoyang diente einst 13 Dynastien als Hauptstadt,

Stadttor

Stadttor

Altstadt

Altstadt

bis sie im 10. Jahrhundert nach Kaifeng verlegt wurde. Früher verteilten sich 1300 buddhistische Tempel über die Stadt. Es gibt immer noch Kreise, die meinen, „Luoyang ist von altersher das Zentrum der Welt – es ist eine leuchtende Perle“. Heute kann man sich nur schwer vorstellen, dass Luoyang einmal der Mittelpunkt des chinesischen Universums und die östliche Hauptstadt der Tang-Dynastie gewesen ist. Dort wo früher der grosse Palastkomplex stand, befindet sich heute ein abgasverpestetes und hupendes Verkehrsgewühl.
Luoyang ist auch bekannt für das, im April stattfindende, Pfingstrosenfest. Obwohl meine Lieblingsblumen längst verblüht sind, ist nicht zu übersehen, dass diese Blume zur Stadt gehört. Künstliche Blumen in allen Farben, Bilder oder kunstvoll bemalte Fächer werden zum Kauf angeboten. Wir übernachteten im Pfingstrosen-Hotel.

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Etwa 15 km ausserhalb der Stadt befindet sich eines der wenigen in China noch existierenden Meisterwerke der buddhistischen Felsenbildhauerkunst, die Longmen Grotten.

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Etwa 500 Jahre n. Chr. wurde mit dem Bau des Kunstwerkes begonnen. Im Laufe der folgenden 200 Jahre entstanden auf über 1 km Kalksteinwand an den Ufern des Yi Flusses über 100 000 Bildnisse und Statuen von Buddha und seinen Schülern. Heute ist die Figurensammlung durch eine erschreckende Anzahl von Beschädigungen verunstaltet. Anfangs des 20. Jahrhunderts wurden viele Statuen von skrupellosen Sammlern geköpft oder entwendet.

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Viele davon landeten im Ausland, wie dem Metropolitan Museum of Art in New York, dem Atkinson Museum in Kansas City und dem Nationalmuseum in Tokio. Bei manchen Statuen wurden die Gesichter einfach abgeschlagen, eine gezielte Verunstaltung aus den dunklen Tagen der Kulturrevolution. Inzwischen werden nach und nach einige Bildnisse wieder zurückgegeben und die abgetrennten Köpfe werden wieder auf die Hälse gesetzt.
Nach dem Besuch dieses einmaligen Zeitzeugnisses, wo wir wiederum unzählige Treppen hinauf und hinunter gestiegen sind,

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besuchten wir das Kloster der weissen Pferde. Das Kloster wurde im 1. Jahrhundert n. Chr. gegründet und gilt als erster buddhistischer Tempel auf chinesischer Erde. Nachdem sich zwei Abgesandte des Hofes des damaligen Kaisers auf die Suche nach buddhistischen Schriften gemacht hatten, begegneten sie in Afghanistan zwei indischen Mönchen. Diese begaben sich auf zwei weissen Pferden nach Luoyang und brachten buddhistische Sutren (Schriften) und Statuen mit. Der beeindruckte Kaiser baute einen Tempel, um die beiden Mönche unterzubringen.

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Dort fanden sie auch ihre letzte Ruhestätte. Vom ursprünglichen Tempel ist heute nicht mehr viel zu sehen, im Laufe der Zeit wurde alles erneuert. Irgendwie muss dieser Tempel schon etwas spezielles sein. Nirgendwo anders gab es vor der Anlage so viele Verkaufsstände, wo Räucherstäbchen in verschiedenen Grössen angeboten wurden.

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Seit 2010 steht neben der chinesischen Tempelanlage ein indischer buddhistischer Tempel, ein Freundschaftsgeschenk der indischen Regierung an China.

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Gleich anschliessend ist eine thailändische Tempelanlage im Bau.

