Archiv für die Kategorie 'Iberische Halbinsel 2012'

Salamanca – Avila 103 km Mietauto
Avila – Toledo 139 km Mietauto
Toledo – Cuena 188 km Mietauto
Cuenca – Teruel – Alcaniz – Cambril 437 km Mietauto
Cambril – Montbrio del Camp – Taragona
– Montbrio del Camp 41 km Mietauto
Montbrio del Camp – Barcelona 132 km Mietauto
Barcelona – Madetswil 1075 km Zug

Nach der Millimeterarbeit in der Tiefgarage, suchten wir wie immer, die richtige Strasse um aus Salamanca heraus zu kommen. Bei einer Signalanlage, die auf Rot stand, leicht am Hang, stand vor uns ein VW Golf, darinnen zwei blutjunge Burschen. Als die Anlage auf Grün wechselte, wäre „Anfahren am Berg“ gefragt gewesen. Der Fahrer war nicht im Stande, den Wagen zu starten und sah hilflos in den Rückspiegel. Nach einer Weile Warten und Geduld, machte Armin ein Überholmanöver. Im selben Moment startete auch der VW, fuhr unkontrolliert los und Wups: Es kam zu einer Streifkollision. Die beiden Schnösel sahen ziemlich übernächtigt aus, sie waren kreidebleich und schlotterten. Wahrscheinlich waren sie auf dem Heimweg von der Samstagsparty. Sie wollten das Ganze auf einfache Art lösen, Armin aber verlangte einen Polizeirapport – als Ausländer mit einem Mietauto. Der eine telefonierte dann seiner Mutti und versuchte uns klar zu machen, dass sie bei der Polizei arbeite. Ob sie wirklich dort arbeitet? Als dann zwei richtige Polizeiautos , mit allem Drum und Dran bei uns eintrafen, hielt sie sich jedenfalls im Hintergrund. Als alles geregelt und die Papiere ausgefüllt waren, machten sich alle drei aus dem Staub, ohne ein Adios oder Perdon. Die Mutti chauffierte die zwei Buben nach Hause. Wir fragten die Polizisten nach dem Weg um nach Avila zu gelangen. Sie boten sich an, uns aus der Stadt zu begleiten. Die Polizei dein Freund und Helfer! Mit einer Polizeiescorte verliessen wir mit etwas Verspätung Salamanca.
Fazit: Autofahren ist viel gefährlicher als Velofahren!
Während dieses Zwischenfalls waren unsere Adrenalinspiegel auf Höchstmarke gestiegen. Das war wahrlich des Guten zuviel.
Mit der Fahrt nach Avila verliessen wir die Via de la Plata bereits wieder und fuhren Richtung Osten zu einem weiteren Weltkulturerbe. Wenn man auf die Stadt zu fährt, ist sie schon von weitem zu erkennen. Sie liegt auf einem Hügel und ist von einem 2,5 km langen Bollwerk von Festungsmauer umgeben. 88 Wachttürme schützten einst die Stadt.

300 Jahre lang wechselten sich Muslime und Christen regelmässig mit der Herrschaft ab, bis schliesslich die Christen endgültig das Ruder übernahmen.

Avila ist verkehrsmässig an das spanische Eisenbahnnetz angebunden und verfügt über einen beachtlichen Bahnhof. Wir nutzten diese Gelegenheit und liessen uns 2 Plätze im Euro-Night-Zug von Barcelona nach Zürich, für den 26. August reservieren. Unverhofft einfach lief dieses Prozedere ab.
Beim Bummel durch die Altstadt trafen wir auf eine Ausstellung verschiedenster Künstler. Aus allen Regionen Spaniens wurde schönes Kunsthandwerk zum Kauf angeboten, geschmackvolle Lederartikel, Schmuck, Holzwaren etc. Anhand der Preise musste es sich um sehr renommierte Künstler gehandelt haben.

Nun jagen wir von einem Weltkulturerbe zum Anderen.

Strasse von Avila nach Toledo

Heute war es Toledo. Diese Stadt liegt südlich von Madrid und kann von dort aus einfach als Tagesausflug besucht werden. Toledo trägt nicht umsonst den Titel „La ciudad imperial“, die Königsstadt. Mit ihren Synagogen,

Kirchen,

einer bescheidenen Moschee und den Museen ist sie das kulturelle Zentrum Spaniens, sozusagen das Rom der iberischen Halbinsel. Dazu kommt noch die atemberaubende Lage auf einem felsigen Hügel, hoch über dem Rio Tajo.

Alcasar thront über der Stadt

Seit Jahrhunderten ist Toledo bekannt für die Qualität, der hier hergestellten Schwerter und Messer. Sie werden auch überall verkauft. Armin konnte seinem Sammlertrieb nicht widerstehen und seine Messersammlung ist um ein weiteres kunstgefertigtes Stück grösser geworden. Ein weiterer Bestseller ist alles, was mit „“Damasquinado“ zusammen hängt. Es ist ein altes arabisches Kunsthandwerk. Metall wird mit einem Messer aufgeraut. Anschliessend wird es mit feinen Gold- oder Silberfäden verziert und angepresst. Am Schluss kommen die Stücke in einen Ofen, damit sich die Metalle zusammen verschmelzen. Schmuckstücke aller Art, Teller, Brieföffner etc. werden mit dieser Technik in fast jedem Laden verkauft. Marzipan steht ebenfalls auf der Bestsellerliste. Sogar die Nonnen beteiligen sich an diesem süssen Geschäft.
Bei unserer Ankunft in der Stadt, am späten Vormittag, war schon einiges los und die Strassen sehr belebt. Am Abend aber, als die Geschäfte ihre Türen geschlossen hatten, wirkte sie wie ausgestorben.

Heute vernahmen wir, dass unsere Räder immer noch in Spanien sind und nicht über die Grenze transportiert werden können, da eine Passkopie von uns fehle. Gemäss Transportfirma akzeptiere der Zoll keine Kopie der Idenditätskarte. Mühsam erklärten wir der freundlichen Dame, dass wir erstens keinen Pass haben und zweitens diesen auch nicht benötigen, da wir in ganz Europa mit der Idenditätskarte umherreisen können. Sie hatte ein grosses Aha-Erlebnis und meinte sie würde das mit den Zollbeamten klären. In Algeciras, beim Transporteur mussten wir zwar die ID-Nummer angeben, aber die hübschen und sexy Damen hatten es unterlassen, von der Karte eine Kopie zu machen. Wir fotografierten die ID-Karte auf beiden Seiten und schickten diese Angaben per E-Mail. Nun sind wir gespannt, wer zuerst zu Hause ist, wir oder die Räder?

Eigentlich wäre Madrid auch auf unserer Reiseroute gestanden. Wir hatten jedoch überhaupt keine Lust, mit dem Auto in diese Grossstadt zu fahren. Mit dem Velo wären wir irgendwo in einen Regionalzug gestiegen und hätten uns direkt ins Zentrum fahren lassen. So beschlossen wir, uns diese Stadt zu einem späteren Zeitpunkt, in Form einer Städtereise, zu besichtigen. Wir fuhren gleich weiter, zum nächsten Weltkulturerbe, Cuenca.

Die Umgebung von Cuenca ist ein stark bewaldetes und fruchtbares Gebiet, mit zerklüfteten Bergen.

Zwei Flüsse sorgen dafür, dass die Felder auch im August saftig grün sind, der Rio Huécar und der Rio Jucar. Nach so viel ebenem Land, abgemähten und goldenen Weizenfeldern, tat der Anblick von zwar verblühten, aber doch noch grünen Sonnenblumenfeldern und Wälder richtig gut. Auch Cuenca ist sensationell gelegen, auf einer Hügelzunge zwischen den beiden genannten Flüssen. Wie aus einem Canyon ragt die Stadt hervor. Das Wahrzeichen dieses Ortes, sind die hängenden Häuser, die an den tiefen Schluchten kleben, die die Stadt umgeben.

Eine grosse Kathedrale und viele Museen fehlen ebenfalls nicht.

Wie in Toledo, ist auch hier nicht mehr viel aus muslimischer Zeit übrig geblieben. Beeindruckend war der Spaziergang, rund um die Stadt, hoch über den Felsen.

Auf den letzten 400 km Richtung Mittelmeerküste lernten wir ein weiteres Kapitel von Spaniens Vielfalt kennen. Es sind keine historischen Bauwerke mehr, sondern die Natur. Mit dem Fahrrad hätte dieser Abschnitt nochmals einiges von uns gefordert. Zwar waren die Strassen gut, nicht zu stark befahren, die Topografie hätten wir auch gemeistert. Aber die erste Unterkunft sahen wir nach 109 km. Ohne Zelt wären wir verloren gewesen.
Nach Cuenca ging es grün, hügelig und abwechslungsreich weiter. Kurz vor Teruel wurden wir von wunderschönen, roten Steinformationen überrascht.

Doch nach Teruel war die Landschaft wieder kahl, öd und steinig und hatte trotzdem einen ganz besonderen Reiz.

Zwischen den Steinen wurden Getreideäcker angelegt. Äcker, die nicht mit grossen Maschinen bearbeitet werden können. Wie es aussieht, mussten diese Felder erst in mühsamer Arbeit von den Steinen gesäubert werden. Halbverfallene Bahnhöfe zeugen davon, dass hier einmal eine Eisenbahn fuhr.

Stillgelegte Bergwerke sind heute nur noch Museen.

Die wenigen kleinen Dörfer sind an die Berge geklebt, nur sind sie nicht weiss, wie in Andalusien, sondern grau-braun, wie getarnt in der Farbe der Erde.

Dann wechselte das Landschaftsbild wieder, liebliche Täler mit Oliven- und Mandelbäumen.
Da uns keine grossen, historischen Orte mehr auf uns warteten, beschlossen wir, direkt an die Mittelmeerküste zu fahren, um dort noch einige Tage auszuspannen, bevor wir die letzte Stadt unserer Reise, Barcelona, besuchen werden. Am liebsten wäre uns ein kleines Familienhotel, mit Swimmingpool, bequemen Liegestühlen und Sonnenschirm gewesen. Wir steckten unsere Köpfe über die Landkarte, um herauszufinden, welcher Ort sich wohl für unsere Wünsche eignen würde. Cambrils? Diesen Namen hatten wir doch schon oft zu Hause in Reiseprospekten gelesen. Dort angekommen, war unser Traum bald zerschlagen. Alles ausgebucht! Ist ja klar, es herrscht ja Finanzkrise (?). In einer Pension, ohne Parkplatz, fanden wir schliesslich doch noch ein Zimmer für eine Nacht, damit wir wenigstens liegen konnten. Bei der Parkplatzsuche war das Glück auf unserer Seite.
Erst mussten wir uns an das feuchtwarme Waschküchenklima gewöhnen. Die Städte Salamanca, Avila, Toledo und Cuenca liegen alle auf einer Höhe zwischen 800 – 1100 m über Meer. Dort war die Luft trocken und die Temperaturen angenehm.

Am anderen Morgen packten wir unsere sieben Sachen wieder zusammen und machten uns erneut auf die Suche nach einem Hotel unserer Wünsche. Wir wurden denn auch bald fündig. Im Internet wurden wir auf einen Ort aufmerksam gemacht, der ca. 6 km in Landesinneren, gleich hinter Cambrils liegt, Montbrio del Camp. Dort gibt es ein Wellness- und Thermenhotel, das noch freie Zimmer hatte. Zwar ist es kein kleines Familienhotel, hat aber einen grossen, kostenlosen Parkplatz, eine wunderschöne Gartenanlage mit plätschernden Brunnen, schattenspendenden Bäumen, Swimmingpool, Liegestühlen und Wellnessanlage. Es fehlte nur noch der Kurschatten!

Wir merkten bald, dass das Ausspannen auf einem Liegestuhl , unter einem Sonnenschirm, am Pool keine einfache Sache ist und man erst um die gewünschten Utensilien und Orte kämpfen muss . Der Swimmingpool und die dazugehörige Umgebung wird erst um 11:00 h morgens geöffnet. Wenn man erst um 11:15 h kommt, sind alle Liegestühle unter den Bäumen und unter den Sonnenschirmen bereits mit einem Frotteetuch belegt, das heisst besetzt. Wir hatten jedoch das Glück, dass wir uns trotzdem noch zwei Liegestühle, samt Schirm ergattern konnten. Besonders den Schirm mussten wir hüten, damit er nach unserem Bad, nicht plötzlich bei einem anderen Liegestuhl stand. Während Stunden sah man niemanden auf den mit Badetüchern belegten Stühlen liegen, Hauptsache reserviert. Einige Schlaumeier steigen gar vor 11:00 h über den Gartenzaun und deponieren ihre Tücher, damit sie sich ganz sicher an die Sonne legen können. Es war also auch nicht möglich, früh morgens vor dem Frühstück, einige Runden alleine, ohne Gekreisch, zu schwimmen. Zum Glück mussten wir in den letzten 4 Monaten nicht ums Velo kämpfen.

Unsere strapazierten Füsse hatten dringend eine Pflege nötig, nach so viel Velofahren und Fussmärschen. Also war doch ein Peeling mit Zucker und Zitronen, anschliessend eine Maske mit weissem Tee und Orchideen, und schliesslich einsalben mit Avocadocreme genau das Richtige für sie und im Hotel wurde diese wunderbare Behandlung angeboten.

Das Faulenzen war nicht unser Ding und bald konnten wir nicht mehr ruhig sitzen. So machten wir einige Ausflüge in der näheren Umgebung. Als erstes fuhren wir nochmals nach Cambrils. Die Touristen sprechen meist Spanisch, Französisch und Russisch. Selbst Speisekarten und Hotelprospekte sind in Russisch geschrieben.
Wir badeten unsere Füsse im warmen Mittelmeer. Morgens um 11:00 h war die erste Reihe am Strand schon voll besetzt.

Sardine an Sardine! Zwar waren es nicht junge Paare mit Kindern, die Sandburgen bauen,

sondern meist Senioren, die sich gerne als Sardinas fritas fühlen. Wir setzten uns eine Weile auf eine Bank an der Strandpromenade, um unsere Füsse zu trocknen und beobachteten das Treiben am Strand. Liegestühle, Sonnenschirme und Kühltaschen wurden angeschleppt. Wir konnten uns für diese Playa nicht so richtig begeistern, wir sind wählerisch geworden. Zuviele schöne Strände sahen wir an der Atlantikküste.

Als zweites besuchten wir das ca. 25 km entfernte Tarragona. Für die römischen Ruinen konnten wir uns nicht mehr so ganz begeistern. Es scheint, als wären wir etwas gesättigt.

Zum Abschluss unserer Wohlfühltage fuhren wir noch einige Kilometer ins Hinterland, in die Hügel, zum Castell-Monastir de Sant Miquel d’Escornalbou. Hoch oben auf einer Bergspitze liegt dieses verlassene Kloster, mit einer herrlichen Rundsicht auf die umliegenden Berge.

Gott allein weiss, was einst die Leute dazu bewegte, in dieser verlassenen und steilen Gegend ein Kloster zu bauen. Die Strasse dort hinauf wies eine Steigung von 16 – 18 % aus. Wie es aussah, ist es für manche Velofahrer eine ehrgeizige Herausforderung, dort hinauf zu kriechen. Nur wir waren die Unsportlichen die mit dem Auto hinauffuhren und wurden von schlechtem Gewissen geplagt.
Wieder unten im Tal, besuchten wir den Parque Sama, der nur wenige Kilometer vom Hotel entfernt liegt. Der Park wurde Ende des 19. Jahrhunderts gebaut. Der Besitzer war ein Nachkomme, einer in Kuba lebenden Familie. Hier, zwischen Haselnuss-, Mandel-, Aprikosen-, Oliven- und Weinfeldern wollte er eine exotische Atmosphäre der verlorenen Kolonie bringen. Bis zum spanischen Bürgerkrieg gab es auch noch einen Zoo. Heute findet man noch 10 Papageien in einem Haus. Mitten im Park gelangt man an einen idyllischen See, mit Inseln, Brücken, einem Kanal der zu einem Wasserfall führt.

Nach 4 Tagen Ausspannen, brachen wir zu unserer allerletzten Etappe nach Barcelona auf. Uns war etwas bange zu Mute. Würden wir gleich den Weg zur Autovermietung auf dem Flughafen Barcelona finden, in diesem Strassenwirrwarr? Was wird wohl „Hertz“ zum Kratzer am Auto meinen? Wie kommen wir mit all unserem Gepäck ins Zentrum der Stadt? Werden wir ein bezahlbares Hotelzimmer ohne Vorreservierung finden? Alle unsere Bedenken waren umsonst und es lief alles wie am Schnürchen. Der Flughafen war gut gekennzeichnet, wenn auch immer unter einem anderen Symbol. Es gab sogar eine spezielle Spur für „Car Return“. Hertz nahm den Schaden zwar zur Kenntnis, ging aber nicht weiter darauf ein. Ein Shuttlebus brachte uns direkt ins Zentrum. Die Touristeninformation war sehr kooperativ und reservierte uns gleich ein Zimmer. Sogar Mehrtageskarten für die Metro konnten wir hier kaufen.
Nachdem wir unser Gepäck im Hotel deponiert und uns von den Strapazen erholt hatten, setzten wir uns erst einmal ins Café Zurich an der Plaza Catalunya und liessen die vibrierende Atmosphäre der Stadt auf uns einwirken.

Mit einem Touristenbus machten wir eine ca. vierstündige Stadtrundfahrt, um eine Übersicht über die 1,5 Millionenstadt zu gewinnen.
Die Stadt wurde einst auch von den Römern gegründet. Ihre Spuren sind jedoch fast verschwunden. Aber da wir eh gesättigt von römischer und maurischer Baukunst sind, kam uns das gerade recht. Wir erkannten bald, dass der Abschluss unserer Reise ein Leckerbissen sein wird.
Die Stadt war von jeher immer dem Fortschritt zu getan. In der Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Stadt aus allen Nähten platzte, wurden die Stadtmauern abgerissen und eine Erweiterung, rund um die Altstadt, das heutige Barri Gotic, wurde schematisch geplant. In den neuen Quartieren wurden viele Häuser im katalanischen Jugendstil (Modernisme) gebaut. Der Modernisme zeichnete sich durch seine Neigung zu geschmeidigen, fliessenden Linien und (für jene Zeit) gewagten Kombinationen wie Kacheln, Glas, Backstein, Eisen und Stahl aus.

Die Modernisten wurden jedoch auch von einer erstaunlichen Vielfalt anderer Stilrichtungen, wie Gotik, Islam, Renaissance, Romanik, Barock und Byzanz, beeinflusst. Ende des 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts prägte ein Genie von Architekt das Stadtbild: Antoni Gaudi. Heute bilden 7 seiner Werke in der Stadt ein Unesco Weltkulturerbe.
Einen Tag widmeten wir diesem Architekten. Erst besuchten wir das Wahrzeichen Barcelonas, Gaudis Kathedrale „Sagrada Familia“. Fast eine Stunde standen wir in einer Warteschlange, um dieses geniale Meisterwerk zu besichtigen. Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist die Kirche im Bau.

Die Baukosten werden jeweils aus den Eintrittsgeldern finanziert. Immer wenn wieder etwas Geld zusammen ist, wird an einer Ecke, nach Gaudis Sinn, weitergebaut. Man rechnet, dass die Kirche ca. 2020 fertig gestellt sein wird. Die verschiedenen vermischten, und doch modern wirkenden Baustile faszinieren. Man könnte Stunden in dieser Kirche oder ausserhalb verbringen und immer sieht man wieder ein neues ausgefeiltes Detail.

Der Parque Güell ist ein weiteres Kunstwerk Gaudis. Graf Güell, ein stetiger Auftraggeber Gaudis, kaufte im Jahr 1900, damals noch ausserhalb der Stadt, ein Hügelgrundstück. Er wollte dort eine Minigartenstadt für Reiche schaffen. Das Projekt wurde 1914 aufgegeben, doch Gaudi hatte bis dahin auf seine unnachahmliche Weise, 3 km Wege, Strassen, Treppen, Viadukte,

einen Platz, sowie zwei Knusperhäuschen-Torpavillons gebaut.

Vom Eingang, bewacht von einem mit Mosaiksteinen verzierten Salamander, führen Treppen zur „Sala Hipostila“, einen Wald von 84 Steinsäulen, die ursprünglich als Markthalle gedacht war.

Auf dem Dach dieser Markthalle öffnet sich ein weiter Platz, der von der „Banc de Trencadis“ , einer gekachelten Sitzbank, umgeben ist.

Vom obersten Hügel dieses Parkes aus, geniesst man eine herrliche Aussicht über Barcelona, bis hin zum Meer.
Die Weltausstellung 1929 und die Olympiade 1992 haben viel dazu beigetragen, dass alte und verfallene Quartiere abgerissen, neubebaut oder renoviert wurden.


Olympisches Feuer

Torre Agbar

Auch im Hafen hat man sich auf die neuen Gegebenheiten ausgerichtet.