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Ein weiterer Ausflug galt dem Shaolin-Tempel. Er liegt etwa 1 ½ Autostunden von Luoyang entfernt, in den Hügeln. Dieser Tempelanlage ist eine grosse Kampfsport-Schule angegliedert.

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Das Shaolin-Boxen wird einem asketischen, indischen Mönch zugeschrieben. Dieser besuchte den Shaolin-Tempel und ergänzte die im Sitzen ausgeführten Meditationen der Mönche mit ein paar Atem- und Muskelaufbauübungen. Es war gerade Samstag und Hunderte von kleinen Knaben bis zu älteren Jugendlichen übten sich in Disziplin und in Körperbeherrschung.

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Der Tempel selbst diente im Laufe der Zeit immer wieder als Kriegsziel und wurde zuletzt 1928 in Brand gesetzt. Heute ist das Meiste wieder aufgebaut und die Anlage ist zu einem Touristenmagnet geworden.

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Besonders der Pagodenwald, ein aus 246 kleinen Ziegelpagoden bestehender Friedhof hat auf die Besucher eine spezielle Anziehungskraft.

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Am nächsten Tag reisten wirmit dem Zug weiter nach Xi’an. Das Einsteigen war wieder ein Abenteuer für sich. Ich verlor jeden Kampf gegen die Chinesen. Am Schluss stand ich noch ganz allein mit meinem Koffer auf dem Perron. Der Zug war bereits abfahrbereit. Der Schaffner stiess mich, samt Koffer einfach durch die Tür in die stockende Menge. Die Absätze noch auf dem Trittbrett, setzte sich der Zug bereits in Bewegung. Kaum sind die „Tiere“ im Zug, werden sie zu Lämmern, sind freundlich und hilfsbreit beimVerstauen des Gepäckes. Nach zwei Stunden hatten wir unser Ziel, Xi’an erreicht.
Xi’an, Ende oder Anfang der legendären Seidenstrasse, ist ein Schmelztiegel von verschiedenen Religionen und Kulturen, die Heimat von vielen verflossenen Kaisern, Kurtisanen, Dichtern, Mönchen, Händlern und Kriegern. Der Bummel durch das muslimische Viertel

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liess unsere Magensäfte gewaltig anregen.

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Köstlicher Duft von verschiedenen Gewürzen stieg aus den vielen Imbissbuden in unsere Nasen. Männer mit Schädelkappen und Frauen mit bedeckten Haaren prägen das Bild der schmalen Gassen.

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Tausende von Baumnüssen, in bester Qualität, werden zum Verkauf angeboten.

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In den Hinterhöfen wird Sesamöl fabriziert. Durch eine winzige Gasse, vorbei an zahlreichen Souvenirläden, erreichten wir die grosse Moschee. Diese Moschee, eine der Grössten in China, hatten wir uns eigentlich anders vorgestellt, weniger chinesisch.

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Sie ist, nicht wie üblich, nach Süden gerichtet, sondern nach Westen, Richtung Mekka. Es ist eine Mischung aus chinesischer und islamischer Architektur. Der Gebäudekomplex beginnt mit einem typischen chinesischem Tempel, mit einer Geistermauer, die Dämonen abhalten soll. Das Minarett ist als Pagode getarnt und bei unserem Besuch wegen Renovierung eingepackt.

Weitere Merkmale Xi’an‘s sind der Glocken- und der Trommelturm.

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Der Glockenturm steht heut im Zentrum eines Verkehrskreiseln.

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Früher beherbergte der Glockenturm eine gross Glocke, welche bei Sonnenaufgang geläutet wurde. Sein Gegenstück, der Trommelturm steht einige 100 Meter entfernt, am Eingang zum muslimischen Viertel. Mit der Trommel wurde früher der Beginn der Nacht signalisiert. Einmal mehr haben wir uns die Füsse wund gelaufen. Wir waren so todmüde, dass wir beschlossen für den restlichen Weg zum Hotel, einen Elektro-Roller-Taxi zu besteigen.