Die höchste von den 64 Kolumbussäulen auf der ganzen Welt.

Immer mehr Kreuzfahrtschiffe legen hier an und Barcelona gehört zu den wichtigsten Häfen rund um das Mittelmeer.

Der alte Leuchtturm wurde als Seibahnmasten umfunktioniert.

-Wir besuchten das ehemalige Königsschloss mit seinem üppig grünen Garten. Das Schloss wird nicht mehr von der Königsfamilie benutzt. Heut sind dort ein Keramik- und Textilmuseum untergebracht. Im Keramikmuseum sind auch Werke von Miro und Picasso ausgestellt.
– liessen uns mit dem Funicolar

auf den Tibidabo, den ca. 500 m hohen Berg bei Barcelona, hinauf transportieren.

Nicht die zwei übereinander liegenden Kirchen, die nachts weitherum sichtbar sind, sind dort die Hauptattraktion,

sondern der Vergnügungspark. Der Park besteht schon seit ca. 100 Jahren und ist ein Gemisch von Nostalgie und High-Tech.

-Nachts um 21:00 h sahen wir den farbigen Wasserspielen des Font Magica de Monjuic.

Mit Musikbegleitung spritzt das Wasser aus den verschiedenen Fontainen, unterhalb des Palastes, der speziell für die Weltausstellung 1929 bebaut wurde.

– besuchten das “Poble espanol de Barcelona“ , ein Freilichtmuseum, ebenfalls im Parque Monjuic und ebenfalls für die Weltausstellung gebaut. Eigentlich sollte es nach der Ausstellung wieder abgebrochen werden. Es war aber das meist besuchte Gelände und blieb bis heute erhalten. Dort werden kunsthandwerkliche oder kulinarische Spezialitäten der verschiedenen Regionen Spaniens angeboten. Die Produkte werden in nachgebauten Häusern, wie sie in den verschiedenen Regionen üblich sind angeboten.

– bewunderten den Arc de Triomf

– lauschten dem munteren Gezwitscher der kleinen Papageien, die die Baumkronen des Parque de la Ciutadella bewohnen.

– liessen uns zu einer Shopping/Lookingtour im bekannten „El Corte Ingles“ hinreissen. Die letzten „Sommerhängerchen“ werden mit viel Rabatt verkauft, daneben sind bereits die ersten Vorboten des Herbstes, die elegante spanische Mode, ausgestellt.

– liessen uns per Lift auf das Dach der Stierkampfarena bringen.

– schlenderten durch das Quartier „Barri Gotic“, die Altstadt mit den engen Gassen und auf der „La Rambla“, Barcelonas Flanierstrasse.

La Rambla

– flitzten per Bus, Tram und Metro durch die Stadt.
100 km Radwege wurden durch Barcelona gebaut. An den verschiedensten Orten stehen Stationen mit Mietvelos, die die Einwohner mit einem Jahresabonnement, benutzen können.

Am Anfang unserer Reise erfreuten wir uns an den ersten blühenden Frühlingsblumen,

hier in Barcelona verlieren die Platanen bereits ihre ersten Blätter. Es ist Herbst geworden.

Während unseres Aufenthaltes in Barcelona erhielten wir zwei Mails von der Transportfirma, die unsere Räder nach Hause bringen sollte. Im ersten Mail teilten sie uns mit, dass der spanische Zoll den Transport nur genehmige, wenn wir eine Proformarechung, ausgestellt von einem Spanier und dessen Passkopie liefern würden. Auf unsere Antwort, es sollte doch möglich sein, unsere Schweizer Räder zurück in die Schweiz zu transportieren, kam dann im zweiten Mail die Nachricht, die Agentur in Algeciras, wo wir die Velos abgeliefert hatten, werde eine Proformarechnung ausstellen und werde eine Passkopie zur Verfügung stellen. Das mit der Proformarechnung hatten wir am 1. August, bei der Aufgabe unserer Velos, genau in dieser Agentur besprochen. Nun sind wir gespannt, was der Schweizer Zoll zu diesem Transport meint. Es würde uns nicht wundern, wenn wir für unsere Tour de Suisse Velos noch Zoll bezahlen müssten.

Pünktlich um 19:25 h verliessen wir Barcelona mit dem Euro-Night-Zug.

Am anderen Morgen, ebenso pünktlich, um 10:09 h kamen wir in Zürich HB an.

Nun ist unsere Reise zu Ende und wir sind um viele unbezahlbare Erfahrungen reicher geworden. Es wird trotz Kälte im April und Hitze im Juli/August (oder gerade deswegen) eine unvergessliche Zeit bleiben und hat Spass gemacht. Wir sind glücklich und dankbar, dass wir unseren Traum verwirklichen konnten und dass wir wieder gesund nach Hause zurückkehren können.
Unsere Tage waren ausgefüllt mit Velofahren, Strassen suchen, Unterkünften suchen, Duschen, Wäsche waschen und Fussmärschen zu den Sehenswürdigkeiten. Ausserdem nahm unser Blog reichlich Zeit in Anspruch. Jedoch die vielen positiven Reaktionen haben diesen Aufwand verdankt.
Alles was zu Hause zurück geblieben ist, war fern und weit weg.
Die Natur faszinierte uns. Vieles ist gekommen und plötzlich wieder verschwunden.
So der Kuckuck, der uns lange Zeit begleitete, die Störche zwischen Burgos und Leon. In Südportugal und Südspanien waren sie plötzlich wieder da. Die Möwen, die uns an einigen Orten am Meer frühmorgens mit ihrem Lärm weckten.
Die vielen Hunde, die uns jeweils hinter den Gartenzäunen ankeiften und anfletschten und die sich beinahe selbst an den Gartenzäunen erhängten vor Aufregung.
Einzig die Tauben waren uns auf der ganzen Reise treu. Ihr Gurren haben wir überall vernommen.
Auch auf der Speisekarte erschienen Spezialitäten und plötzlich waren sie wieder verschwunden.

Der Entscheid ein Auto zu mieten war das einzig Richtige. Die Fahrten über Land waren angenehm, die Städte mit der ewigen Parkplatzsuche stressten uns. Der Nachteil der Reise mit dem Auto war, dass Sehenswürdigkeiten Schlag auf Schlag auf uns einwirkten . Wir hatten am Schluss Mühe alles Gesehene richtig einzuordnen. Das Abenteuer-Feeling, der Kontakt zur Natur und zu den Menschen unterwegs, war weg. Im Auto hörten wir kein munteres Vogelgezwitscher, kein Grillengezirpe oder das Zischen einer Schlange.
Wenn es in den letzten drei Wochen wieder einmal in unseren Gliedern juckte und zuckte, waren wir uns einig, uns fehlen täglich 50 Velokilometer!
Wenn wir am Anfang gewusst hätten, was wir heute wissen, hätten wir einiges anders geplant. Tarifa, als südlichster Punkt Spaniens, war unser ehrgeiziges Ziel, aber es war schliesslich der Mühe nicht wert. Heute würden wir vielleicht unsere Räder in Sevilla für einige Tage einstellen und Andalusien per Auto entdecken, um anschliessend wieder mit dem Velo direkt ab Sevilla auf der Via de la Plata nordwärts fahren. Auf dieser Route wären wir wieder besser dokumentiert. Die Via de la Plata ist und bleibt ein Traum in unseren Hinterköpfen, den wir sicher in einem der nächsten Frühlinge ausleben werden.
Wenn wir jedem Bettler, Gaukler oder Strassenmusikanten einen Euro gespendet hätten, wäre unsere Reise bereits vor zwei Monaten aus finanziellen Gründen beendet gewesen.


Nun sind wir mit Sonne und Wärme aufgetankt. Wir hoffen, dass wir diese Energien bis in den Winter hinein speichern können.
Als Erinnerung bleiben uns nahezu 5000 Fotos, die während der Wintermonate ausgemistet, sortiert und bearbeitet werden müssen, bevor wir die nächste Reise planen. Diese geht (ohne Velo) nach China, wo wir unseren Sohn Oliver und seine Partnerin Lenka besuchen werden.

Algeciras – Ronda 100 km Mietauto
Ronda – Anquetera 94 km Mietauto
Anquetera – Granada 118 km Mietauto
Granada – Cordoba 161 km Mietauto
Cordoba – Merida 264 km Mietauto
Merida – Caceres 74 km Mietauto
Caceres – Salamanca 216 km Mietaut

Nun geht unsere Reise per Auto weiter. Wir setzten uns in den klimatisierten Seat Ibiza und fuhren auf der vierspurigen Autostrasse nach San Roque. Ein komisches Gefühl – ohne in die Pedalen zu treten geht es vorwärts und erst noch viel schneller. Viele Alternativen zu dieser Strasse gab es vorerst nicht. In San Roque bogen wir Richtung Ronda ab. Erst flach ins Tal hinein, neben der Strasse ein wunderbarer Radweg. Die ersten Zweifel über den Transportmittelwechsel kamen auf. Doch nach ca. 50 km ging es stetig bergauf, die Dörfer wurden rarer, die Berge höher. Bei einer Apotheke zeigte das Thermometer 40,5° C. Wir stellten uns vor, wie wir mit unseren Rädern da hinauf kriechen würden, kein Schatten, nur selten ein Dorf mit weissen Häusern an den Hang geklebt.

Wir waren ja grössenwahnsinnig, als wir diesen Abschnitt geplant hatten. Nach ungefähr 100 km erreichten wir Ronda, auf 744 m gelegen. Unter den gegebenen Voraussetzungen wären das mit dem Velo mindestens 3 Tagesetappen mit Übernachtungen im Zelt gewesen.
Kaum im Städtchen angelangt, sahen wir uns mit einem neuen Problem konfrontiert, dem Parkplatz. Das Auto konnten wir nicht auf einem Balkon oder in einer Recéption abstellen. Wir brauchten ein Hotel mit Parkgelegenheit. Alle Strassen waren mit Autos vollgestopft. Zum ersten Mal auf unserer Reise logierten wir in einem 4-Sterne-Haus. Wir staunten nicht schlecht. Das Hotel liegt im Zentrum des berühmten Touristenortes, gleich neben der Stierkampfarena und die Zimmerpreise waren günstiger als in der lausigen Pension in Zahara de los Atunes oder in der zwar originellen, aber lauten Pension in Tarifa.
Von all den weissen Dörfern liegt Ronda am spektakulärsten, hoch oben auf einem Felsplateau, das durch eine 100 m tiefe Schlucht in zwei Hälften geteilt wird. Die berühmte Brücke El Puente Nuevo verbindet die Stadtteile miteinander.

Rundum erstreckt sich die herrliche Berglandschaft der Serrania de Ronda.

Der Ort liegt nur eine Autostunde von der Costa del Sol weg, wirkt aber wie Lichtjahre entfernt. Die Touristen kommen meist nur als Tagesausflügler. Abends kehren sie in ihre Küstenorte zurück und lassen dort ihre Party steigen.
Berühmte Namen wie Dumas, Rilke oder Hemingway werden mit der Stadt in Verbindung gebracht.

Die elegante Stierkampfarena ist eine der ältesten in ganz Spanien und hat Stierkampfgeschichte geschrieben.

Hier begründeten drei Generationen einer Stierkampffamilie die Tradition des modernen, unberittenen Stierkampfes.

Beim Schlendern durch die Stadt, sahen wir in einem Geschäft die gleichen Koffer wie unsere. Im eleganten Touristenort jedoch 4 Euro günstiger als in der Arbeiterstadt Algeciras. – Das tat Armin weh!

Der Tagestourismus ohne nächtlichen Lärm kam uns zu gute. Zwei Nächte schliefen wir tief und gut. Ausgeruht ging unsere Reise weiter. Wir haben nicht die Absicht, nun auf der Autobahn durch Andalusien zu rasen. Deshalb wählten wir die Strasse, der wir auch mit dem Fahrrad gefolgt wären. Erst stieg schon ein seltsames Gefühl auf, aber oben auf der Passhöhe von 1200 m, beim Blick zurück, waren wir wiederum überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Ca. 4 Velo-Tagesetappen fuhren wir über Hochebenen, Hügelzüge, Schluchten, bergauf – und ab. Eine Tagesetappe wäre die Fahrt von einem Dorf ins nächste Dorf gewesen, dazwischen nichts als wunderschöne Landschaft. Ab und zu mussten wir anhalten, um diese eindrückliche Natur zu bewundern.

Wir waren uns einig, es wäre schade gewesen, wenn wir unsere Reise abgebrochen und Spanien fluchtartig verlassen hätten und nach Hause zurückgekehrt wären. Wir sind überzeugt, unsere heutige Tour wäre auch mit dem Fahrrad möglich gewesen, aber zu einer anderen Jahreszeit und sie hätte minutiös geplant werden müssen, mit Vorausreservation der Unterkünfte. Bei diesen Distanzen liegt es nicht drin, in einer ausgebuchten oder geschlossenen Unterkunft anzukommen.
Der Halt in Antequera zum Übernachten hatte sich gelohnt. Als das Auto in der Garage abgestellt war, ging es per Pedes durch den Ort. Die kleine Stadt liegt ebenfalls auf einer Hochebene im Landesinneren, etwa 50 km nördlich von Malaga.

Obwohl der Ort einiges an Sehenswürdigkeiten zu bieten hat, wird er überhaupt nicht von einem Touristenstrom überrannt.
Alle waren hier, die Römer, die Goten, die Araber. Im 15. Jahrhundert übernahmen dann die Christen das Zepter. Alle hatten ihre Spuren hinterlassen. An die 30 Kirchtürme ragen in den Himmel und eine Festung aus maurischer Zeit wacht über dem Ort. Die Stadt, von jeher an einem Kreuzpunkt der Wege gelegen, florierte am meisten im Mittelalter. Deshalb liessen sich viele Adlige hier nieder und bauten ihre Paläste.

Unser nächstes Ziel war Granada. Wir genossen es, den Tag ruhig zu beginnen und nicht mehr im Morgengrauen aus dem Hotel zu stürmen, um wenigstens noch eine Stunde in der Morgenfrische zu radeln. Heute wählten wir die Autobahn, denn wir wollten zeitig in Granada ankommen, um noch Billette für den Eintritt in die Alhambra zu organisieren. Ca. 6000 Eintrittskarten werden täglich verkauft, 2000 davon am Billettschalter, den Rest übers Internet oder sonstigen Vorverkauf. Bis zu einem Jahr im Voraus kann man sich im Internet die Eintrittskarten besorgen.
Als wir unseren Seat Ibiza erstmals in einem Parkhaus abgestellt hatten, war unser erster Gang zum Tourist Office um eine Unterkunft mit Parkplatz zu finden. Die Dame dort mussten wir nicht mehr um geeignete Velorouten befragen und der Tipp von ihr für das Hotel war gut. Sie erklärte uns auch, in welchem Laden wir Eintrittskarten für den Besuch der Alhambra am nächsten Tag, bekommen würden. Alles lief wie am Schnürchen und so konnten wir uns unbeschwert auf den Erkundungsmarsch machen.
Vor der Kathedrale standen wieder die berühmten Damen mit den Buchsbaum- oder Rosmarinzweigen in der Hand.

Vehement wies ich sie ab. Wir beobachteten sie eine Weile und hatten den Eindruck, dass sie weniger dreist waren, als diejenigen in Sevilla.
Erst wurden wir nicht so recht warm mit dieser Stadt. Doch die Fahrt am nächsten Morgen per Autobus zum Aussichtspunkt San Nicolas, mit der wundervollen Aussicht auf die gegenüberliegende Alhambra und der anschliessende Spaziergang durch das muslimische Viertel Albaicin, zurück ins Zentrum, liess einige Worte des Lobes hervorkommen.

Der Besuch der Alhambra, hoch auf dem Hügelrücken, hat uns dann ganz bezaubert. Von aussen wirken die roten Festungstürme- und mauern, vor der prachtvollen Kulisse der Sierra Nevada schlicht, aber imposant. Hinter den Festungsmauern warten der wunderbar ausgeschmückte Nasridenpalast der einstigen Emire und eine prachtvolle Gartenanlage, mit den verschiedenen Brunnen und Wasserspielen. Das Plätschern dieser Brunnen lässt einem das emsige Treiben in der Stadt vergessen.

Das Glanzstück der Alhambra ist der Palacio Nazaries. Dieser Palast ist das prächtigste, islamische Bauwerk in Europa. Der Anblick der Räume und Höfe, die kunstvoll modellierten Stuckwände, der herrliche Kachelschmuck, die feingeschnitzten Holzdecken, versetzten uns ins Märchen 1001 Nacht.

Der arabische Einfluss in dieser Stadt ist nicht zu übersehen. Im Gebiet der ehemaligen Seidenbörse, in den engen Gassen, steht Souvenirladen an Souvenirladen, alle arabisch geprägt.

Einige Gassen weiter riecht es nach Gewürzen und Tees.

Bei unserer Planung entschieden wir uns, von Granada aus, dem Mozarabischen Jakobsweg zu folgen, da doch etwas Dokumentation für diesen Weg vorhanden ist.

Der Weg ist ca. 400 km lang, führt von Granada über Cordoba nach Mérida, wo er in die Via de la Plata mündet. Nachdem zu Beginn den 9. Jahrhunderts das Grab des Apostels Jakobus entdeckt wurde, setzten im 10. Jahrhundert die Pilgerreisen aus allen Teilen Europas nach Santiago de Compostela ein. Auch aus dem Süden der Iberischen Halbinsel, der zu dieser Zeit vom Islam geprägt war, machten sich Christen, die Mozaraber, auf den Weg Richtung Norden.
Wir fuhren entlang dieses Pilgerweges auf der Autostrasse nach Cordoba. Bald sahen wir, dass dieser Weg, auch bei kühleren Temperaturen, nur etwas für Hartgesottene ist. Das einzige, was der mozarabische und der berühmte Camino Francés im Norden gemeinsam haben, sind die gelben Pfeile. Wer diesen Weg wandert, muss die Einsamkeit lieben. Da gibt es keine Pilgerherbergen mit Pilgermenüs, lauschige, schattige Ecken, wo man etwas Kühles trinken kann. Man sieht ein Dorf am Morgen, das nächste am Abend, dazwischen nur Olivenbäume und kahle Berge, soweit das Auge reicht. Wer diesen Weg gewandert ist, kann wahrscheinlich für den Rest des Lebens keine Olivenbäume mehr sehen. Auf diesem Weg gibt es einige Etappen, auf denen man 40 km von einem Bett zum anderen wandern muss.
Auf unserer 160 km langen Fahrt nach Cordoba, atmeten wir einige Male tief durch und waren froh, im klimatisierten Auto zu sitzen. In Cordoba angekommen, dachten wir doch bald wieder an unsere schöne Velozeit zurück. Wie einfach war es doch mit dem Fahrrad ins Stadtzentrum zu kommen, das Rad durch eine Einbahnstrasse zu schieben, direkt vor dem Hotel oder Restaurant zu parken. Die Parkgarage fürs Velo war immer umsonst und kostete nicht fast gleich viel, wie das Zimmer. Aber alle Annehmlichkeiten können wir wahrhaftig nicht haben und Cordoba war diese Mühe wert.
Die Stadt war in ihrer Blütezeit für 2 1/2 Jahrhunderte die Metropole des maurischen Spaniens und noch heute sind die Spuren des ehemaligen Glanzes des Kalifats von Cordoba zu sehen. Die Hauptattraktion ist zweifellos die Mezquita.

Während der Zeit des Kalifats wurde auf den alten Mauren einer westgotischen Basilika, eine gleichwertige Moschee wie in Mekka gebaut, als Pilgerzentrum für den westlichen Mittelmeerraum.

Nach der Rückeroberung der Christen, wurde inmitten der Moschee eine gotische Kathedrale errichtet.

Nun verschmelzen Tonnengewölbe und Barockornamente mit geometrischen Motiven und Versen aus dem Koran.
Schon zeitig am Morgen besichtigten wir dieses wunderbare Bauwerk, das wie die Alhambra in Granada auf der Liste des Unesco Weltkulturerbes steht. Anschliessend bummelten wir durch die prachtvollen Gärten des Alcazars,

durch die engen Gassen der Juderia, dem ehemaligen Judenviertel und wo es möglich war, schauten wir in die verschiedenen Patios.

Meist sind die Patios hinter massiven Holztüren oder Schmideisentoren verborgen. Es sind schattenspendende Innenhöfe, die Ruhe und Frieden ausströmen, mit Pflanzen geschmückt sind und manchmal plätschert ein kleiner Brunnen. Es sind Orte der Begegnung und in der glühenden Sommerhitze ein angenehmer Aufenthaltsort der Einheimischen. Wir tummelten uns auf der römischen Brücke über den Rio Guadalquivir, dem Fluss dem wir bereits in Sevilla und Sanlucar de Barrameda begegnet sind.

Bei der Rückkehr ins Hotel, nach dem Nachtessen, um 22:30 h, zeigte das Thermometer immer noch 32° C. Meteo Espana sagte für die nächsten Tage 46° C voraus.
Die andalusischen Städte, wie Sevilla, Ronda, Granada und nun Cordoba haben alles Schöne, was wir bis jetzt auf unserer Reise gesehen haben, in den Schatten gestellt. Der arabische Einschlag, die wunderschönen Gärten mit den sattgrünen Orangenbäumen haben uns fasziniert. Romanischer Baustil, Gotik, Barock und Renaissance kennen wir zur Genüge. Aber die morgenländische Baukunst war neu für uns.

Heute machten wir uns auf den letzten Abschnitt des mozarabischen Weges. Bald liessen wir die andalusischen Berge, Hochebenen und Olivenbäume hinter uns. Die Landschaft in der Extramadura wurde wieder flacher, nur im Hintergrund sind einige Hügelzüge sichtbar. Auf dieser grossen Ebene wechseln sich Monokulturen ab, entweder kilometerweise Weizenfelder, kilometerweise Olivenbäume oder kilometerweise Rebbau.
Während der Autofahrt fliegen diese Eindrücke schnell vorbei und wenn man die Aufregungen der Parkplatzsuche hinter sich hat, sind sie schon fast vergessen. Die Wirkung ist anders, als wenn man für die gleiche Strecke drei Tage braucht, ständig in Kontakt mit der Natur.
Das heutige Ziel war Mérida, hier wo sich der Mozarabische Weg und die Via de la Plata vereinen. Die Via de la Plata beginnt in Sevilla und führt fast gerade nordwärts durch Spanien hinauf, wo sie in Astorga in den Camino Francés mündet. Jeder erfahrene Pilger kommt ins Schwärmen, wenn er von dieser Route erzählt. Dieser Weg ist auch viel älter als die Pilgerbewegung. Schon die Römer benutzten diese Strasse als Handelsweg. In Mérida haben sie denn auch grosse Spuren hinterlassen. Ein mächtiges Aquädukt, ein imposantes Amphitheater, das heute noch für Vorstellungen benutzt wird und der Tempel der Diana sind aus jener Zeit erhalten geblieben.

In der ganzen Stadt trifft man immer wieder auf Überbleibsel aus jener Zeit.
Auch einen alten Bekannten haben wir in Mérida wieder getroffen, den Rio Guadiano. Jener Fluss, der in Portugal für viele Millionen Euros gestaut wurde und schliesslich im Süden die Grenze zwischen Spanien und Portugal bildet.

Heute fahren wir unseren ersten Abschnitt auf der so viel gelobten Via de la Plata. Es wurde uns warm ums Herz, als wir die Pilgerzeichen am Strassenrand sahen. Sogar eine Gruppe Pilger mit grossen Rucksäcken marschierte trotz grosser Hitze zackig vorwärts. Die Strecke ist auch wieder mit Unterkünften bestückt. Es juckte uns in allen Gliedern und Knochen und wir dachten, wie schön wäre es jetzt mit dem Velo unterwegs zu sein. Die Strecke von Mérida nach Caceres wäre auch einfach zu bewältigen gewesen. Auch hier, der spanische Strassenwahnsinn! Die neugebaute Nationalstrasse führt parallel zur Autobahn nordwärts, ohne jeglichen Verkehr. Es wäre der ideale Radweg! So kommen immer wieder Fragen auf, was wäre gewesen wenn….?
Schon morgens um 10:00 h kamen wir in Caceres, im Zentrum der Extremadura an. Wir hatten genügend Zeit, die Altstadt zu besichtigen. Sie gehört ebenfalls zum Unesco Weltkulturerbe. Die Festungsmauern rund um die Altstadt trugen dazu bei, dass sie seit ihrer Blütezeit im 16. Jahrhundert fast original erhalten blieb.

Ihre prunkvollen Bauten verdankt sie dem Reichtum der Adligen, die nach der Reconquista in die Region strömten. Das Beutegut aus Amerika trug ebenfalls zu ihrem Reichtum bei. Zu Füssen der Altstadt breitet sich die arkadengesäumte Plaza Mayor aus. Wer die Wahl hat, hat die Qual, denn Restaurant an Restaurant bietet seine feinen Leckerbissen unter den Arkaden an.
Wir setzten uns eine Weile unter die grünen Bäume einer Parkanlage, inmitten der Universitätsstadt.

Die gusseiserne Parkbank war so heiss, dass es uns beinahe das Muster der Bank in unsere Hinterteile gebrandmarkt hätte. Wir liessen so einige Episoden unserer Reise vorbeiziehen und Fragen kamen auf, wie: Weisst du noch dort und dort?

Wir liessen die schöne Stadt wieder hinter uns. Auch die Fahrt mit dem Auto aus der Stadt lässt den Adrenalinspiegel steigen und senkt sich erst wieder, wenn man sich auf der richtigen Strasse befindet. Wir fuhren durch eine herb-schöne Steppenlandschaft, erst flach, dann immer hügliger, vorbei an einem halbleeren Stausee, über einen Pass von 1200 m. In der Steppenlandschaft zwischen Steinen und vertrocknetem Gras wachsen viele Ginsterbüsche. Wir stellten uns vor, wie diese Gegend im Frühjahr aussehen muss, wenn all diese Büsche goldgelb blühen. Auch heute waren einige Pilger unterwegs. Als wir dann aber noch Velofahrer mit vollbepackten Rädern sahen, bekamen wir beinahe Herzflimmern. Wir musterten die Gegend genau und schauten, wo es überall eine Gelegenheit zum Übernachten gegeben hätte. Wer weiss, vielleicht reizt es uns doch noch, einmal im Frühling die Strecke von Sevilla bis hinauf an die Nordküste Spaniens abzuradeln.
Mit dem Auto war es keine Sache die ca. 200 km von Caceres nach Salamanca hinter uns zu bringen. Das Autofahren ist nicht mehr so spannend, wie das Velofahren, man sieht keine Schlangen mehr, die Ventile sind nicht mehr undicht, etc. Das Spektakulärste, was heute passierte, ein Liter Waschmittel ist in meinem Koffer ausgelaufen.
Ein Leckerbissen auf der Via de la Plata ist ganz sicher Spaniens älteste Universitätsstadt Salamanca. Bereits im 13. Jahrhundert wurde die hier ansässige Universität gegründet und war bald ebenso wichtig wie Oxford oder Bologna. Die Stadt ist Nationaldenkmal und gehört ebenfalls zum Unesco Weltkulturerbe. Das unbestrittene Herzstück von Salamanca ist die weltberühmte Plaza Mayor, ein riesiger quadratischer Platz, umgeben von harmonischen, barocken Bauten mit Arkaden.

Der Platz ist Begegnungsort für Alt und Jung. Unter den Arkaden gibt es viele Möglichkeiten die kulinarischen Gelüste zu stillen. Wir hatten das Glück, eine feine Pension mit Parkgelegenheit, nur wenige Schritte vom Platz entfernt, zu finden. Auch wir ergatterten uns ein Tischchen bei den Arkaden, genossen den warmen Abend und beobachteten das Treiben auf dem Platz. Als dann kurz vor 22:00, bei Einbruch der Dunkelheit, der Platz beleuchtet wurde, kamen auch wir ins Schwärmen.
Am anderen Morgen waren wir schon früh unterwegs und profitierten von der Kühle und den menschenleeren Strassen. Unzählige Kirchen, Klöster, Parkanlagen und all die historischen Gebäude, der verschiedenen Fakultäten der Universität gibt es zu besichtigen.

Kathedrale von Salamanca

Muschelhaus verziert mit „Jakobsweg-Muscheln“

Palacio de Monterrey

Kreuzgang des Convento de San Esteban

An Restaurants und Bars wurde auch nicht gespart. Salamanca ist auch auf unserer Reise ein ganz besonderer Meilenstein, an den wir uns immer wieder gerne erinnern werden.

Lagos – Sevilla 308 km Autobus
Sevilla – Lebrija 80 km
Lebrija – Sanlucar de Barrameda 37 km
Sanlucar de Barrmeda – El Puerto de Santa Maria 48 km
El Puerto de Santa Maria – Cadiz – El Puerto de Santa Maria 30 km Schiff
El Puerto de Santa Maria – Conil de la Frontera 50 km
Conil de la Frontera – Zahara de los Atunes 40 km
Zahara de los Atunes – Tarifa 36 km
Tarifa -Algeciras 19 km Bus

Nach gut 4 Tagen faulenzen in Lagos waren wir wieder offen für Neues. Wir schafften es sogar, uns für eine Stunde zwischen die Strandtouristen ans Meer zu setzen. Um von der Westalgarve nach Sevilla zu kommen, planten wir eine Busfahrt. Das Busunternehmen riet uns, den 6:15 h Bus zu nehmen, da es in diesem Bus mehr Platz für die Fahrräder habe. So klingelte der Wecker um 4:00 h früh, damit wir genügend Zeit hatten, um zum Busbahnhof zu fahren und unsere Räder zu verpacken. Plötzlich hatte Chef Meili die Idee, mit dem Verpacken der Räder noch zuzuwarten und erst die Reaktion des Chauffeurs abzuwarten. So trödelten wir in früher Morgenstunde am Busbahnhof umher und plauderten mit einem italienischen Paar, das in derselben Pension wohnte, wie wir. Kurz vor 6:00 h wurde der Billetschalter geöffnet, der junge Mann am Schalter sah uns mit den Rädern dastehen und forderte uns auf, die Räder sofort auseinander zu nehmen und in Plastik zu verpacken. Er kam kaum nach mit Staunen, wie schnell das plötzlich ging. Wir sind ja ein eingespieltes Team! Aber eben, unser Adrenalinspiegel sprengte beinahe die Skala. Pünktlich fuhren wir los Richtung Andalusien. Während der Fahrt zwischen Lagos und Vila Real sahen wir immer noch unsere Schweissperlen auf der Strasse glitzern, die wir auf unserer Tour hinterlassen hatten.
Nach der Grenze wurden erst die Uhren wieder um eine Stunde vorausgestellt. Ab jetzt gilt für uns: „Morgenstund hat Gold im Mund“ und abends spät ins Bett. Wir müssen uns dem spanischen Lebensrhythmus anpassen. Als wir durch die weiten Felder, ohne Dörfer, fuhren, waren wir froh, uns für die Busvariante entschieden zu haben. In Portugal waren wir schon von den Weiten beeindruckt, in Spanien ist alles noch viel grösser. Andalusien ist zum Beispiel doppelt so gross wie die Schweiz.
Pünktlich um 11:30 h kamen wir in Sevilla an. Die Dame in der Touristeninformation war uns nicht besonders behilflich bei unserer Suche nach einer Schlafgelegenheit. Sie gab uns lediglich einen Stadtplan in die Hand und markierte darauf das ehemalige Judenviertel „Barrio de Santa Cruz“, wo viele Hotels und Pensionen zu finden sind. In einer der vielen, schmalen, verwinkelten Gassen fanden wir denn auch bald eine schmucke Pension. Nach einer erfrischenden Dusche begann unser Erkundungsmarsch durch die Stadt. Erst wollten wir eine brauchbare Strassenkarte, in einem möglichst kleinen Massstab, von Andalusien. Kein leichtes Unterfangen! Von Laden zu Laden wurden wir geschickt und schliesslich mussten wir uns mit einer Karte Massstab 1 : 300 000 begnügen. Unser zweites Problem war der Fotoapparat, der nicht mehr richtig funktionierte. Erst glaubten wir es wäre getan mit dem Austausch der Batterie. Eine solche Batterie zu finden war ein Ding der Unmöglichkeit. Später stellten wir fest, dass sich wahrscheinlich ein kleines Sandkorn im Objektiv verklemmt hatte. Zum Dritten wollten wir abklären, ob die Möglichkeit bestehe, mit dem Schiff auf dem Rio Guadalquivir, bis zur Mündung ins Meer, nach Sanlucar de Barrameda zu fahren. Es gibt ein Schiff, das fährt aber nur samstags. Solange wollten wir nicht in Sevilla bleiben, also bleibt nur noch die eigene Muskelkraft übrig. Diese drei Abklärungen kosteten uns einige Kilometer Fussmarsch und einige Nerven und der Nachmittag war im Flug vorbei. Nach dem Nachtessen, zurück in der Pension, fielen wir gleich in den Tiefschlaf und erwachten am anderen Morgen erst um 8:00 h wieder.

Da der Fotoapparat wieder einigermassen funktionierte, machten wir uns auf Sightseeing- und Fototour. Unser erstes Ziel war die „Plaza de Espana“. Dieser Platz wurde 1929 für die „Exposicion Iberoamericana“ mitten in einem Park mit ca. 3500 prächtigen Bäumen, errichtet.

Man fühlte sich dort fast wie in einer anderen Welt. Auf dem Weg zur Kathedrale kamen wir an der „Antigua Fabrica de Tobacos“ vorbei. Das Gebäude gehört heute zur Universität.

Die ehemalige, riesige Tabakfabrik war der Arbeitsplatz von Bizets Opernheldin „Carmen“. Die Fabrik beherbergte ihr eigenes Gefängnis,
Ställe für 400 Maulesel, 24 Innenhöfe und sogar eine Kinderkrippe.
Vor der Kathedrale wurde ich dann ganz gehörig übers Ohr gehauen. Zwei freundliche Frauen nahmen uns beide gleich in Beschlag, ohne dass wir wussten, was mit uns geschieht, drückten sie jedem von uns einen Buchsbaumzweig in die Hand, wohl darauf bedacht, dass wir genügend Abstand voneinander hatten und begannen ungefragt aus „der Hand zu lesen“. Langes Leben, gesund, etwas nervös, grosse, starke und intelligente Kinder und gutes Zurechtkommen in Spanien, verhiess man uns. Solche Sachen hört man doch gerne! Zum Glück erzählten sie betreffend Kinder beiden das Gleiche, sonst hätte es noch ein familieninternes Problem gegeben. Am Schluss verlangte die gute Frau Geld, ich klaubte ein Euro-Stück aus der Tasche. Da wurde sie energisch und verlangte Papiergeld. Von der Situation völlig überrascht, nahm ich einen 20 Euro-Schein aus der Tasche und wollte wechseln. Sie riss mir den Schein aus der Hand, ich wollte ihn ihr wieder entreissen, aber es war hoffnungslos. Sie war so dreist, dass sie nochmals 20 Euros für die zweite Hand wollte, da wurde aber ich energisch. Bei Armin lief dasselbe ab, nur, er packte das Euro-Stück wieder ein, tat so, als ob er einen Geldschein suchen würde und lief davon. 1: 0 für Armin! Mir wurde wieder einmal bewusst: Nicht die Taschendiebe, sondern die „freundlichen, schmeichelnden“ Leute sind besonders dreist..
Anschliessend besichtigten wir die riesige Kathedrale von Sevilla, Armin lachend, ich über mich selbst verärgert.

Gleich hinter dem Südportal steht das Grabmal von Christopher Kolumbus, der Sarg wird von vier Sargträgern auf den Schultern getragen.

Diese symbolisieren die vier Königreiche Spaniens zur Zeit der ersten Entdeckungsfahrten. Es sind dies: Kastilien, Leon, Aragon und Navarra. Nur, ob wirklich die Gebeine des grossen Entdeckers im Sarg liegen, darüber ist man sich nicht so einig. Die sterblichen Überreste wurden 1899 aus der Karibik überführt und galten lange als die von Christopher Kolumbus. Die dominikanische Republik jedoch behauptet, dass die Knochen unter einem Grabmal in der Hauptstadt Santo Domingo ruhen. Verschiedene DNA-Analysen haben ergeben, dass es sich bei den Knochen in der Kathedrale Sevilla, tatsächlich um diejenigen von Kolumbus handeln müsse. Allerdings wurden seine Gebeine nach seinem Tod mehrmals umgebettet und es ist durchaus möglich, dass sie in verschiedene Himmelsrichtungen verstreut sind. Irgendwie würde es zu Kolumbus passen, dass er noch im Tode, wie im Leben, zwischen Spanien und der Karibik hin- und hergerissen wurde.
Unsere nächste Aufmerksamkeit galt dem Alcazar. Der Alcazar war Residenz vieler Generationen von Kalifen und Königen. Das Bauwerk entstand 913 n. C. als Festung muslimischer Herrscher.

Im Laufe der Jahrhunderte wurde es ständig erweitert und umgebaut.

Spätere christliche Herrscher nutzten dieses komplexe Gebäude ebenfalls als Residenz und legten zauberhafte Gärten an.
An einem Tag konnten wir nicht alles Sehenswerte der Stadt sehen. Wir waren aber begeistert von dieser stolzen Hauptstadt Andalusiens, mit den grünen Parkanlagen, Pferdekutschen, den vielen Restaurants und Tapas-Bars, dem Baustil und dem Ambiente.

Kolumbus – Denkmal

Alle schönen Städte, die wir bis anhin auf unserer Reise gesehen hatten, wurden durch Sevilla „in den Schatten gestellt“. Im Weiteren ist sie eine ausgesprochen fortschrittliche Velostadt. Breite Radwege, die auch eifrig benutzt werden, führen durch das ganze Zentrum.

Markierungen links und rechts der Radwege in der Stadt.

Der Tag fing gut an und wir waren ja wieder offen für Neues, wussten aber noch nicht, dass dieser unvergesslich in unsere Velogeschichte eingehen würde. Leider stehen uns keine guten Radführer mehr zur Verfügung, wie das in Portugal der Fall war. Wir markierten unsere Route auf unseren Karten, wählten natürlich Nebenstrassen und liessen unser Vorhaben vom Besitzer der Pension begutachten. Er fand die Auswahl unseres Weges perfekt, aber wir wetten, dass er den Weg überhaupt nicht kannte. Kurz nach 7:00 h morgens verliessen wir das Zentrum auf den breiten Radwegen. Schnell waren wir zurück in unserem Radlerleben. Je weiter Sevilla in den Hintergrund rückte, desto mehr verschlechterten sich die Strassen, bis wir auf einer Naturstrasse weiterfuhren, die zu einem Militärcamp führte. Wir versuchten dieses zu umfahren und standen bald vor einer Schleusenanlage mit hochgezogener Zugbrücke.

Alles neu und perfekt, die Anlage aber menschenleer, die Zufahrtsstrassen diesseits und jenseits des Flusses nur Feldwege. Erst standen wir da und warteten. Bald hatten wir das Gefühl, dass die Brücke in diesem Jahrhundert wahrscheinlich nicht passierbar sein wird und fuhren zum Militärcamp zurück. Dort wurden wir erstmals mit einer Maschinenpistole empfangen, aber freundlich wurde uns weiter geholfen. Der junge Mann zeigte uns einen Weg, das heisst eine Mountainbikepiste, die wir benutzen konnten, um wieder auf eine asphaltierte Strasse zu kommen. Wegweiser und Ortstafeln kennt man in dieser dünnbesiedelten Gegend nicht. Wir fuhren durch riesige Tomaten- und Gemüsefelder, die nach Pestiziden und Herbiziden rochen, bis wir wieder auf einer Naturstrasse, inmitten von Reisfeldern landeten.

Zuerst kam noch das eine Ah und Oh über unsere Lippen, aber mit der Zeit wirkten diese unübersehbaren Felder fast beängstigend auf uns. Ab und zu erhob sich eine Cooperative mit Silos aus der Ebene, sonst nichts als Reis, kilometerweit.

Keiner der wenigen Personen, denen wir begegneten, konnte uns auf unserer Karte zeigen, wo wir uns befanden.

Chefelektriker Storch auch nicht!