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Ich glaubte, bis zur Ankunft im Hotel, meine Rippen und meine Wirbelsäule wären in kleine Stücke zerbrochen. Im Eiltempo raste der gute Mann auf der holprigen Strasse durch die Kurven, von Stossdämpfern keine Rede.

Stadtmauer von Xi'an

Stadtmauer von Xi’an

Am nächsten Morgen konnten wir es kaum erwarten, die Krieger der weltbekannten Terrakotta-Armee in Natura zu sehen. Aber wie das so ist in China, meist muss man eine gute Stunde oder mehr Autofahren, um in die Nähe der Sehenswürdigkeit zu kommen, dann gibt es mal einen Ticketschalter, von dort bis zur Ticketkontrolle muss man mit mindestens 1 km Fussmarsch rechnen, der Weg links und rechts gesäumt von Souvenirläden, mit mehr oder weniger aggressiven Händlern (bei der Terrakotta-Armee hätten man mit den Kriegern in verschiedenen Grössen und Ausführungen, tausende von Heeren zusammenstellen können).

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Nach der Ticketkontrolle geht es noch einmal 1 km bis zum Objekt, das man ansehen will. Bis wir den ersten Krieger ablichten konnten, hatten wir bereits müde Füsse und bei über 30° C floss schon der Schweiss von der Stirn.
Die Terrakotta-Armee ist einer der berühmtesten archäologischer Funde der Welt. Diese unterirdische Armee aus Tausenden von lebensgrossen Soldaten hat über zweitausend Jahre, schweigend die Seele des ersten Kaisers von China bewacht. Vielleicht befürchtete Kaiser Qin Shihuangdi die besiegten Geister im Jenseits wiederzutreffen oder er erwartete, seine Regentschaft setze sich in der jenseitigen Welt fort. Die faszinierenden Wächter mit ihren Pferden, in schlachtbereiter Aufstellung

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wurden 1974 per Zufall entdeckt, als Bauern einen Brunnen ausgraben wollten. Kein Soldatengesicht gleicht dem anderen.

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Für Qin Shihuangdi, der diese Armee bauen liess, war es ein Problem, dass damals die Geschichte Chinas nicht von Siegern geschrieben wurde, sondern von konfuzianischen Bürokraten. Seine Verachtung für den Konfuzius wurde so gross, dass er diese Lehre kurzerhand verbot. Alle konfuzianischen Texte wurden verbrannt und 460 der besten Gelehrten wurden lebendig begraben. Folglich ging der erste Kaiser Chinas als Tyrann in die Geschichte ein. Kein Wunder, musste er sich eine Armee bauen lassen, die seine Seele beschützen sollte. Doch er hat während seiner 36-jährigen Regentschaft, die er im zarten Alter von 13 Jahren antrat, einige bedeutende Leistungen erbracht. Als klassischer Erfolgsmensch schuf er, bevor er 40 Jahre alt war, eine effiziente, zentralistische Regierung, die späteren Dynastien als Vorbild galt. Er vereinheitlichte Masseinheiten, die Währung und vor allem die Schriftsprache. Er liess 6400 km Strassen und Kanäle bauen und eroberte 6 Königreiche. Dass Qin dazu hunderttausende von Menschen versklavte, verschaffte ihm endgültig einen Ruf, der so finster ist, wie das Schwarz, das er zur offiziellen Farbe seines Hofes erkor.
Auf der Rückfahrt nach Xi’an, machten wir Halt, beim grössten Wahrzeichen der Stadt, der grossen Wildgans-Pagode.

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Das viereckige Bauwerk wurde etwa 650 n. Chr. gebaut, um buddhistische Sutren aufzubewahren, die ein Mönch, namens Xuan Zang aus Indien mitgebracht hatte. Mönch Xuan Zang verbrachte die letzten 19 Jahre seines Lebens damit, die Schriften zu übersetzen.