Wir wussten nicht, ob wir uns immer noch auf dem richtigen Weg befanden oder ob wir in den Reisfeldern umherirrten. Wir waren gespannt, was unser GPS, das unsere Tour aufzeichnet, am Abend sagen würde. Die wenigen Autos, die uns kreuzten oder überholten, hüllten uns jedes Mal in eine dicke Staubwolke. Dann plötzlich, mitten in der Pampas, hatte Armins Velo einen Plattfuss. Bei einem verlassenen Haus, im Schatten eines Baumes, flickten wir den Schlauch. Komischerweise hatte er ein Loch in der oberen Naht. Einige Kilometer ging alles gut, dann wieder ein Plattfuss am selben Rad, dieses Mal kein Schatten weit und breit. Dafür hatte es einen Bewässerungskanal in der Nähe. Armin setzte sich ans Ufer, um im Wasser zu prüfen, wo sich das Loch im Schlauch befand. Er liess die Füsse im kühlen Wasser baumeln und dann plötzlich, was schaute gleich neben ihm aus dem Wasser? Eines meiner heissgeliebten Lieblingstiere, die mich zur Flucht schlagen – eine Schlange! Bis jetzt sind wir nur toten Tieren auf der Strasse begegnet. Armin hatte sie nicht bemerkt, aber mein Schrei, weit herum hörbar, liess ihn aus dem Wasser jucken. Es war ein schwieriges Unterfangen, den Reifen zu flicken, denn wir hatten keine brauchbaren Ersatzschläuche mehr dabei. Zum Schluss funktionierte die Reparatur doch. Kaum Auszudenken, wenn wir unsere Räder auf den restlichen 20 km durch dieses menschenleere und schattenlose Gegend, hätten schieben müssen. Wir sahen schon die Schlagzeilen der Schweizer Presse vor uns: 2 Schweizer Velofahrer in Andalusiens Reisfeldern verirrt, verdurstet und verhungert! Irgendwann kamen wir zu einer Strassenkreuzung, wo wir das Gefühl hatten, dass diese Strasse uns aus der Einsamkeit führt, aber keine Wegweiser, nichts. Unser Gefühl war richtig, Staubig und verschwitzt erreichten wir Lebrija. Wir stellten keine grossen Anforderungen an diesen Provinzort. Nur zwei Sachen sollte es in diesem Ort geben, eine Velowerkstatt und eine Schlafgelegenheit. Der erste Gang führte uns jedoch zu einer Tankstelle, wo wir den Reifen nochmals pumpen wollten. Der Anblick des Rades stimmte uns nicht gerade freudig. Wie ein Geschwür presste sich der Schlauch zwischen Felge und Pneu hervor. Wir fragten uns durch nach einer Velowerkstatt. Der Velomechaniker riss gleich Pneu und Schlauch heraus. Verächtlich warf er den Reifen, den wir beim alten Mann in O Grove gekauft hatten, in eine Ecke. Er putzte an beiden Velos die Ketten, prüfte die Bremsen und wusch sie gleich noch. Er staunte nicht schlecht, wie viel Schmutz aus dem Wechsel kam. Beruhigt, dass alles wieder in Ordnung war und wieder brauchbare Ersatzschläuche im Gepäck hatten, gingen wir auf die Suche nach einer Schlafgelegenheit. Zum Dessert durften wir dort die Räder in den ersten Stock hinauf tragen. Den Staub, vermischt mit Sonnenschutzcreme, mussten wir beinahe mit einer Drahtbürste von unseren Körpern entfernen. Nach GPS waren wir gar nicht falsch gefahren. Das Nachtessen nahmen wir nicht mehr wirklich wahr.

Nach einem Tiefschlaf und noch benommen von den Erlebnissen vom Vortag machten wir uns auf den Weg nach Sanlucar de Barrameda. Heute wollten wir uns nicht mehr auf die Äste hinaus lassen und wählten den Sicherheitsstreifen entlang der Nationalstrasse. Ausserhalb Lebrija wurden die Gemüsefelder am frühen Morgen bereits bewässert. Das Gelände war nicht mehr ganz so flach wie am Vortag, sanfte Hügel erheben sich aus den Ebenen. Bald gab es nur noch abgemähte Weizenfelder und endlose Steppen zu sehen, an den Hügelhängen werden Reben kultiviert.

Ab und zu weideten einige Pferde, in der Steppe wurde nach Hasen gejagt. Eigentlich stellten wir uns diese Region etwas grüner vor, ist sie doch bekannt für die Produktion von Sherry. Sanlucar de Barrameda gehört zum Sherry-Dreieck Jerez de la Frontera – El Puerto de Santa Maria – Sanlucar de Barrameda.

Sherry ist ein weltbekanntes Getränk und hat hier so manche Familie reich gemacht. Dieser einzigartige Wein entsteht durch die Kombination aus Klima, kalkhaltigem Boden, der die Sonnenwärme aufnimmt, aber gleichzeitig die Feuchtigkeit speichert und einem speziellen Reifevorgang. Zuerst werden die Sherrytrauben gepresst.

Dann lässt man den dabei entstandenen Most gären. Innerhalb weniger Monate bildet sich eine schaumige Hefeschicht auf der Oberfläche. Nun wird der Wein in grosse Fässer aus amerikanischer Eiche gefüllt und in den Bodegas gelagert. Die Fässer zu etwa 5/6 gefüllt, werden in mindestens drei Reihen über einander gelagert. Der älteste Wein liegt zuunterst. Ungefähr drei Mal im Jahr werden 10 % des Weines aus den untersten Fässern abgezapft. Diese werden dann mit Wein aus der Reihe darüber aufgefüllt etc. Insgesamt reift der Wein drei bis sieben Jahre. Bevor er in Flaschen abgefüllt wird, reichert man ihn mit etwas Weinbrand an.
Das Sherrydreieck bringt aber noch einiges anderes hervor. In der Nähe des Karthäuserklosters, La Cartuja bei Jerez de la Frontera werden seit ca. 500 Jahren die stolzen, andalusischen Vollblutpferde gezüchtet. Ebenfalls in dieser Region werden die Kampfstiere für die Arena gezüchtet und zum dritten stammen einige bekannte FlamencotänzerInnen aus dieser Region.
Für uns hatte Sanlucar de Barrameda noch einen anderen Anziehungspunkt, die Seefahrtsgeschichte. Von hier brach einst Christopher Kolumbus zu seiner dritten Karibikreise auf. Etwa 20 Jahre später folgte ihm der Portugiese Ferdinand Magellan, der wie Kolumbus eine Westroute zu den asiatischen Gewürzinseln suchte. Trotzdem man sich im Ort mit der Seefahrergeschichte rühmt, erinnert nichts mehr an diese heldenhaften Taten.

In der Touristeninformation klärten wir noch den Fortgang unserer Reise ab. Siehe da, der junge Mann wusste einiges über die Ortstafel hinaus. Er wusste uns zu erzählen, dass es nach Rota, am Nordende der Bucht von Cadiz gelegen, einen Radweg gibt und dass dort Schiffe nach Cadiz fahren und auch Velos transportieren. Er drückte uns sogar noch einen Fahrplan in die Hand. Solch ein Service ist keine Selbstverständlichkeit.

Der neue Tag schien auf unserer Seite zu stehen. Das Hotel servierte das Frühstück schon ab 7:00 h. Wenn es später serviert wird, verzichten wir darauf und verpflegen uns unterwegs, um von der Morgenfrische zu profitieren. Den Radweg fanden wir auf Anhieb, er war gut markiert und hatte Wegweiser mit Distanzangaben. Der Anblick, der etwas lieblicheren Landschaft motivierte uns zusätzlich. Wir wussten, dass das Schiff nach Cadiz in Rota um 10:00 h fahren würde. Punkt 9:30 h standen wir am Hafen und sahen eine lange Menschenschlange vor dem Billettschalter stehen. Wie es sich gehört, stellten wir uns hinten an. Nach einer Stunde Wartezeit, das 10:00 h Schiff war bereits abgefahren, erhielten wir die ernüchternde Antwort, dass heute keine Velos transportiert werden. Der Versuch, von Norden nach Cadiz zu kommen, war gescheitert.

Erinnerungsfoto Hafen von Rota

Die ansässige Touristeninformation empfahl uns, es von Osten her, von El Puerto de Santa Maria aus, nochmals zu versuchen. Man macht uns das Radlerleben nicht leicht und so war wieder eigene Muskelkraft gefragt. Entlang einem riesigen amerikanischen Militärstützpunkt, mit Kriegsschiffen, Flugzeugträgern, eigenem Flugplatz und sehr viel Stacheldraht pedalten wir nach El Puerto de Santa Maria, ans Ostende der Bucht von Cadiz. Sonderbarerweise wurde dieses Stück von unserem GPS nicht aufgezeichnet. Amerikanische Zensur? Schon eingangs des Ortes stand eine Tafel mit den Abfahrtszeiten der nächsten Schiffe. Es war kurz vor 13:00 h, also sollten wir das Schiff um 13:30 h locker erreichen. Wie in Rota gab es wieder eine lange Menschenschlange vor dem Billettschalter.

Dieses Mal stellten wir uns nicht hinten an, sondern drängten uns durch, um erst zu fragen, ob Velos transportiert werden. Klare Antwort. Hoy no, muchas gente! In unserem Reiseführer war noch von einem Fährschiff „El Vapore“ die Rede. So fragten wir uns zu diesem Schiff durch. El Vapore – Glugg, Glugg, war die Antwort. Kurzerhand beschlossen wir, nun eben zwei Nächte in El Puerto de Santa Maria zu bleiben und anderntags ohne Velos, mit dem Schiff nach Cadiz zu fahren.

Auch in El Puerto herrschten einst die Mauren

Das war leichter gesagt als getan. Einerseits hat die Hochsaison begonnen, andererseits findet die Regatta der ganz grossen, mehrmastigen Hochseesegelschiffe statt, die dieses Wochenende in Cadiz Zwischenhalt gemacht haben, bevor sie nach A Coruna in Galizien weitersegeln. Deshalb die vielen Leute. Nach langer Suche fanden wir dann doch noch eine bezahlbare Unterkunft für zwei Nächte.
In der Touristeninformation wollten wir noch einige Ratschläge für unsere Weiterfahrt nach Tarifa holen. Auf unseren Karten sind rund um Cadiz, El Puerto de Santa Maria und Puerto Real nur Autobahnen eingezeichnet. Als wir unseren Wunsch äusserten, erschrak die junge Dame erst und meinte, das sei unmöglich, denn das seien mindestens 100 km. Wir klärten sie dann auf, dass wir aus der Schweiz hier hin gefahren wären, über 4000 km in den Pedalen haben und dass diese 100 km für uns Peanuts wären, falls es eine geeignete Strasse gäbe. Erst liess sie ein Geschrei los, wir wären ja die Kings of Bicycles, dann erklärte sie uns mindestens fünf Mal, wenn sie mit dem Auto nach Tarifa fahre, dass sie sich immer an die blauen Autobahntafeln halten würde, ja nie den weissen folgen. Solche Ratschläge kann man rauchen! Es wäre doch einmal ein Kassensturz-Thema in der Schweiz, die Kompetenz der Touristeninformationen unter die Lupe zu nehmen.

Aber erst wollten wir nach Cadiz, also begannen wir zu rechnen: Das erste Schiff fährt 10:00 morgens, der Billettschalter öffnet um 9:00. Also wenn wir ein Billett für das erste Schiff ergattern wollen, müssen wir um 8:00 vor dem Schalter stehen. Siehe da, wir waren nicht die Ersten, aber doch früh genug, dass unser Plan aufging. Bis wir das Schiff betraten, war die Menschenschlange schon wieder unheimlich lang.
Cadiz liegt auf einer langen Landzunge, die an einer schmalen Stelle mit dem Festland verbunden ist. Nach so vielen Hindernissen am Vortag, hatten wir erst den Besuch dieser Stadt in Frage gestellt, waren dann aber doch froh, dass wir alle Mühen auf uns genommen hatten. Es ist ein schöner, eleganter und zivilisierter Ort, rundum vom Atlantik umgeben.

Blick vom Torre Tavira über die Stadt

Kathedrale von Cadiz

Der Regatta wegen, war die ganze Stadt in Festlaune und von Wirtschaftskrise war nichts zu merken. Eine riesige Menschenmenge tummelte sich um den Hafen, um die wunderschönen Schiffe aus verschiedenen Nationen zu besichtigen.

Obwohl Restaurants und Cafébars keine Mangelware sind, war kaum ein freier Tisch zu finden. Kaum nachvollziehbar, dass man sich kaum 50 km entfernt, in der Steppe befindet.
Nicht nur die grossen Segelschiffe der heutigen Zeit stechen hier in See, sondern auch Kolumbus brach hier für seine vierte Reise in die Karibik auf. Durch die Entdeckung Amerikas erlebte die Stadt einen Boom, hatte deswegen aber auch ihre Feinde. Die Engländer versenkten einst hier die startbereite spanische Armada und legten die Stadt in Schutt und Asche.
In der Touristeninformation in Cadiz erhielten wir folgende Auskunft: Die Dörfer entlang der Costa de la Luz, zwischen Cadiz und Tarifa wären nicht mit Strassen miteinander verbunden, deshalb bleibe uns nur die stark befahrene Nationalstrasse. Jedes Kind sah auf der Landkarte, dass dies nicht stimmte.

So stand der heutige Tag wie ein grosses Fragezeichen vor uns. Erstens wussten wir nicht, wie wir aus dem Autobahngewirr um El Puerto de Santa Maria, Cadiz, San Fernando und Puerto Real herauskommen würden, zweitens wegen negativer Prognosen, einerseits aus dem Reiseführer, andererseits von den Touristeninformationen in Cadiz und El Puerto, ob wir ein freies Bett zum Schlafen finden würden. Wir redeten uns ein, dass wir das Ganze in Ruhe angehen würden und den Tag auf uns zukommen lassen würden. Wir nutzten die Gunst der Stunde, erstens war es Sonntag, somit hatte es frühmorgens wenig Verkehr, zweitens keine Camions. Vor Sonnenaufgang waren unsere Räder bepackt. Wir waren nicht die einzigen in den Gassen von El Puerto. Die letzten Nachtschwärmer waren immer noch auf Tour. Was uns niemand gesagt hatte, dass es über Kilometer einen schönen Radweg entlang der vierspurigen Autostrasse gibt. Plötzlich ging er zu einer Naturstrasse über, die in ein wattenmeerähnliches Naturschutzgebiet führte. Wir wagten es nicht, ihm zu folgen, denn wir hatten keine Ahnung wohin er führte. Solche Abenteuer wollen wir nicht mehr eingehen. Da wir ja Highway tauglich sind, wählten wir schliesslich doch noch für einige Kilometer, den Sicherheitsstreifen der Autostrasse. Zum Glück waren auch noch Freizeit-Velofahrer unterwegs, die wir nach dem Weg fragen konnten. Auf angenehmen Nebenstrassen kamen wir schliesslich im Küstenort Conil de la Frontera an.

Auch unser zweites Problem war schnell gelöst. Schon beim ersten Hotel hatte es freie Zimmer. In den Küstenorten herrscht zur Zeit Hochsaison. Alle Spanier begeben sich im August in den Urlaub ans Meer.
Conil de la Frontera ist ein blendend weisser Ort an der Costa de la Luz. Ein goldener Sandstrand erstreckt sich über Kilometer von Cadiz nach Tarifa und lässt die ganze Küste in einem ganz sonderbaren Licht erscheinen. Auch hier erklärten wir der Dame in der Touristeninformation unser Problem, dass wir gerne nach Tarifa radeln möchten, aber nicht auf der Nationalstrasse. Erst erschrak sie und meinte, das wären sicher mehr als 70 km und mit dem Fahrrad unmöglich. Als wir ihr klarmachten, dass wir schon den ganzen Weg aus der Schweiz aus eigener Kraft gefahren wären und diese lumpigen Kilometer kein Problem darstelle, verneigte sie sich vor uns und schenkte uns zur Belohnung eine DVD von Conil de la Frontera. Sie war uns auch weiter behilflich und reservierte uns für den nächsten Tag ein Zimmer in unserem nächsten Etappenort.
Als wir durch das Städtchen streiften, trafen wir auf drei lustige Gesellen mit einem Hund. Sie bettelten Geld für Bier, Whiskey etc. Als wir das dritte Mal an ihnen vorbeikamen, kamen wir mit ihnen ins Gespräch. Alle drei stammen aus Deutschland.

Seit 17, 14 resp. 3 Jahren wandern und betteln sie durch Spanien, oder verdienen sich etwas Kleingeld als Gelegenheitsarbeiter. Das nächste Ziel sei Alicante, an der Mittelmeerküste. Den Hund hat der eine vor 3 ½ Jahren bei der Suche nach einer leeren Petflasche aus dem Müllcontainer gefischt. Die restlichen sieben Geschwister des Hundes wären bereits tot gewesen. Er hat den Welpen aufgepäppelt und nun sind sie dicke Freunde. Der Hund wirkte wohl genährt und gepflegt. Das erbettelte Geld brauchen sie natürlich nicht für Alkoholikas, sondern um sich und den Hund zu ernähren. Ausserdem müsse der Hund nächsten Monat geimpft werden, das koste auch einige Euros. Der Hundebesitzer kam ins Schwärmen und erzählte uns, dass er einmal eine wunderschöne Freundin aus Rapperswil gehabt hätte. Wir hatten das Gefühl, dass in diesen drei Randständigen ein weiches Herz klopft. Auch solche Begegnungen und Gespräche bereichern unsere Reise.

Wie schon erwähnt, es ist Hochsaison und in diesen Touristenorten ist mächtig was los, so auch in Conil de la Frontera. Beim Verlassen des Ortes zu früher Morgenstunde, gingen die Letzten singend und johlend von der Party nach Hause. Wir jedoch, sportlich und seriös, traten kräftig in die Pedalen, bis ein Leuchtturm mit berühmten Namen, auf einer Landzunge in den Himmel ragte, der Cabo de Trafalgar.

Vor diesem Kap machte einst die britische Flotte unter Admiral Nelson im Jahr 1805 kurzen Prozess mit der spanischen Seemacht. Trafalgar Square mit der Nelson Säule ist ja für jeden Besucher Londons, ein Begriff. Eigenartig, was uns während der Schulzeit, im Geschichtsunterricht, überhaupt nicht interessierte, hat eine ganz andere Wirkung, wenn man selbst am Ort des Geschehens steht.
Die Costa de la Luz ist vielerorts noch unberührt, Naturpark reiht sich an Naturpark, ob Wattenmeer oder Pinienwald.

In Zahara de los Atunes war ja unser Zimmer bereits reserviert und wir mussten nicht lange suchen. Die Pension lag nur wenige Meter vom langen, sauberen Sandstrand entfernt.

Wir wollten diese Gelegenheit nutzen und einmal baden gehen. Schliesslich war es so heiss, dass wir darauf verzichteten, uns lieber im Schatten aufhielten und es etwas später bei einem Spaziergang durchs Wasser am Strand beliessen.

Heute brachen wir auf unsere letzte Etappe zu unserem zweiten, grossen Zwischenziel, nach Tarifa auf, der südlichsten Spitze der iberischen Halbinsel, an der Strasse von Gibraltar. Auf unseren Karten war unser Weg nicht ganz klar ersichtlich. Deshalb fragten wir den Besitzer der Pension nach Rat. Er machte uns auf einem Totozettel eine Skizze und meinte, mit dem Velo sei das kein Problem, um von der einen Bucht zur anderen zu kommen. Wenigstens war der unwegsame Weg nur 2 km lang. Erinnerungen an den Jakobsweg wurden wieder wach. Der Weg führte uns jedoch durch einen wunderschönen, ruhigen Naturpark.

Nur einige Schafe blökten und einige Kühe sahen uns erstaunt an. Auf den letzten 15 km nach Tarifa konnten wir der Nationalstrasse nicht mehr ausweichen. Erstaunlicherweise hielt sich der Verkehr in Grenzen. Wir hatten es doch geschafft, auf vielen Nebenstrassen zum Ziel zu kommen. Bis vor 20 Jahren war Tarifa ein unbekannter Ort.

Hafeneinfahrt von Tarifa
Im Hintergrund ist Afrika zum Greifen nahe.

Wehrturm bei der Hafeneinfahrt

Dank der starken Ost- und Westwinde wurde es schliesslich zum Mekka der Wind- und Kitesurfer. Ein spezielles Publikum tummelt sich da. Wenn man durch die Gassen spaziert, wird einem bald klar, dass es auch ein Eldorado zum Shoppen oder Schaufensterbummeln ist. Des Platzes wegen kommt für uns kommt nur letzteres in Frage.
Wenn wir jeweils auf Zimmersuche sind, ist alles ruhig und still ums Hotel herum. Die Besitzer bestätigen jeweils, dass das Zimmer ruhig ist. Dann aber, nach 20:00 h abends, öffnen die Restaurants ihre Tore und in Blitzeseile werden die Tische auf die Strasse gestellt und jeder Gast findet:“ Wir machen durch bis morgen früh und singen pumpsfallera!“ Dazu kommen noch die Strassenmusiker mit Trompete, Gitarre oder Akkordeon, die mehr oder weniger harmonische Töne von sich geben.

Das Leben spielt sich im Süden begreiflicherweise draussen und nachts ab. So geschah es auch in Tarifa.

Nun sind wir genau 4 Monate unterwegs. Täglich waren wir den Launen der Natur ausgesetzt. Von der arktischen Kälte in Frankreich bis zur glühenden Sommerhitze in Südspanien, von leichten Brisen bis zu stürmischen Böen, Regen und Sonnenschein, gute und schlechte Gerüche, alles haben wir 1 :1 wahrgenommen. Über Ebenen, über Hügel bis hinauf über die Berge sind wir geradelt. Fast jeden Tag haben wir in einem anderen Bett geschlafen, einmal weich, einmal hart. Unter den verschiedentlichsten Duschen haben wir geduscht. Es ist immer spannend, wo das Wasser herauskommt. Im kalten Aubrac konnten wir es uns nicht einmal in den kühnsten Träumen vorstellen, dass eine kalte Dusche (die dritte am Tag) vor dem Schlafen gehen, eine Wohltat sein kann. Reiseapotheke und Verbandkasten blieben glücklicherweise unangetastet. Einige heikle Situationen gab es schon ab und zu, aber keine Unfälle. Die Räder brauchten ihren Service. Der Hinterreifen an Armins Velo wurde zwei Mal ersetzt, an meinem Velo vorsorglich ein Mal. Bremsbeläge mussten ersetzt werden und an Armins Velo brach lediglich eine Speiche. Jeden Tag packten wir unsere Satteltaschen aus und ein. Unzählige Kirchen, Kathedralen, Schlösser und Burgen besichtigten wir. Über 5000 km liegen hinter uns, wovon ca. 4300 km aus eigener Kraft erschaffen. Etwas stolz sind wir schon auf unsere Leistung.
Aber nun müssen wir die Fortsetzung unserer Reise überdenken. Ehrgeiz oder Vernunft?
Die Hitze haben wir unterschätzt. Wir können nicht vor 7:00 morgens starten, da es auf diesem Breitengrad noch dunkel ist.
Die andalusischen Berge stehen vor uns. Von 0 m über Meer geht’s hinauf, bis zu 1200 m.
Die Übernachtungsmöglichkeiten sind rar, es gibt lange Etappen. Wenn man den Reiseführern glauben will, ist das Hinterland im August ausgestorben und vieles ist geschlossen.
Es ist uns unmöglich 80 km pro Tag, innert 3 Stunden bei 40° C zu radeln. Es wäre auch unvernünftig.
Wir sind auch von Südspanien schlecht dokumentiert. Ausser einiger Internetausdrucken und schlechtem Kartenmaterial steht uns nichts zur Verfügung. Wie bereits beschrieben sind die Auskünfte nicht verlässlich.
At last but not least kommen auch einige Ermüdungserscheinungen dazu.
Deshalb haben wir uns in den letzten Tagen viele Gedanken gemacht und nach einer befriedigenden für beide Lösung gesucht.
Die Reise fortsetzten und ab und zu den Bus besteigen? Jedes Mal die Ungewissheit, ob der Bus die Fahrräder mitnimmt oder nicht?
Reise abbrechen und nächstes Jahr im März, bei kühleren Bedingungen weiterfahren?
Reise abbrechen und mit dem Bus der Küste entlang nach Barcelona fahren?
Reise abbrechen und später die verschiedenen Gegenden mit dem Auto besuchen?
Räder heimschicken und als Rucksacktouristen weiterfahren?
Bis nach Malaga radeln, in den nächsten Flieger steigen und in die Schweiz fliegen?
Mit dem Fahrrad der Touristenmeile entlang nach Barcelona fahren, wo Unterkünfte keine Mangelware sind und kürzere Etappen möglich sind? Die Erfahrung der letzten Tage haben jedoch gezeigt, dass an den Touristenorten das Preis-Leistungsverhältnis im August überhaupt nicht mehr stimmt. Alles ist überteuert, ob Logis oder Essen. In jedem Ort die Jubel-Trubeltouristen!
Alle diese Möglichkeiten hatten wir durchdiskutiert, jeden Tag kam eine andere Idee. Jedoch keine dieser Möglichkeiten überzeugte uns. Wir wollten Spanien auch nicht fluchtartig verlassen. Die Wärme hat auch ihr Gutes, die Rheumatismen haben sich verabschiedet.

Nach einer erneuten schlaflosen Nacht entschied sich alles über unsere Weiterreise sehr schnell. Der Entscheid war klar, wir brechen unsere Reise nicht ab, folgen weiter unserer geplanten Tour, jedoch nicht mit Velo, sondern mit einem Mietauto.
Noch zerknittert, packten wir unsere sieben Sachen, begaben uns zum Busbahnhof und fragten dort, ob wir die Räder in den Bus nach Algeciras verladen könnten. Freundlich lächelnd und unkompliziert wurde unsere Frage bejaht. So konnten wir ca. 20 km auf der stark befahrenen Strasse und einiges an Höhenmetern vermeiden. In Algeciras angekommen, suchten wir erst die Hertz Autovermietung auf und anschliessend einen internationalen Transporteur, der unsere Velos möglichst sicher nach Hause transportiert. Bei Hertz lief alles schnell und speditiv. Der Mann war hilfsbereit, telefonierte für uns sogar mit der Transportfirma und erklärte uns den Weg dorthin. Die gut geschminkten und sexy Damen bei der Transportfirma jagten uns erstmals den Adrenalinspiegel hoch. Sie verlangten die Rechnungen der Räder, sie brauchen das für den Zoll. Logisch, dass wir die Rechnungen nicht hatten. Wir erklärten ihnen mühsam, dass es sich um gebrauchte Schweizer Räder handelt und die ganz einfach zurück in die Schweiz transportiert werden sollten. Plötzlich ging es dann doch ohne Rechnung. Um einige Euros erleichtert, marschierten wir dem Hafen entlang zurück zur Hertz-Filiale. Auf dem naheliegenden Markt kauften wir für ganze 44 Euros zwei Koffern mit Rädern für unser Hab und Gut. Wir hoffen nur, dass sie den Rest der Reise überstehen werden.

Chauffeuer, Koffern und im Hintergrund der gemietete Seat Ibiza

Algeciras ist eine hässliche Industrie- und Hafenstadt mit arabischem Einschlag. Sie ist auch Zentrum des Drogenschmuggels. Während der Sommermonate ist da mächtig was los. Hunderttausende von Marokkanern gehen hier auf die Fähre um in ihrer Heimat die Sommerferien zu verbringen. Wir hatten jedoch keine Lust hier länger zu verweilen und setzen nun unsere Tour mit dem Mietwagen fort.

Hfen von Algeciras mit Fels von Gibraltar im Hintergrund

An dieser Stelle bedanken wir uns bei Allen, die uns während der letzten Monate begleitet hatten, Kommentare in den Blog oder direkte E-Mails geschrieben hatten. Es freute uns jedes Mal, wenn irgendein Lebenszeichen von zu Hause kam. Wir hoffen, dass wir weiterhin, trotz Wechsel des Transportmittels, „verfolgt“ werden. Den Blog werden wir natürlich weiterführen.

Lissabob – Montijo 13 km Fähre
Montijo – Setubal 43 km
Setubal – Santiago do Cacem 62 km + 6 km Fähre
Santiago do Cacem – Vila Nova de Milfontes 43 km
Vila Nova de Milfontes – Odemira 41 km
Odemira – Beja 95 km
Beja – Serpa 31 km
Serpa – Vale de Vargo 19 km
Vale de Vargo – Monseraz – Vale de Vargo 190 km Ausflug mit Auto
Vale de Vargo – Mertola 74 km
Mertola – Vila Real de Sto. Antonio 79 km
Vila Real de Sto.Antonio – Tavira 27 km
Tavira – Faro 41 km
Faro – Silves 69 km
Silves – Lagos 51 km
Lagos – Sagres 53 km
Sagres – Lagos 39 km

Man sagt, Lissabon sei eine der schönsten Hauptstädte Europas und wer sie nicht gesehen habe, der habe im Leben nichts Schönes gesehen. Dieser Behauptung können wir nur beipflichten. Wir fühlten uns in dieser lebensfrohen Stadt sehr wohl, trotzdem mussten wir sie wieder verlassen um weiter zu ziehen. Auf ebenso einfache Weise, wie wir sie erreichten, verliessen wir sie wieder, nur dieses Mal auf dem Wasserweg. Schon zeitig fanden wir uns am Cais de Sodré ein. Um mit dem Schnellboot den Rio Tejo zu überqueren. Anschliessend wartete eine gut 30 km lange Strecke nach Sétubal auf uns. Wir schafften es, die 30 km auf 43 km zu verlängern. Ausser dem Verkehr und dem Gespür für die richtige Strasse, stellte diese Etappe keine grossen Ansprüche an uns. Es gab auch nichts, das bewunderns- oder erwähnenswert wäre. Die Industriestadt Sétubal konkurriert mit Coimbra um den Rang der drittgrössten Stadt Portugals. Am Mündungsbecken des Rios Sado haben sich Firmen, wie Renault und Ford niedergelassen, um dort ihre Autos zusammen zu setzen. Weitere Industrieanlagen stehen um den Hafen. Viele Menschen aus dem trockenen und armen Alentejo, der unmittelbar an Sétubal grenzt sind hierher gezogen, um nach Arbeit zu suchen.
Trotz der Industrie bietet die Altstadt mit ihren kleinen, verwinkelten Gassen ein gefälliges Bild. Eine schöne, grüne Palmenallee zieht sich durch das ganze Zentrum.

So ist es einfach alles auf die lange Bank zu schieben!

Im breiten Flussdelta des Rios Sado leben etwa 30 Flussdelfine. Sie gehören zu den wenigen, ortsfesten, in Flussmündungen lebenden Populationen in Europa.

Auch diese Stadt verliessen wir wieder auf einfache Weise – mit der Fähre über den Rio Sado nach Troia.

Heute hatte die Natur einiges an Prächtigem zu bieten: Lagunen, Dünen, Wattenmeer, Reisfelder, Orangenhaine, Pinienwälder und Korkeichenwälder.

Das Rostrot der Stämme der Korkeichen ist eine der auffälligsten Farben im Alentejo. Ende Juli werden die abgestorbenen Rinden von den Stämmen geschält. Der Saft der darunterliegenden Rinde färbt sich in der Sonne leuchtend rostrot.

Das Ernten der Korkrinde geschieht alle neun Jahre, deshalb wird das Jahr der letzten Ernte mit weisser Farbe auf die neue Rinde geschrieben. Nach dem Schälen werden die Korkrindenstücke ein Jahr lang im Freien gelagert.

Zur Weiterverarbeitung werden die Stücke anschliessend gekocht und gepresst, um sie in eine flache Form zu bringen. Der geschmeidige Kork kann anschliessend in die gewünschte Form geschnitten und bearbeitet werden. Portugal produziert 55 % des Bedarfes an Wein- und Sektkorken der Welt. Schon die alten Mönche aus dem Waldkloster bei Sintra wussten dieses Material zu nutzen. Um ihre Grotten zu isolieren, kleideten sie diese mit Kork aus.
In Santiago do Cacém machten wir für heute Halt. Nach der flachen Etappe wurden wir zum Dessert schliesslich doch noch gefordert, denn dieser Ort liegt auf einem Hügel. Als Belohnung geniessern wir von der Burg aus eine herrliche Aussicht auf das umliegende Land und bis nach Sines, am Atlantik.

Burg der Mauren in Santi8ago do Cacem

In Sines wurde einst der grosse Seefahrer und Indienentdecker Vasco da Gama geboren. Heute hat die Stadt nichts mehr mit der Seefahrerei zu tun. Jetzt steht Raffinerie an Raffinerie an der Küste.

Die Natur pur Tour ging heute weiter, entlang eines Hügelgrates durch die bereits abgemähten Weizenfelder und Korkeichenwälder des Alentejos bis nach Vila Nova de Milfontes. Der Alentejo erstreckt sich vom Rio Tejo bei Lissabon bis weit in den Süden zur Algarve. Es ist Portugals grösste, aber auch dünnst besiedelte Provinz. Im Frühling ist diese Provinz grün – im Sommer ist sie ausgeglüht. Der Alentejo ist immer noch Portugals „Armenhaus“. Rund die Hälfte der älteren Bevölkerung kann weder Schreiben noch Lesen. Viele flüchteten vor dem Hunger in die Grossstadt oder ins Ausland. In letzten Jahren haben sich viele Holländer in den Höfen der Küste entlang niedergelassen, um die Landwirtschaft zu modernisieren und dem EU-Standard anzupassen. Um die Kosten zu senken werden osteuropäischen Arbeitskräfte eingestellt. Auf den Feldern wird vermehrt ukrainisch oder rumänisch gesprochen.
Der Ort Vila Nova de Milfontes liegt an der weiten, sandigen Mündungsbucht des Rios Mira und ist ein quirrliger Badeort, wo auch die Lissaboner ihre freien Tage verbringen.

Ein Fliegerdenkmal im Ort erinnert an die drei Piloten, die 1924 von hier aus ihren ersten Flug nach Macao starteten.

Morgenstimmung am Rio Mira

Die Reise führte uns weiter südwärts, unweit der Atlantikküste, durch von Landwirtschaft geprägtes Land. Die Hügel sind weiter in den Hintergrund gerückt, auf den flachen, dürren Wiesen weiden Kühe und die schwarzen Alentejo-Schweine.

Diese hier ansässige, hochbeinige Rasse wurde aus den mediterranen Wildschweinen weiter entwickelt. Sie besitzen die Eigenschaft, dass sie mehr Fett in ihrem Muskelgewebe anreichern können. Die Tiere laufen frei herum und fressen während 15 Monaten hauptsächlich die Eicheln der Steineiche. Dann ist das schöne Leben für sie vorbei. Sie werden geschlachtet und es dauert mindestens 2 Jahre, bis die Schinken im günstigen Klima, in frischer Luft reifen können. Wichtig ist, dass das Reifen der Schinken im Winter anfängt und dass mit steigenden Temperaturen das „Fettschwitzen“ beginnt. Im Oktober darauf kommen die Schinken nochmals für ein Jahr in belüftete Hallen, wo der Schinken nochmals reifen kann.
Mit grossen Bewässerungsanlagen – oder Kanälen werden einzelne Felder bewässert.

Kaum hat es eine feuchte Stelle, spriessen schon diverses Schilfgewächs und die allerschönsten „Kanonenputzer“.

Auch alte Bekannte haben wir wieder getroffen – die Störche. Am windgepeitschten Cabo Sardao, beim einsamen Leuchtturm haben sie auf einer Felsnadel, inmitten einer senkrechten, ca. 50 m tiefen Klippen, ihre Nester gebaut.

Leuchtturm von Cabo Sardao

Auch Störche verlassen ab und zu ihr Zuhause!
Vielleicht machen sie Veloferien?

Bevor wir ins Landesinnere des Alentejo fahren, übernachteten wir in Odemira, einem kleinen herausgeputzten Städtchen am Ufer des Rios Mira.

Amphitheater unter ehemaligem Schloss in Odemira

Es schien ein heisser Tag zu werden und eine Durststrecke lag vor uns, deshalb stiegen wir schon früh in die Pedalen. Die Wirtin der Unterkunft gab uns noch Sandwiches und Orangen mit auf den Weg. Erst führte die Strasse durch einen hügligen Korkeichenwald und es war herrlich, in deren Schatten zu radeln. Bald aber wurden die Hügel flacher und weites, trockenes, kaum besiedeltes Land erstreckte sich. Nur einige Hunde bellte uns bei den wenigen einsamen Häusern an. Eine Herde von Ziegen am Strassenrand meckerte bei unserer Vorbeifahrt.

Die weidenden Kühe auf den trockenen Feldern schauten uns verwundert an. Wir fragten uns, ob diese Kühe wohl Trockenmilch hergeben würden. Jedenfalls hatten sie kein Nestlé-Signet auf ihren Hinterteilen. Auf langer Strecke gab es weder eine Kaffeebar, noch ein Restaurant, noch ein Dorf, sondern nur eindrückliche, golden leuchtende Weiten, mit teils schon abgemähten Kornfeldern oder ausgetrockneten Wiesen.

Nach bald 40 km ragte das erste, weisse Dorf aus den goldenen Feldern. Da ich wegen Fotografierens auf Armin etwas Rückstand hatte, sah ich, dass er am Eingang des Dorfes auf der Strasse mit dem Velo Runden drehte. Erst dachte ich, dass er zu viel Sonne erwischt hätte. Erst später sah ich, dass unter einem Baum ein jüngerer Mann stand, mit drei kleinen schmutzigen Kindern und einem Leiterwagen, auf den alles Mögliche an Hausrat gebunden war. Alle begrüssten mich freundlich lachend, der Mann winkte mich zu ihm und schickte das kleinste Kind auf mich zu. Keine Ahnung, was die Absicht war. Jedenfalls war es mir nicht ganz wohl. Ich grüsste freundlich zurück und trat kräftig in die Pedalen unter Armins wachsamen Augen.
12 km weiter ragte das nächste weisse Dorf aus der weiten Landschaft. Schon von weitem sah man, mit was in Aljustrel Geld verdient wird, mit dem Bergbau.

Schon die Römer gruben hier nach Gold, Silber und Kupfer. In den letzten Jahrhunderten konzentrierte man sich auf den Abbau von Kupfer. Auf ca. 170 Millionen Tonnen werden die Erzvorräte geschätzt. Eigentlich hatten wir diesen Ort zu unserem Etappenziel gewählt. Eingangs Dorfes liessen wir noch ein kaltes Getränk in unsere ausgetrockneten Kehlen laufen und bei dieser Gelegenheit fragten wir den Barbesitzer nach der Pension Sao Pedro, der einzigen Unterkunft in diesem Ort. Nase rümpfend erklärte er uns den Weg. Wir fanden die Pension auch, aber auf unser Läuten reagierte niemand, obwohl man sah, dass jemand anwesend ist. Zwei patroullierende Polizisten und der benachbarte Barbesitzer bestätigten ebenfalls, dass die Pension geöffnet sein sollte. Nach langem Leuten und Rütteln an der Türe, kam dann doch noch eine Frau heraus und eröffnete uns, dass alles belegt sei. Das sollte einer glauben. Wir hatten eher das Gefühl, dass ihr nicht um Arbeit zu Mute war. Vielleicht musste es so sein, irgendwie fühlten wir uns nicht so wohl an diesem Ort, denn einige komische Typen schlichen umher. Es blieb uns also nichts anderes übrig, als bei der brütenden Hitze weiter durch die „Wüste“ ins 37 km entfernte Beja zu radeln. Ab jetzt sind wir auch „wüstentauglich“. Wer weiss, vielleicht werden wir uns in Tarifa nach Marokko übersetzen, um während des Winters bei den Beduinen Ziegen zu hüten.
Wir packten die Herausforderung und machten uns schleunigst auf den Weg nach Beja. Nach 96 km und 1000 Höhenmeter ab Odemira, sahen wir schon von weitem das grosse weiss Getreidesilo von Beja.

Wir fanden denn auch bald eine Unterkunft, wo man die Arbeit nicht scheute. Für unsere Leistung belohnten wir uns selbst mit delikatem, gegrilltem Alentejo-Schwein und einem guten Tropfen Wein zu Nachtessen.
Beja ist die Hauptstadt des Alentejo und liegt erhaben über dessen endlosen Weiten. Vom Turm des Castelos aus hat man die beste Möglichkeit über diese Weiten den Blick schweifen zu lassen.

Die ansprechende Altstadt verfügt über viele kleine Plätzchen, wo am Samstag die Bauern aus der Umgebung ihre Produkte anbieten.
Bei einem kühlen Bier wetterten wir über die unflexiblen Busunternehmen. Was im Norden überhaupt kein Problem darstellte, zeigt sich hier als unlösbar. Schon in Lissabon klärten wir beim entsprechenden Busunternehmen ab, ob wir die Velos für einen Besuch des Weltkulturerbes Evora in den Bus verladen könnten. Aber „nada“! Da man uns wegen der Hitze davon abriet, selbst mit dem Velo dorthin zu fahren, strichen wir diese Destination von unserer Liste. In Odemira klärten wir eine eventuelle Busreise nach Beja ab, wiederum war nichts zu wollen. Auf unserer Tour kreuzten wir dann je den Morgen- und den Abendbus. Genau 2 Personen sassen in dem ca. 80-Platz-Bus, der Gepäckraum war mit grösster Sicherheit leer. Die Unternehmen werden vom Staat unterstützt, der Staat von der EU, also fliesst der Euro, warum denn etwas tun für die Kundschaft. Ob dieser Tatsache hat sich schon der Hoteldirektor in Lissabon genervt.

Die Etappe von Beja nach Serpa war dann wieder kürzer. Der Weg führt immer noch durch goldene Weizenfelder, Sonnenblumenfelder, Olivenhaine ohne Ende und etwas Rebbau.

Anwesen eines Olivenoelbarons mit eigener Wasserversorgung

Rio Guadiana zwischeb Beja und Serpa

Die weisse Stadt Serpa sieht man schon weitem, aus der Landschaft hervorragen. Durch den jährlichen Wettbewerb um das weisseste Haus, sind die Fassaden immer schön kalkweiss gestrichen. Auf dem kleinen Stadthügel, innerhalb der Stadtmauer, steht die alte Burg. Am Eingang klemmt seit 1707 ein riesiger Mauerteil beängstigend verkantet über dem Tor.

Er zeugt vom spanischen Erbfolgekrieg, als die Spanier bei ihrem Rückzug, die Burg sprengten. Ein zerbrechlich wirkendes Aquädukt, das oben auf der Stadtmauer aufgesetzt ist, beherrscht die Stadtsilouette. Der turmförmige Ziehbrunnen, der das Wasser aus dem Brunnen hoch zum Aquädukt beförderte, wurde von Ochsen angetrieben. Seit ca. 100 Jahren ist er nicht mehr in Betrieb.

Eine kurze Etappe nach Vale de Vargo stand bevor. Dort warteten keine Monumente oder Burgen auf uns, sondern Luisa und Sepp, zwei gute Seelen aus dem Spital Männedorf. Vale de Vargo, nahe der spanischen Grenze ist Luisas Heimatort. Dort lernten wir portugiesischen Familienzusammenhalt und Herzlichkeit kennen.