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Viele dieser Übersetzungen werden heute noch gebraucht.
Den dritten Tag in Xi’an widmeten wir dem Hua Shan Gebirge. Die nähere Umgebung von Xi’an ist topfeben, also heisst es wiederum einige Autokilometer zurückzulegen, bis Gebirge in Sicht ist. Die Dimensionen sind anders in China. Die Granitkuppen des Hua Shan-Gebirges wurden früher von Einsiedlern und Weisen bewohnt. Der Berg ist einer der fünf heiligen Berge des Taoismus. So heilig scheint der Berg nicht mehr zu sein, nur ein kleiner Tempel steht versteckt zwischen den kleinen Gasthäusern und Ruhe zum Meditieren findet man kaum mehr. Unten im Tal, mitten in der Ebene, steht der Ticketschalter, wo man sich Karten für den Bus und den Eintritt für den Berg kaufen kann. So wird man schon um einige Yuans erleichtert. Anschliessend folgt eine ca. 20-minütige Busfahrt durch die chinesische „Schöllenen“ zur Talstation der Gondelbahn (zwischen Busstation und Talstation wieder die üblichen Souvenirläden). Dort wird man nochmals um einige Yuans erleichtert. Nach ca. 10-minütiger Gondelfahrt zwischen den steilen Felswänden hinauf,

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erreicht man den Nordgipfel.

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Alles ist eine sehr steile Angelegenheit, doch die Landschaft ist atemberaubend und was die Chinesen gebaut haben, ist bemerkenswert. Tausende von Treppen wurden da in den Fels gehauen oder an den Fels geklebt. 4 Stunden würde der schweisstreibende Aufstieg zu Fuss dauern, weitere 4 Stunden der Rundgang auf der Höhe über die 5 Gipfel.

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An Gasthöfen und kleinen Imbissbuden fehlt es nicht, aber auch hier, wie schon auf dem Huang Shan, muss jede Mineralwasserflasche von Menschen zu den Raststätten getragen werden.
In einer lauschigen „Gartenlaube“ schlürften wir eine Nudelsuppe, genossen die herrliche Aussicht und hatten unseren Spass mit zwei Hongkong-Chinesen. Sie amüsierten sich göttlich ab unserem Survival-Guide, besonders an der Rubrik „ Machen sie es günstiger; machen sie es noch günstiger“.

3 Kommentare zu “Luoyang – Xi’an 31. Mai – 5. Juni 2013”

  1. Brändli Vreniam 07.06.2013 um 15:26

    Ich habe ganz glasige Augen, habe ich doch eben einen grossen Teil von Eurem Reisebericht gelesen. Was für ein Abenteuer! Ich bin froh, dass Ihr gesund und munter seid. Zum Trost, auch bei uns hat es in den letzten Wochen nur geregnet. Aber jetzt ist endlich die Sonne gekommen. Ich wünsche Euch weiterhin eine erlebnisreiche Reise und kommt gesund wieder.
    Lieber Gruss Vreni

  2. Lisbeth Sulzeram 11.06.2013 um 08:18

    Liebe Meilis
    Eure Zeilen aus der Ferne sind einfach toll. Eure Gabe, auch bei „wundgelaufenen“ Füssen, der „Abzockerei“ den Humor nicht zu verlieren, ist unglaublich schön. Ich bedanke mich für die vielen Sätze, die bei mir so viele „Lacher“ auslösen. Ihr seid einfach grossartig… geniesst die letzen Tage!
    Herzlichen Gruss (auch von Marga Fenner) aus der Schweiz… im Wetter auf und ab!
    Lisbeth

  3. fenner margaam 17.06.2013 um 16:06

    Als Späteinsteigerin kann ich mich Lisbeth`s Zeilen nur anschliessen, wünsche euch weiter so eindrückliche Tage – wenn diese auch gezählt sind – und kömmet g`sund wieder hei!

    Susi, herzliche Grüessli euch beiden

    marga