Nochmals ein herzliches Dankschön und bis bald.

Luisa Vater, 82-jährig und fit wie ein Tennisball, singt in einem der alentejanischen Chöre. Diese A-Capella Männerchöre besingen in ihren Liedern die Arbeit, ihren ländlichen Alltag, die Liebe zur Natur, die Sehnsüchte und den Glauben. Der Bariton gibt die ersten Takte und Verse vor, darüber erhebt sich dann eine hellere Stimme, ehe der Chor mehrstimmig und recht kraftvoll, vor allem aber gemütsbewegend, einfällt. Die hohe Stimme ornamentiert während des ganzen Liedes weiter und trägt mit der zum Chor „schrägen“ Tonlage zum eigentümlichen klingenden Gesamteindruck bei. Die Sänger sind fleissig am Üben, denn der Chor reist in Kürze zu einem Auftritt nach Tschechien. Wir nutzten die Gelegenheit und wohnten einer Probe bei.

Die Texte an der Wandtafel zwingen die Sänger nach vorne zu singen!
Wäre das ein Lösungsvorschlag für schweizer Chöre?

Von Luisa und Sepp wurden wir mit Delikatessen, wie Cervelats vom Grill und Bratwurst mit Rösti verwöhnt. Nach über drei Monaten „fremdes Brot essen“ geniesst man eben Heimisches ganz besonders.
Sie zeigten uns ausserdem noch einiges von ihrer Heimat, wie zum Beispiel Monsaraz, ein malerischer Festungsort, in Hügellage, der einem Adlerhorst gleicht.

Aussicht vom Adlerhorst Monseraz

Jede rennende Maus im Feld kann von dort oben fokussiert werden und der Blick reicht bis über das dünnbesiedelte Land bis nach Spanien. Bei der Autofahrt dorthin, kamen wir am Barragem (Staudamm) de Alqueva vorbei.

Der Rio Guadiano wurde dort auf 83 km zum grössten Stausee Europas gestaut. 250 qkm beträgt seine Fläche, wovon 83 qkm in Spanien liegen.

Das auf die Salazar-Regierung zurückgehende Stauseeprojekt wurde im Jahr 1972 von der Weltbank als unwirtschaftlich abgelehnt. Nach jahrzehntelanger Planungs- und Genehmigungsphase wurde der 56 m hohe Staudamm trotzdem gebaut. Im Februar 2002 wurden die Schleusen geschlossen. 1,2 Millionen Bäume mussten weichen, zahlreiche vom Aussterben bedrohte Tierarten verloren dadurch ihren Lebensraum. Das Wasser soll der landwirtschaftlichen Bewässerung, der Stromerzeugung und vor allem dem Tourismus dienen.

Seit Lissabon wurde es immer wärmer. Deshalb verliessen wir unsere Freunde schon früh morgens, um unser Ziel bis am Mittag zu erreichen. Wilde Hasen und Rebhühner beobachteten uns bei unserer Fahrt durch Niemandsland Richtung Süden.

Bei einer Kreuzung wählten wir die falsche Strasse und plötzlich standen wir an der spanischen Grenze. Das wollten wir eigentlich nicht, aber keiner von uns ahnte, dass wir der Schotterstrasse ohne weitere Bezeichnung hätten folgen sollen. So gab es wieder einmal eine Ehrenrunde und beim zweiten Anlauf klappte es dann mit dem richtigen Weg. Etwa 16 km vor unserem Tagesziel, passierten wir Mina de Sao Domingo. Heute ist das ein 1000-Seelendorf, früher arbeiteten bis 10 000 Personen hier im Bergbau. Bis die Mine 1965 geschlossen wurde, baute man Kupfer und schwefelhaltige Erze ab.
Auf den letzten Kilometern wurde es dann heiss. Nach einer Dusche und einer wohlverdienten Siesta, besichtigten wir Mertola, die am besten erhaltene maurische Stadt Portugals. Schon die Römer betrieben hier in der Umgebung einige Kupferminen. Dann haben sich die Araber ein halbes Jahrtausend erfolgreich auf den Handel und den Bergbau konzentriert und viele Spuren hinterlassen. Im Laufe der Jahre wurde dann die Moschee in eine christliche Kirche umgebaut. Auch hier thront über der Altstadt eine Burganlage, von deren Turm aus man eine herrliche Aussicht über das benachbarte Hügelland hat.

Aus unserem Hotelzimmer genossen wir den Blick auf den Rio Guadiana, den Grenzfluss zwischen Spanien und Portugal.

Obwohl dies kein reissender Fluss ist, wird der Kanusport hier angeboten.

Mit der heutigen Etappe verabschiedeten wir uns definitiv von den goldenen Weiten des Alentejo. Lange studierten wir die Landkarte, um herauszufinden, welches der einfachste Weg sei, um ohne viele Höhenmeter in die Algarve zu kommen. Einmal mehr hatten wir das Gefühl, den Weg des geringsten Widerstandes gewählt zu haben, und siehe da, einmal mehr mussten wir dafür büssen. Ständig standen wir vor einem neuen Hügelzug.

Durst … nichts als Durst!

Nicht wir haben beim Durstlöschen das Niveau dieses Stausees so tief abgesenkt.

Wegen mangelnder Unterkünfte hatten wir keine andere Wahl, wir mussten bis ans Meer, nach Vila Real des Santo Antonio, an der spanischen Grenze, durchhalten. Bei dieser Hitze und den vielen Hügel kamen wir zum ersten Mal beinahe an unser Limit. Wir staunten nicht schlecht, als wir am Abend feststellten, dass zu den 79 km noch 1100 Höhenmeter überwunden hatten. Wir waren stolz, dass wir unser Ziel erreicht hatten. Nach der Dusche gab es nur noch eines, ein kleiner Spaziergang durch den Ort, ein delikates Arroz Tamboril (Das Beste von ganz Portugal) und dann schlafen.

Zum Glück ist Vila Real de Sto. Antonio nur ein bescheidener Touristenort, ohne grosse Sehenswürdigkeiten.

Der Schlaf war nicht ganz so tief, wie wir es gewünscht hatten. Aber heute lag nur eine kurze Etappe vor uns. Das nächste Ziel war Tavira, das Venedig der Algarve. Kaum auf dem Sattel hatten wir dann erst einen Kulturschock. Nach zehn Tagen Einsamkeit im Alentejo mussten wir uns erst wieder an die Zivilisation gewöhnen. Wir radelten durch die überbauten Küstenorte der Algarve. Über deren Schönheit kann man geteilter Meinung sein. Eine Autokolonne ohne Ende raste an uns vorbei, die Pseudo-Radwege sind unbrauchbar. Jedenfalls atmeten wir auf, als wir unser Ziel erreicht hatten. Der Ort ist wirklich hübsch und sehenswert, ohne grossen Massentourismus. Heute noch führt eine siebenbogige Brücke aus der Römerzeit über den Rio Gilao. Wie in Venedig stehen einige „Palazzis“ halb im Fluss, mit Treppchen und Bootsanlegestellen.

Früher lebte der Ort vom Thunfischfang, dann aber wählten diese Tiere eine andere Wanderroute und dieser Wirtschaftszweig kam ca. 1970 zum Erliegen.
Die Salzgewinnung in der Umgebung hatte bereits zur Zeit der Römer einen grossen Stellenwert. Das Haltbarmachen von Fischen war früher nur durch Einsalzen möglich, weshalb grosse Mengen von Salz nötig waren. Der Lohn wurde damals in From von Salz ausbezahlt. Von da stammt auch der Ausdruck „Salär“.
20 Kirchen und 6 Klöster sind ein Überbleibsel aus der Blütezeit der Stadt. Im Convento de Santo Antonio ist heute ein Luxushotel eingerichtet.

Wir schlossen Frieden mit der Algarve, denn es standen uns ruhigere Strassen zur Verfügung. Erst folgten wir ausserhalb von Tavira einer Lagune,

Anstelle von Sonnenschirmen könnte man in der Schweiz Regenschirme über die Sitzbänke montieren.

dann führte der Weg wieder weg von der Küste vorbei an Zitrushainen, Johannisbrotbäumen, Feigenbäumen, Granatapfelbäumen und Mandelbäumen, gepflanzt in rotem Ackerland. Als wir so gemütlich und friedlich am Radeln waren, mussten wir die bittere Erfahrung machen, dass auch Schweizer Qualitätsspeichen brechen können, natürlich an Armins Velo. Gestern war ja Freitag, der 13., vielleicht waren das noch ein Nachwehen. Gut, dass wir Ersatz im Gepäck haben! Trotz der Reparatureinlage kamen wir zeitig in Faro an. Faro ist die Hauptstadt der Algarve und hauptsächlich Drehscheibe für den Tourismus.

Die Feriengäste kommen hier auf dem Flughafen an und verteilen sich schliesslich in die verschiedenen Buchten. Deshalb geht es in diesem Ort eher beschaulich zu.
Die Stadt wurde im 16. Jahrhundert von den Engländern in Schutt und Asche gelegt. Zuvor hatte jedoch der Feind die bischöfliche Bibliothek ausgeräumt. Dieser Raub soll den Grundstock für die berühmte Bibliothek in Oxford gebildet haben.

Es schien ein heisser Tag zu werden. Die Winde kommen aus dem warmen Afrika. Schon früh machten wir auf die Socken, denn wir wussten, dass ca. 70 km mit einigen Höhenmetern vor uns liegen. Nun beeindruckte uns nicht mehr die goldenen Weizenfelder des Alentejo, sondern die rote Erde der Algarve.

Wir fuhren durch den mediterranen Obstgarten, über Hügel, ab und zu mit Sicht auf das Meer,

vorbei an noblen Quintas, deren Namen auf deutschsprachige Besitzer hinweisen, bis nach Silves.

Quinta Meili?

Der Ort liegt im Vorgebirge der Algarve, am Ufer des Rio de Arade. Auch hier hatten die Mauren eine Festung hinterlassen. Die christliche Kirche wurde auf die Grundmauern einer Moschee gebaut. Während der Herrschaft der Mauren, war Silves neben Cordoba in Andalusien die wichtigste Metropole des maurischen Reiches auf der iberischen Halbinsel.

Damals war der Hafen am Rio de Arade ein wichtiges Handelszentrum mit Afrika und mit dem nördlichen Mittelmeerraum. Heute ist der Fluss versandet und der Hafen ohne Bedeutung. In der heutigen Zeit ist die Haupteinnahmequelle der Bevölkerung, die Landwirtschaft.

Gemütlich folgten wir erst dem Flusslauf des Rio de Arade Richtung Meer. Dann aber kurz vor der Stadt Portimao, als wir durch den regen Verkehr zirkeln mussten, stieg dann der Adrenalinspiegel wieder auf Höchstmarke. Da hiess es dann, Augen zu und durch, durch einen Tunnel. Zum Glück war er nicht so lang wie der Gubrist .Das Zentrum der Stadt mieden wir, machten jedoch ausserhalb eine kurze Pause und nahmen einen Augenschein auf den Strandtourismus.

In Scharen kamen die Sonnenhungrigen mit Taschen anmarschiert, um sich einen Tag lang im Sand zu wälzen. Wir waren uns einig, unser Ding ist das nicht. Wir befanden uns eben wieder in der ersten Reihe der Algarve. Schliesslich suchten wir unseren Weg durch die grossen Bettenburgen und waren froh, dies alles hinter uns lassen zu können. Kräftig traten wir in die Pedalen, um unser Ziel Lagos noch vor Mittag und der grossen Hitze erreichen zu können. In Lagos war denn auch einiges los. Schimpfende, schlecht gelaunte Schweizer stampften durch die Gassen, touristische Betriebsamkeit und Partystimmung bis in die Morgenstunden.
Für uns gab es einiges zu tun. Schon in Faro hatten wir in Erfahrung gebracht, dass es von Lagos nach Sevilla einen direkten Bus gibt, der auch Fahrräder transportiert, nur müssen diese in einen Plastik verpackt werden. So vertrieben wir uns die Zeit, geeignete Plastikfolie zu suchen. Zwar wird das vom Busunternehmen verlangt, aber niemand kann einem sagen, wo man das geeignete Ding kaufen kann. Unser erster Weg ging in die Velowerkstatt. Der Besitzer war ein älterer „Chlütteri“, der kaum eine Ahnung von einem modernen Fahrrad hat, verschwiegen von einer Verpackung. Die Erfahrung damals in O Grove mit einem ähnlichen Betrieb, hat uns skeptisch gemacht. Einen Do-it-yourself-Laden, wo man Meterware hätte kaufen können, gibt es nicht. Schliesslich schickte man uns in den Supermercado. Ausser Gemüse, Früchte und Haushaltprodukte gab es dort nichts Derartiges zu kaufen. Schliesslich versuchten wir unser Glück bei Lidl. Nada! Wir kamen jedoch auf die Idee zwei Rollen 120 l Kehrrichtsäcke zu kaufen und selbst etwas damit zu basteln. Schon standen wir vor dem nächsten Problem, wir brauchten noch starkes Klebeband und Schnur. Bei Lidl nicht erhältlich und niemand weiss, wo man das kriegen könnte. Auf unserem Fussmarsch zurück ins Zentrum kamen wir an einem Chinesenladen vorbei. In diesen Läden kriegt man einfach alles, von Glühbirnen über Kleider bis zu Markern, und das zu jeder Tageszeit und 7 Tage die Woche. Dort konnten wir sogar zwischen verschiedenen Qualitäten von Klebebändern und Schnüren auslesen. So fanden wir doch noch alles Gewünschte, aber der Tag war vorbei, ohne dass wir die Stadt gesehen hatten. Das war nicht weiter schlimm, denn wir wussten, dass wir zwei Tage später wieder hier sein werden.

Die Partystimmung in Lagos hatte uns den Schlaf geraubt. Zudem waren unsere Räder in einer Garage eingeschlossen, die erst um 8:00 h morgens ihre Tore öffnet. Schon um 7:30 h zogen wir durch die Gassen, auf der Suche nach einer geöffneten Kaffeebar, für ein kleines Frühstück. Ist ja klar, wenn die Lokale bis in die Morgenstunden geöffnet sind, bleiben sie früh morgens geschlossen. Also für uns lief vor 8:00h gar nichts und wir starteten relativ spät auf unsere letzte Etappe Richtung Westen. Erst folgten wir der Küstenstrasse, durch einige Ferienorte, ob schön oder nicht, darüber kann man geteilter Meinung sein. Vieles ist in englischer Hand, auf den Speisekarten wird „English Breakfast“ angeboten. Die Natur jedoch ist einzigartig, Steilküste, dazwischen sandige, saubere Buchten, wie im Ferienkatalog.

Steie Küste – steile Strassen

Je weiter wir nach Westen kommen, desto mehr verändert sich das Landschaftsbild von fruchtbar bis karg. Der raue Atlantikwind lässt nur noch niedere Wacholder- und Ginstersträucher gedeihen.
Erst war das Cabo Sao Vicente, die südwestlichste Spitze Portugals unser Ziel.

Die Hoffnung, dort endlich einmal einen schönen rot-weiss gestreiften Leuchtturm fürs Fotoalbum zu finden, war schnell erloschen. Dafür gab es einen Wurststand mit echten Thüringer Bratwürsten und man spricht bayrisch! So gut!

Einzig wegen einer deutschen Bratwurst sind wir 4009 km durch die Schweiz, Frankreich, Nordspanien und Portugal geradelt! Die Temperaturen waren so hoch, dass es uns beim Geruch der gebratenen Würste, fast übel wurde. Wenn schon Bratwürste, dann Schweizer Würste, an einem schattigen Plätzchen im Alentejo! So fuhren wir die 6 km wieder zurück nach Sagres. Der Ort ist ein chaotisch zusammen gewürfelter Häuserhaufen, jedoch geschichtsträchtig. Auf einer Landzunge steht eine mächtige Festung, wo früher Heinrich, der Seefahrer das Sagen hatte. Es war sozusagen das wissenschaftliche Zentrum der Entdecker.

Hier versammeltes sich Gelehrte aus dem Mittelmeerraum für einen Wissensaustausch.

Heinrich der Seefahrer

Faszinierend an diesem Ort sind die Steilküste und die Badebuchten. So hatten wir uns die Algarve vorgestellt.

Algarve wie im Ferienkatalog

Nun hatten wir die ganze Algarve von Ost nach West, teils entlang der Küste, teils im Hinterland durchradelt. Auf dem kürzesten Weg, auf der Nationalstrasse, kehrten wir nach Lagos zurück, um erstmals einige Tage „Ferien“ zu machen und all unsere Eindrücke von Portugal setzen zu lassen, bevor wir nach Andalusien weiter ziehen.

Strandpromenade in Lagos

Dieses Mal wählten wir in Lagos eine Pension, wo uns unsere Räder jeder Zeit zur Verfügung stehen und wo man nachts von der Partystimmung verschont bleibt.
Lagos ist einer der ältesten Städte in der Algarve. Die Pläne, die in Sagres geschmiedet wurden, wurden hier in die Tat umgesetzt. Von Lagos aus sind die Karavellen und Expeditionsflotten zur Entdeckung der Weltmeere ausgelaufen und mehrere Seeschlachten sind hier ausgetragen worden. Die Entdeckungsfahrten hatten aber auch eine dunkle Seite für Lagos gebracht. Hier kamen die ersten Schwarzafrikaner an, die als Sklaven öffentlich versteigert wurden.

Unterr diesen Arkaden wuren die Preise für die Sklaven ausgehandelt.

Der Dreieckshandel zwischen Portugal, Afrika und Südamerika kam ins Laufen. Schiffe, mit Glasperlen, Stoffen und Waffen beladen, verliessen Portugal Richtung Afrika und die Ware wurde dort gegen Sklaven eingetauscht. Im zweiten Schritt verkaufte man diese Menschen mit Gewinn nach Amerika. Dafür brachte man Zucker, Kaffee, Kakao, Gold und Edelsteine nach Portugal zurück. Die ersten Sklaven kamen vor Allem aus Zentral- und Westafrika. So ist es nicht ohne Grund, dass die Hauptstadt von Nigeria lange Zeit Lagos hiess.

Portugal, das Land der Abermillionen von Pflastersteinen, hatten wir total unterschätzt. Um ehrlich zu sein, war es ein Stiefkind in unserer Vorbereitung. Wir hatten uns mehr mit dem Jakobsweg und Spanien auseinandergesetzt. Portugal war für uns Douro-Tal, Porto, Lissabon und Algarve. Nun haben wir alles schöne Dazwischenliegende gesehen und erfahren. 1630 km sind wir von Nord bis Süd, kreuz und quer durch das Land gefahren, dazu kommen noch 390 km per Schiff, Bus oder Auto.
Seit Lissabon ist das Wetter stabil und immer wärmer, wenn nicht heiss, geworden. Der Blick am Morgen aus dem Fenster ist längst nicht mehr spannend. Jeden Tag scheint die Sonne, von früh bis spät und man sucht den Schatten. Von der portugiesischen Gastronomie sind wir begeistert. Ob im Norden oder Süden, ob Fisch oder Fleisch, alles war frisch und delikat zubereitet. In Frankreich erfreuten wir uns an den ersten Erdbeeren, in Nordspanien an den ersten reifen Kirschen und nun steht uns die ganze Palette an sonnengereiften Früchten zur Verfügung.
Sprachlich haben wir uns schliesslich gut durchgeschlagen. Mit wenigen portugiesischen Wörtern, wie: Obrigado, faz favor, bom dia, boa tarde, boa noite konnten wir manchem ein Lächeln entlocken oder wir bekamen sogar ein Kompliment, dass wir gut Portugiesch sprechen würden. Junge Leute, selbst im hintersten Alentejo, sprechen oftmals Englisch, die älteren Leute Französisch. Ab und zu gab es auch ein Sprachengemisch, aber man verstand sich.
Für uns ist klar, wenn wir auswandern würden oder müssten, Portugal würde auf der Favoritenliste an oberster Stelle stehen. Die Lebenskosten für uns sind tief. Wir wüssten auch in welche Region wir ziehen würden, ins fruchtbare Hinterland, unweit von Nazaré, dort wo die Mönche des Alcopaça Klosters eine Vielfalt von Obstbäumen kultiviert hatten und wo wir Hannelore und Andrea aus Köln getroffen haben.

Kreisel zu unseren Ehren!

Porto – Ovar 51 km
Ovar – Praia de Mira 63 km
Praia de Mira – Buarcos 45 km
Buarcos – Coimbra 54 km
Coimbra – Ansiao 41 km
Ansiao – Tomar 47 km
Tomar – Porto de Mos 74 km
Porto de Mos – Nazare 28 km
Nazare – Peniche 69 km
Peniche – Ericeira 58 km
Ericeira – Sintra 39 km
Sintra – Cabo de Roca – Sintra 38 km
Sintra – Lissabon 29 km Zug

Wir verliessen Porto, auf schwindelerregender Höhe, über den oberen Stock der Ponte Dom Luis I, kämpften uns durch den Verkehr des geschäftigen Vila Nova de Gaia und suchten im Strassengewirr nach unserem Weg. Obwohl zwei Autobahnen und eine Nationalstrasse, Richtung Süden, nach Lissabon führen, war unsere Nebenstrasse recht verkehrsreich. Über die sieben Berge von 70 m auf 300 Höhenmeter und wieder abwärts, führte eine schlechte, löchrige Strasse nach Ovar, durch stark besiedeltes Gebiet. Ovar weist keine grossen Besonderheiten auf, ausser dass viele kleine Kapellen das Ortsbild zieren.

Die Hauptattraktion im Dorf ist die sakrale Kunst. In der Kirche wird auf Azulejos zum Beispiel der Kreuzgang Jesu dargestellt. Azulejos sind meist in blau-weiss glasierte Kacheln, auf denen religiöse, pflanzliche oder Motive aus dem Alltag dargestellt werden und haben einen maurischen Ursprung.

Azulejos

Ab und zu sind ganze Kirchen – oder Häuserfassaden damit verkleidet. Typisch für Portugal, und ganz besonders in Ovar, sind die in allen Farben und Mustern gekachelten Häuserfassaden.

Plättli, Plättli ….. Plättli

Man hat den Eindruck, dass in diesem Ort in den letzten Jahren viel getan wurde, um an Attraktivität zu gewinnen, liegt doch der Ort nur wenige Kilometer vom Meer mit Sandstrand entfernt. Über die Ortgrenze hinaus ist die kulinarische Spezialität, das Pao-de-Lo“ bekannt. Das süsse Gebäck wird aus 18 Eigelb (!), 4 Eiweiss, 250 g Zucker und 60 Weizenmehl hergestellt.

Meteo Portugal prophezeite für den heutigen Tag von morgens bis abends dunkle Wolken. In der Nacht regnete es ergiebig. Als Belohnung, für unsere Mühen am Vortag, lag eine topfebene Etappe vor uns. Auf einer ca. 7 km breiten Lagune folgten wir der Strasse Richtung Süden, links von uns eine Art Wattenmeer, rechts von uns Ackerland, Pinienwälder und Villen. Noch heute liegen am Ufer des „Wattenmeeres“ einige Moliceiros-Boote die noch für ihre ursprüngliche Bestimmung eingesetzt werden. Es sind kiellose und flach gebaute Boote, mit einem auffällig hochgezogenen, buntbemalten Bug, mit denen man Algen, Schilf und Seetang sammelt, um damit das Ackerland auf natürliche Weise zu düngen.

Die dunklen, grauen Wolken an diesem Morgen, verliehen dem Wattenmeer eine geheimnisvolle, mystische Stimmung.
In Torreiro machten wir dann einen Abstecher an die Silberküste, wie der kilometerlange, weisse Sandstrand genannt wird. Trotz schlechter Prognose kamen dort die ersten Sonnenstrahlen zum Vorschein. Der Badeort Torreiro entlockte uns kein wirkliches Ah und Oh. Die vielen geschlossenen Ferienwohnungen lassen erahnen, dass da in der Hochsaison einiges los sein muss.

Noch menschenleeres, verschlafenes Nest

Nach einer kurzen Kaffeepause wandten wir uns wieder dem Velofahren zu. Kurz vor Sao Jacinto, wo wir mit der Fähre nach Gafanha de Nazaré übersetzen mussten, waren Angelruten an Angelruten zu sehen. Es war Samstag und die Hobbyfischer waren an der Arbeit.

Nach Gafanha de Nazaré, wo wir wieder einmal eine Ehrenrunde drehten, bevor wir die richtige Strasse fanden, fuhren wir, immer in Sichtweite mit dem Atlantik, durch Agrarland und Wohnquartiere. Vor jedem dritten Haus sass ein Mütterchen unter einem Sonnenschirm und bot frische Kartoffeln, Knoblauch und Bohnen zum Verkauf an.

Die dunkelgrünen Rasen in den Vorgärten der noblen Villen wurden bewässert und die Wiesen waren nicht mehr saftig grün, sondern dürr und braun. Wir vermissten Traubenstöcke und Gemüsebeete.
In Fischer- und Badeort Praia de Mira machten wir für heute Feierabend. Auch dieser Ort ist geprägt von Ferienwohnungen und Hotels, die ohne grosse Planung wild gebaut wurden. Die Küste aber ist einen Besuch wert. Die ersten Sonnenanbeter lagen bereits im Sand. Erstmals schlenderten wir barfuss im kühlen Atlantik, den Strand entlang, bis wir auf eine Menschenmenge und einige Traktoren am Strand aufmerksam wurden.

es isch nöööd chalt!

Mit Seilwinden an den Traktoren wurden die Fischernetze aus dem Meer gezogen. Die Netze waren voll von Sardinen, die gleich am Strand nach Grösse sortiert wurden. Die Unbrauchbaren wurden wieder ins Meer geworfen, was Kolonien von Möwen anzog. Noch in den 1980-er Jahren wurden die Netze von Ochsen aus dem Meer gezogen.

Der folgende Morgen begann sonnig und warm. Die Regenjacke war für einmal nicht griffbereit, sondern tief im Gepäck verpackt. Eine Schicht am Körper genügte. Durch einen Pinien- und Eucalyptuswald, der die Dünen befestigt, fuhren wir erst einsam und allein Richtung Süden. Bei dem Duft, den der Wald ausströmte kam man fast ins Träumen. Als die Dörfer wieder dichter aufeinander folgten, nahm auch der Verkehr zu und es war aus mit der Träumerei. Heute wurden am Strassenrand nicht Kartoffeln angeboten, sondern, für uns zu Spottpreisen, Kirschen.

Amerika schickte dann doch noch einige graue Wolken nach Europa, aber es blieb weiterhin warm und trocken.
Als uns das Verkehrsaufkommen mehr und mehr nervte, fanden wir eine gute Lösung um nach Figueira da Foz zu kommen. Wir machten aber die Rechnung ohne den Wirt. Wer den geringsten Widerstand meidet, der muss meistens dafür büssen, so auch wir. Verwöhnt von zwei Flachetappen, scheuten wir die Höhenmeter über das Cabo Montego. Auf unserer Karte war eine Autostrasse, entlang der Küste, um das Kap herum, eingezeichnet, also die richtige Strasse für uns. Es handelte sich aber um einen besseren Wanderweg, der auch einiges an Höhenmeter zu bieten hatte und so mussten wir uns mit Fahrrad schieben abmühen.

Unser Weg durch einen Steinbruch.

Schliesslich beschlossen wir, nicht wie geplant, nach Figueira da Foz zu fahren, sondern im benachbarten, ruhigen Fischerdorf zu bleiben. Wir fanden denn auch gleich ein Zimmer mit „Vista al Mar“ und grossem Balkon, bestens geeignet, um Wäsche zu trocknen.

Am nächsten Morgen ging es weiter, der Strandpromenade entlang, nach Figueira da Foz (Feigenbaum an der Flussmündung). Der Rio Mondego mündet hier in den Atlantik, aber mit Feigenbaum an der Flussmündung hat der Ort nichts mehr am Hut. Hohe Appartementhäuser säumen die Strandpromenade. Der weisse Strand ist bis zu 1000 m (!) breit und im Sommer sonnen sich hier hauptsächlich Badegäste aus Spanien.

Nach zwei Tagen Seeluft, fuhren wir heute wieder ins Landesinnere, entlang des Rios Mondego. Wir wunderten uns immer wieder, wie viel Reis in Portugal auf der Speisekarte steht und fragten uns, ob dieses Nahrungsmittel auch im Land angepflanzt wird. Heute wurde unsere Frage beantwortet, denn wir radelten durch grosse Reisfelder im breiten Tal des Rios Mondego nach Coimbra.

Das ist die dritte Stadt mit einer Tugend. Nach Beten und Arbeiten folgt nun Studieren. Die Stadt verfügt über die älteste Universität im Lande mit einer berühmten, barocken Bibliothek. Ca. 50 000 Studenten studieren hier an den verschiedensten Fakultäten und geben der Stadt einen lockeren Touch. Die Stadt ist terrassenförmig an den Hang geklebt, in der Flussschleife des Rios Mondego. Unten am Flussufer, in den engen Gassen sind die Geschäfte, Cafés und Restaurants, oben auf dem Hügel thront die Universität.

Strassenmusikanten, Gaukler und Advokatenbüro’s gehören zum Strassenbild.

Chunsch nöd drus – schtudiersch eifach Jus!

Über die Brücke Santa Clara verliessen wir mit hohem Adrenalinspiegel, die Stadt im Morgenverkehr, bis wir sicher auf der richtigen Strasse waren. Es ging auch gleich wieder steil bergan. Beim Montieren des Gepäckes an die Velos, ist uns aufgefallen, dass an Armins Satteltasche eine Schraube fehlte. Warum ist eigentlich immer Armins Material defekt? Für den Moment befestigten wir die Tasche zusätzlich mit einem Gummiseil, die gute Lösung war es aber nicht. Deshalb suchten wir nach einigen Kilometern eine Werkstatt, aber weit und breit gab es nichts Derartiges. Zum Glück hatten wir noch zwei Schrauben dabei, die wir mit Armins neuer Trinkflasche erhalten und nicht weggeworfen hatten. So wurde auf einem Trottoir der ganze Inhalt der Satteltasche ausgebreitet und das „Corpus delicti“ repariert.
Es schien eine Hügeletappe übers Land zu werden. Nach einigen Kilometern auf einer Schnellstrasse bogen wir ab in eine ruhige Strasse, die uns durch das Tal von Rabaçal führte. Im ganzen Land ist der Käse aus dieser Gegend bekannt. 20 km rollten wir durch das wilde Tal mit Olivenbäumen, Weinreben, blühendem Mohn und wohlduftenden Lindenblütenbäumen bis nach Anziao, einem freundlich wirkenden Provinzort, ohne grosse Geschichten und Sehenswürdigkeiten.

Doch in der Pension wurde deutsch gesprochen. Der Besitzer lebte einige Jahre in Deutschland. Da nicht nur unsere Muskeln in den letzten drei Monaten gewachsen sind, sondern auch unsere Haare, brauchten diese dringend eine Verkürzung. Der Wirt empfahl uns gleich die Coiffeuse von vis-à-vis – sie spreche ebenfalls deutsch. Selbstverständlich hatte sie Zeit für uns. Sie fragte nicht lange, wie die Frisur aussehen sollte. Sie band den Frisiermantel um, dass es einem fast würgte und nahm die Schere zur Hand. Anschliessend wurde alles stromlinienförmig nach hinten geföhnt (auch bei Armin). Innert 45 Minuten waren wir beide frisch geschort und das Ganze kostete zusammen Euro 18.00. In dieser kurzen Zeit erfuhren wir viel über ihr Leben. Sie erzählte uns, dass sie in Deutschland, in Erbach, zusammen mit dem Wirt, aufgewachsen sei, hätte dort die Schule besucht und die Ausbildung als Hairstylistin gemacht. Wie vom Vater befohlen, heiratete sie einen Portugiesen und kehrte nach Portugal zurück. Nun hat sie einen lieben Mann, Haus und Garten, selbstverständlich mit Gemüse, Hühnern für die Eier und Kaninchen fürs Fleisch. Der Olivenbaum hätte letztes Jahr über 100 l Olivenöl hergegeben, also wahre Selbstversorger, wie das in Portugal noch so üblich ist. Die deutsche Gemeinde Erbach ist eine Partnergemeinde von Anziao. Jedes Jahr kommen aus Deutschland einige Gäste und trinken ihren Kaffee oder ihr Bier im Café Erbach.

Mit aerodynamischer Frisur und dank einem übersehbaren Provinzort verliessen wir Anziao mit tiefem Adrenalinspiegel. Gemütlich ging die Fahrt weiter durch das schöne Tal. Bald war es aber mit der Gemütlichkeit vorbei, denn unsere Lungen und Muskeln wurden, wegen einer Steigung durch eine ruppige Schlucht, hinauf auf den Berg, gefordert. Anschliessend konnten wir uns auf dem weiteren Weg nach Tomar erholen. Dort wartete ein weiteres Weltkulturerbe auf uns. Auf dem Berg über dem Rio Nabao thront das Convento de Christo und das dazugehörige Castelo dos Templarios.

Verschiedene Stilrichtungen der portugiesischen Baukunst sind dort vereint und wechseln von der Romantik über Gotik bis zur Renaissance. Das Aquädukt transportierte auf 180 Bögen das Wasser zum Kloster.

Zum Aquädukt zeugen zusätzlich sieben Kreuzgänge von der Bedeutung und dem Reichtum des Templerordens, der 1320 in den Christusorden umbenannt wurde. Für diesen Orden war denn auch Tomar das Zentrum in Portugal. Wir begegneten diesem Orden auf dem ganzen Jakobsweg durch Frankreich und Spanien immer wieder. Der Templerorden tat viel für den Schutz der Pilger, kämpfte erfolgreich gegen die Mauren und erhielt dafür von den europäischen Königshäusern viel Geld und Grundstücke und häufte in ganz Europa riesige Schätze an. Dadurch wurde der Orden zu mächtig und gefährlich. Der französische König vernichtete schliesslich diesen Orden.

Am nächsten Tag setzten wir unsere Fahrt weiter fort wieder Richtung Westen. Wir verliessen das fruchtbare Tal des Rios Nabao und stiegen Höhenmeter um Höhenmeter hinauf in eine karge Bergwelt. Unser Zwischenziel für den heutigen Tag war Fatima. Für Portugal ist es die heiligste Stadt und nach Lourdes der wichtigste katholische Marienwallfahrtsort. Im Pilgerort gibt es fast ausschliesslich Souvenirläden, Pensionen, Hotels, Parkplätze und Kirchen. Inmitten in diesem Sammelsurium protzt der grösste Kirchenplatz der Welt. Bis zu 200 000 (Auto)-Pilger finden auf diesem 400 m x 160 m grossen Platz, Raum.

Mit der Ausrufung der Republik in Jahr 1919 endete die entkräftete Monarchie und mit ihr die Macht der Kirche. Man brauchte dringend ein Wunder, wenn möglich ein himmlisches. Am 13. Mai 1917 ging der Wunsch der Gottesmänner in Erfüllung. Drei Hirtenkinder, Lucia, Francisco und Jacinto, hüteten ihre Herde unweit von Fatima entfernt. Um die Mittagspause sahen sie plötzlich ein gleissendes Licht und über einer Steineiche erschien ihnen eine weisse Dame, die sich als Maria, Mutter Gottes, ausgab. Die Dame gab den Kindern drei Weissagungen auf den Weg:
1. Gott werde zwei der Kinder bald zu sich rufen und sich des dritten bedienen um den rechten Glauben zu verkünden.
2. Mit Busse und Gebet könne Russland vor einer heidnischen Zukunft bewahrt werden. Die Welt werde schreckliches erleiden, sollte das Zarenreich nicht zum Katholizismus finden.
3. Die letzte Weissagung lag bis ins Jahr 2000 im Tresor des Vatikans. Nur der Papst und die Nonne Lucia wussten um deren Inhalt Bescheid.
Diese Erscheinung soll sich von Mai bis Oktober, immer am 13. wiederholt haben. Noch heute findet, von Mai bis Oktober, immer am 13. des Monats, ein Riesenfest statt, zudem Tausende von Pilgern aus aller Welt anreisen. Im Jahr 2000 wurde das Geschwisterpaar Jacinto und Francisco vom Papst selig gesprochen. Sie starben, wie prophezeit, im Kindesalter. Die Klosterfrau Lucia starb 2005 97- jährig in einem Kloster in Coimbra. Sie trat mit 14 Jahren ins Kloster ein und legte im Alter von 21 Jahren ihr Gelübde ab. Die dritte Weissagung bezog sich auf das Papstattentat im Jahr 1981.

Uns jedenfalls lud der Ort nicht zum Verweilen ein, zu viel Kommerz und Kitsch. Nach einem kurzen Fotostopp machten wir uns weiter auf dem Weg. Auf unserem 3000sten selbstgefahrenen Kilometer mussten wir nochmals kräftig in die Pedalen treten. In Alvados empfahl uns unser Veloführer eine alternative zur Hauptstrasse mit einer „leichten“ Steigung und einer anschliessenden Traumabfahrt. Als wir jedoch die „leichte“ Steigung sahen, machten wir rechts umkehrt und fuhren auf der Hauptstrasse nach Porto de Mos. Nach fast 1000 Höhenmetern an diesem Tag brauchten wir diese Herausforderung nicht mehr. In dem freundlich anmutenden 4000-Seelendorf wartete ein sauberes, gepflegtes Hotel auf uns. Nur das eher betagte Besitzerpaar war verbittert. Die Geschäfte laufen schlecht, in der Nachbarschaft schliessen die Läden und die Bars, weil niemand mehr Geld habe. Er selbst habe auch kein Geld mehr, könne sich keine Angestellten mehr leisten und würde sich eigentlich gerne zur Ruhe setzen, aber der Sohn habe kein Interesse an seinem Lebenswerk. Da sein Restaurant längst geschlossen ist, fragten wir ihn nach einem Tipp für unser Nachtessen. Er konnte uns keines mehr angeben, alle seien geschlossen. Wir fanden dann doch noch eine kleine Ecke, wo wir etwas zwischen die Zähne bekamen. Das Einzige, was das Dorf zu bieten hatte, war ein ungewöhnliches Castelo aus dem 15. Jahrhundert, hoch oben auf einem Hügel. Die Türme sind mit grünen Dächern bedeckt und verleihen dem Gebäude ein märchenhaftes Aussehen.

Nachts konnten wir schliesslich noch an der Freude Portugals über den Fussballsieg gegen Tschechien teilnehmen. Vor dem Hotel versammelte sich eine grosse Menschenmenge, die Autos fuhren während einer Stunde hupend im den Kreisel rundum und ein riesiges Fest bahnte sich an.

Die karge Bergwelt liessen wir hinter uns und fuhren wieder dem Meer entgegen. Als wir so erholsam bergab radelten, wurden wir plötzlich in deutscher Sprache gegrüsst. Wir hielten an und liessen uns von Hannelore und Andreas zu einem Plauderstündchen und einer Erfrischung einladen. Sie waren vor fünf Jahren von Köln hierher gezogen. Es war interessant, einiges über das Leben in Portugal zu hören und es hätte noch viel zu erzählen gegeben, aber schliesslich wollten wir noch unser Ziel Nazaré erreichen.

Wir bleiben in Kontakt

Das sind jedoch die Momente, die immer wieder unsere Reise bereichern. Nach dem Abschied durchquerten wir eine abwechslungsreiche und fruchtbare Gegend. Die Zisterziensermönche aus dem Kloster in Alcobaça bewirtschafteten einst intensiv diese fruchtbaren Böden mit einer grossen Vielfalt an Obstbau, Wein, Oliven- und Orangenbäumen.

Schon bald war der Wegweiser nach Nazaré in Sicht. Das ist wohl der bekannteste Fischerort in Portugal und liegt am Ende einer Bucht, direkt unterhalb eines, im Meer stehenden Riffs. Das „Dorf“ besteht aus zwei Ortsteilen, das Fischerdorf in der Bucht und Sitio, dem Dorf auf dem Riff. Von Dörfern kann zwar keine Rede mehr sein. Längst wurden die beiden Ortsteile zusammengebaut. Ausserdem verbindet eine Standseilbahn die beiden Ortsteile miteinander.

Zwischen Sitio, dem Wohnort der reicheren Fischern und der ärmeren Bevölkerung im unteren Ortsteil besteht immer noch eine gewisse Rivalität. Früher durfte kein Junge in das jeweils andere Dorf einheiraten. Trotz frischem Atlantikwind war das Wetter so schön, das Hotel unserer Wahl so einladend, dass wir beschlossen zwei Nächte hier zu verbringen.
Die geschäftstüchtigen „alten“ Frauen (vielleicht sind sie sogar jünger als wir) sind heute noch mit ihren traditionellen Kleidern bekleidet. Die eher kleingewachsenen Frauen tragen verschiedene Röcke übereinander, knapp bis zu den Knien reichend, darüber eine Schürze mit einer grossen Masche auf dem Po. Oben hüllen sie sich in eine Art wollenen, gestrickten Poncho und auf dem Kopf tragen sie ein kunstvoll gebundenes Kopftuch. Mit den vielen Röcken sehen sie aus wie kleine Kugeln. Sie sitzen überall am Strassenrand und verkaufen verschiedene Nüsse, mehr oder weniger guter Qualität, oder auf Tafeln bieten sie für die Touristen ihre Privatzimmer an.

Wir liessen uns von der Standseilbahn nach Sitio hinauf transportieren, um dort die herrliche Aussicht über Nazaré und die Küste zu geniessen.

Kaum dort oben angelangt, wurden wir bereits von den Verkäufern der Souvenirläden in Beschlag genommen und bearbeitet.

Am folgenden Morgen hatte Chef Meili seinen Kopf auf „fürsi trampe“ programmiert. Also kein Problem, dann „Chopf abe und trampe“. Aber als ich dann schon fast wie ein getrockneter Bacalhau auf meinem Velo sass, schalteten wir doch noch eine Pause im hübschen Städtchen Obidos ein. Der Ort liegt auf einem Hügel, umgeben von einer Stadtmauer.

Wir schoben unsere Räder durch das Tor in der Stadtmauer, durch die engen Gassen mit den weissgekalkten und Blumen geschmückten Häusern.

Nach einer Erfrischung im Schatten eines Strassencafés setzten wir unsere Fahrt fort Richtung Peniche. Dieser Ort liegt auf einer flachen, felsigen Halbinsel, die weit in den Atlantik hinaus ragt und über einen bedeutenden, hoch professionellen Fischerhafen verfügt. Von hier werden auf hoher See tonnenweise Sardinen gefangen und im Ort auch gleich verarbeitet. Die Sardinenfabriken sind denn auch nicht zu übersehen.
Während sich die Fischer dem Fischfang widmen, stellen ihre Frauen zu Hause, wie in Le Puy-en-Velay in Frankreich, die kostbaren Klöppelspitzen her.

Ein mächtiges Fort grenzt die Altstadt zum Meer hin ab. Im zweiten Weltkrieg wurde es von den Deutschen und Österreichern als Kaserne benutzt. Während der Diktatur Salazars war es eines der berüchtigtsten Gefängnisse für Regimekritiker. Heute ist es ein Museum.

Unser erster Eindruck bei der Fahrt durch den Vorort, liess uns erst die Nase rümpfen. Billiger Retortentourismus mit vielen Bausünden entlockten uns keine Begeisterung.

Der wolkenlose Himmel, die steile Küste mit den bizarren Felsformationen, die magere Flora vom Atlantikwind zerzaust und das türkisfarbene Meer liess dann doch noch das eine oder andere Lob aufkommen.

Bis wir geduscht und uns etwas ausgeruht hatten, war es denn auch schon vorbei mit dem wolkenlosen Himmel. Wir trauten unseren Augen kaum. In dieser kurzen Zeit war der Himmel grau bewölkt und ein kalter bissiger Wind blies uns um die Ohren. In einem geschützten Beizli am Hafen wollten wir uns ein Glas Weisswein zum Apero genehmigen, rechneten aber nicht damit, dass wir gleich zwei Blumenvasen voll davon serviert bekommen – und das auf nüchternen Magen! Leicht torkelnd suchten wir für unser Nachtessen ein Restaurant im Hafenquartier. Wer die Wahl hat, hat die Qual. Zum Arroz tamboril (Reis mit Fisch), was inzwischen zu unserer Leibspeise geworden ist, tranken wir nochmals ein Glas Wein, dieses Mal in Normalgrösse, und dazu viel Mineralwasser. Armin wollte eigentlich noch die Weiterreise vom nächsten Tag mit mir besprechen. Bis er sich umdrehte, war ich bereits in den Tiefschlaf gefallen. Das ist eben so, wenn man einem beinahe austrocknen lässt!

Bei Armins Kopf hatten wir heute eine andere Diskette eingelegt und es ging wieder etwas gemächlicher vorwärts. Peniche lag tief im Nebel und ein kräftiger Fischduft lag über der Halbinsel. Wir bedauerten unser Weggehen also nicht. Eine kräfteraubende Strecke lag vor uns. Eine 120 m hohe Küstenlinie, die immer wieder von kleinen Flüsschen unterbrochen wird, liess unsere Etappe zur „Obsi-Nitzi“-Tour ausarten. Die Strasse führt durch eine fruchtbare Küstengegend, wo intensiver Ackerbau betrieben wird. Die fleissigen Bauern bauen Wein, Birnen, Pfirsiche und Melonen im grossen Stil an. Das Korn ist bereits golden und reif für die Ernte. Alte Windmühlen gehören noch überall zum Ortsbild.

Schliesslich schafften wir es doch noch, unser selbstgesetztes Tagesziel in Ericeira zu erreichen. Hier befindet sich einer der besten Surfstrände Europas und hat unter Wellenreitern einen glanzvollen Namen. Wegen der schönen Badebuchten an der zerklüfteten Felsküste ist es auch für Lissabonner ein grosser Anziehungspunkt. Die Altstadt ist noch erhalten geblieben, aber rund herum haben sich grosse Appartementhäuser mit Zweitwohnungen für die Bewohner aus der, nur ca. 50 km entfernten Hauptstadt, breit gemacht. Die hübschen Altstadthäuser sind weiss-blau gestrichen, ähnlich wie auf Griechenlands Kykladeninseln.

Alles Mögliche an Meeresgetier steht hier auf der Speisekarte, natürlich alles frisch aus der See.

Von Ericeira machten wir einen Abstecher in Landesinnere, ins ca. 10 km entfernte Städtchen Mafra, im Nordwesten Lissabons. Es wird von einem, von weitem sichtbarem Nationalpalast, dem Palacio e Convento de Mafra dominiert, der grösser ausgefallen ist als sein spanisches Pendant, dem El Escorial in Madrid.

In dem Bauwerk sind Basilika, Palast und Kloster vereinigt. Betrübt über den noch fehlenden Nachfolger, legte König Joao V. auf den Vorschlag eines Mönches, das Gelübde ab, ein Kloster zu errichten, falls innert Jahresfrist, doch noch ein Nachkomme „gelänge“. Nach drei Jahren unfruchtbarer Ehe, klappte es nun endlich, allerdings hiess das Resultat Maria Barbara. Bis zu 50 000 Arbeiter waren mit diesem gigantischen Werk beschäftigt, 4500 Türen wurden eingehängt. Die mörderischen Arbeitsbedingungen kosteten fast 2000 Menschen das Leben. Zwischen den Gemächern des Königs und der Königin lagen 250 m(!). Offenbar fühlte sich das Königspaar körperlich nicht so sehr von einander angezogen, was durchaus einer der Gründe für das Nachwuchsproblem war. Gegenwärtig wird der grosse Platz vor den Gebäuden renoviert. Strahlenförmig werden tausende, verschiedenfarbige Pflastersteine über Platz und Treppen verlegt. Kein Vergleich mit dem besseren Parkplatz in Fatima.
Nachdem wir alles besichtigt hatten, ging die kräfteraubende und vor allem schweisstreibende Fahrt Richtung Lissabon weiter. Heute war der Durst wirklich grösser als das Heimweh. Einige Liter Flüssigkeit leerten wir in uns hinein. Aber wir dürfen ja nicht jammern, lange genug tranken wir heisse Schokolade oder heissen Tee. Unse nächste Aufmerksamkeit galt Sintra, nur ca. 30 km von Lissabon entfernt. Die Gegend um Sintra gleicht einem Garten Eden. Am Fuss der 530 m hohen Serra de Sintra gibt es ein regenreiches Mikroklima. Im Sommer herrscht in dem Waldgebirge, in Sichtweite des Atlantiks, angenehme Kühle. Die üppige Vegetation gleicht einem botanischen Garten. Die Aristokratie und die reichen Leute Lissabons bauten hier ihre Sommerresidenzen und Paläste. Völlig überrascht von dem Angebot an Sehenswertem, entschieden wir spontan, gleich zwei Nächte hier zu verbringen, um am anderen Tag auf einem lockeren „Velotürchen“ uns einiges anzusehen.

Maurische Burg

Aus dem maurischen Brunnen wird heute noch frisches Trinkwasser für den Alltag in Petflaschen abgefüllt.

Palacio Nacional

Palacio de Monsrrata

Am nächsten Morgen waren wir schon früh unterwegs. Nach der Hitze vom Vortag, wollten wir von der Morgenfrische profitieren. Für einmal ohne Gepäck, mit leichten Rädern, machten wir uns auf den Weg durch den kühlen Wald bis ans karge Cabo de Roca, die westlichste Spitze Europas.

Cabo da Roca – Europas westlichster Zipfel

auch für uns

Auf dem Rückweg kletterten wir über die Hügel des Parque Natural Sintra-Cascais. In dem üppigen, grünen Wald, mit dem munteren Vogelgezwitscher und den Steinformationen fühlten wir uns wie in einer Kulisse von einem Märchen.

Im Märchenwald

Nach vielen Höhenmetern gelangten wir zum Convento dos Capuchos. In diesem einzigartigen, verträumt zwischen Felsen gelegenen Waldkloster, führten Mönche des Franziskanerordens ein karges, weltabgeschiedenes Leben.

Sie blieben ihrer Idee des Bettelordens treu und lehnten jeglichen weltlichen Besitz ab. Sie waren aber hauptsächlich an der Aufforstung des Waldes beteiligt. Nur mit dem Mönch Honorio war das so eine Sache. Er hatte einmal ein leichtes Aufflammen von Fleischeslust verspürt, als er einer schönen Frau auf der Strasse begegnet war. Daraufhin legte er sich selbst die Strafe auf, 30 Jahre in einer winzigen, höhlenähnlichen Grotte zu
büssen.
Nachdem wir diese Grotte gesehen hatten und froh waren, keine Mönche zu sein, ging die Fahrt weiter durch den Märchenwald zum Palacio Nacional de Pena, einem Königsschloss auf dem Berggipfel, das bei der Anfahrt nach Sintra nicht zu übersehen ist. Um zum Schloss zu gelangen, steigt man erst durch einen wunderschönen, üppigen Park und Wald hoch. Die weichen Typen lassen sich vom Tren turistico hinauf chauffieren. Für die Portugiesen ist das Schloss das „Neuschwanstein“ Portugals, für uns war es eine Mischung Disneyland und Märchen aus 1001 Nacht, ein aussergewöhnlicher Stilmix mit verschiedensten Einflüssen.

Palacio Nacional da Pena

Leider reichte die Zeit nicht aus, um alle Paläste in Sintra zu besuchen. Aber wer weiss, vielleicht packt uns wieder einmal das Fernweh.

Da wir weder todesmutig noch lebensmüde sind, bestiegen wir mit unseren bepackten Rädern in Sintra die S-Bahn um direkt ins Zentrum von Lissabon zu gelangen.

Estacio Central Rossio

Mit diesem Entscheid strichen wir die Ehrenrunde auf dem Formel-1-Autodromo in Estoril. Ist vielleicht besser so, sonst hätten die Formel-1-Piloten Vettel + Co. noch einen Minderwertigkeitskomplex erhalten, wenn sie uns auf ihrer Strecke hätten kurven sehen. Knapp 50 Minuten dauerte die Fahrt mit dem Zug. Kaum zu glauben, wie Leute stur sein können. Da fahren sie seit Jahren mit demselben Zug, um dieselbe Zeit, auf demselben Platz ins Stadtzentrum und eines Tages stehen zwei Schweizer Radfahrer da, versperren den Platz und schon ist der Tag verdorben. Ein Schmunzeln unsererseits war ihnen gewiss. So sind wir auf einfache Art in die vierte Stadt mit einer Tugend gereist. Nach Beten, Arbeiten und Studieren wird nun gelebt.

Wer intensiv lebt braucht auch ab und zu etwas Schlaf

Tatsächlich hat man schnell den Eindruck, dass hier das Leben gelebt und genossen wird. Es gibt kaum eine Ecke, wo kein Strassencafé steht, in dem die Leute zusammensitzen und plaudern, oder wo live Musik gespielt wird.

Wie Porto ist auch Lissabon über viele Hügel gebaut. Auf allen Seiten gibt es Aussichtspunkte, wo man über die ganze Stadt eine prächtige Sicht hat und sich bestens orientieren kann.

Gut drei Tage nahmen wir uns Zeit, uns diese lebensfrohe Stadt anzusehen. Wir kauften uns Tageskarten, um mit Strassenbahn, Metro oder Elevador etc. auf Entdeckungsreise zu gehen. Der Stadtteil Belém, etwa 7 km vom Zentrum entfernt, war unser erstes Ziel.
Von hier aus stachen die grossen Seefahrer, wie Vasco da Gama und Cabral, in die Weltenmeere und entdeckten Indien und Brasilien. Von dort kamen die Schiffe vollbepackt mit Gewürzen, Edelhölzern und Skalven nach Europa zurück. Die Seefahrergeschichte war uns denn auch einen Besuch im Schifffahrtsmuseum wert.

Sollten sich genügend freiwillige Ruderer melden, fahren wir mit diesem Boot weiter nach Tarifa!

Bemerkenswert in diesem Stadtteil ist auch das ehemalige Kloster Jeronimus.

Per Lift liessen wir uns auf den Turm „Padrao dos Descobrimentos“ bringen, von wo wir die herrliche Aussicht über die Stadt, den Rio Tejo und vor allem auf die berühmte Brücke „Ponte 25 de Abril“ genossen.

Torre de Belem – alte Hafenfestung

Wir machten eine Nostalgietour mit dem Electrico Nr. 28, der berühmtesten Tramlinie Lissabons. Das Tram fährt durch so enge Gassen, dass sich die Leute in die Hauseingänge drücken müssen, wenn das Tram vorbeikommt.

Wir besuchten den Flohmarkt „Feira da Ladra“ (Diebesmarkt). Es ist durchaus möglich, dass man hier auf Sachen stösst, die einem irgendwann einmal gestohlen wurden.

Wir stiegen über die Mauern des „Castelo de Sao Jorge“,

sahen uns unzählige Kirchen von innen an, schlenderten durch die Fussgängerzone und die Gassen, liessen uns vom Markenzeichen Lissabons, dem Elevador „ Santa Justa“

ins „Niederdorf“ Lissabons hinauftransportieren und genossen die Abendsonne auf dem Praça do Comerçio, am Ufer des Rio Tejo.

Barcelos – Braga 25 km
Braga – Guimarães 33 km
Guimarães – Lixa 28 km
Lixa – Vila Real 53 km Bus
Vila Real – Alijo 48 km
Alijo – Peso da Regua 42 km
Peso da Regua – Porto 98 km Schiff

Die Strassenbauer in Portugal waren definitiv keine Velofahrer. In den Ortszentren sind die Strassen jeweils gepflästert. So auch in Barcelos! Auf unseren revidierten Rädern holperten wir auf den unregelmässigen Pflastersteinen aus der Stadt. Mit der heutigen Etappe verliessen wir den portugiesischen Jakobsweg und wenden uns nun den weltlichen Gelüsten zu. Das nächste Ziel ist das Douro-Tal, die Mosels Portugals, mit all seinen verschiedenen Weinen. Aber dazwischen liegen noch einige Hügel.
Schon kurz vor Mittag erreichten wir Braga, eine Stadt mit vielen Gesichtern. Neue Luxusbauten fügen sich zwischen die alten Prachtbauten ein. Die Strassen sind je nach Saison geschmückt. Für jede Saison gibt es die entsprechende Dekoration.

Springbrunnen mit Wasserspielen zieren den Ort.

Die Stadt ist das religiöse Zentrum Portugals mit Erzbischofssitz und wird deshalb auch „das Rom Portugals“ genannt.

Man sagt, in Porto werde gearbeitet, in Coimbra studiert, in Lissabon gelebt und in Braga gebetet. Mit Kirchen hat man im Ort jedenfalls nicht gespart. Um jede Ecke steht ein Gotteshaus, das irgendwelchem Heiligen gewidmet ist. Am späten Nachmittag zog denn auch eine nicht enden wollende, singende Fronleichnamsprozession, samt Erzbischof unter Baldachim an unserem Hotel vorbei.

Fronleichnamsprozession

Wie King und Queen standen wir auf dem Balkon und grüssten die Menge.
Der Kontrast dazu: Im Stadtpark war eine Grossleinwand aufgestellt und wer nicht an der Prozession teilnahm, schaute gebannt auf diese Leinwand. Wir sassen in einem benachbarten Strassencafé und interssierten uns nicht für diese Leinwand, bis das Wort „Suiça“ immer wieder in unsere Ohren tönte. Als wir uns dann doch umkehrten, wurden wir gleich Zeugen, wie die Schweiz im Fussball Deutschland mit 5 : 3 schlug. Obwohl wir überhaupt kein Heimweh haben, kamen doch patriotische Gefühle auf.

Schweiz – Deutschland 5:3

Bei der Suche nach Unterkünften werden wir in Portugal immer wieder überrascht. Da verrät nur ein diskretes Schild an Haustüre, dass sich dahinter eine Pension versteckt. Im Innern verbergen sich aber wahre Bijoux. Das passierte uns auch in Braga. Der Besitzer gab uns auch Tipps für gute und preiswerte Restaurants. Er riet uns aber nur eine Portion für zwei Personen zu bestellen. Unglaublich, was uns da aufgetischt wurde.
Mit der Sprache haben wir noch unsere Mühe: Difficil! Viele Wörter werden gleich wie im Spanischen geschrieben, aber total anders ausgesprochen und so versteht uns niemand. Sehr viele Leute sprechen sehr gut Französisch und mit den Jungen kann man sich ohne weiteres in Englisch unterhalten. Dann gibt es noch Hände und Füsse, so dass wir eigentlich immer alles bekommen, was wir begehren.

Einmal mehr schafften wir es, beim morgendlichen Stossverkehr lebend aus der Stadt heraus zu kommen. Kaum wurde der Verkehr etwas ruhiger, forderten uns die Höhenmeter. Auf 4 km ging es steil bergauf zum Wallfahrtsort Bom Jesus. Beim Aussichtspunkt, unterhalb der Kirche, breitet sich ein wunderbares Panorama auf Braga aus.

Blick auf Braga

Wallfahrtskirche Bom Jesus

Verschwitzt wollten wir die Aussicht geniessen, aber erst mussten wir zum Fototermin antreten. Dieses Mal erscheinen wir in der russischen und japanischen Presse. Vom Aussichtspunkt aus verlaufen die Treppenpaare im Zickzack zur Kirche hinauf. Manchmal steigen die gläubigen Wallfahrer diese Treppen auf den Knien hinauf. Wir wählten die Strasse, und krochen „auf dem Zahnfleisch“ hoch! An den Wochenenden wimmelt es auf diesem heiligen Berg von Leuten, heute hingegen war es ruhig und friedlich.
Unser nächstes Ziel war Guimaraes, die Wiege Portugals und Kulturhauptstadt Europas 2012.

Der erste König Portugals, Dom Afonso Henriques, wurde hier in der Festung geboren.

Erster König Portugals Dom Afonso Henriques

Wegen der Wahl zur Kulturhauptstadt wird im ganzen Ort geputzt und umgebaut, so auch der Schlossgarten, der komplett neu gestaltet wurde.

Fleissig wurde da gehackt und gepflanzt. Die Stadt hat aber auch eine attraktive, gepflegte Altstadt mit vielen Strassencafés und Restaurants.

Ausserdem spielt diese Stadt auch in der Wirtschaft Portugals eine bedeutende Rolle. Ihr ökonomisches Standbein ist die Textil- und Lederindustrie. Die Umgebung ist geprägt von Fabrikanlagen mit qualmenden Kaminen. In früheren Jahren stellte die Kinderarbeit ein weiteres Problem dar, das die Behörden nur mit Mühe unterbinden konnte.
Ob in Spanien oder Portugal ist der Fernseher ein lebenswichtiges Haushaltgerät. Bevor morgens die Kaffeemaschine eingeschaltet wird, wird die Fernbedienung in die Hand genommen und die Glotze eingeschaltet, sei es in der Bar, dem Restaurant oder im Frühstücksraum wird man berieselt, ob man will oder nicht. Heute waren diese Dinger selbst draussen in den Strassencafés aufgestellt. Wir fragten uns, was los sein könnte. Seit Wochen hatten wir keinen Fernseher mehr eingeschaltet, obwohl in jeder Unterkunft, ob günstig oder teuer, einer zur Verfügung steht. Wir fanden heraus, dass die Europameisterschaft begonnen hatte, und so ist Fussball allgegenwärtig!

Auf dem Weg ins Douro-Tal, war der Ort mit dem wohlklingenden Namen Amarante unsere nächste Station. Verschiedene Strassen führen dorthin. Des bewölkten Himmels und der kühlen Temperaturen wegen, wählten wir die kürzeste Strecke, entlang der Nationalstrasse. Wir wurden aufgeklärt, dass die Autobahngebühren dieses Jahr massiv aufgeschlagen haben und die Leute deswegen die Autobahnen meiden und vermehrt auf den Nebenstrassen und Nationalstrassen fahren. Obwohl es immer wieder rücksichtsvolle und zuvorkommende Autofahrer in Portugal gibt, die uns Vortritt gewähren, haben sie unser Vertrauen noch nicht ganz gewonnen. Ein rückwärtsschauender Automobilist, der auf eine Kreuzung zu braust, wirkt nicht gerade vertrauenserweckend. Blickkontakt ist immer von Vorteil. Manches Überholmanöver lässt uns tief durchatmen. Aber heute war ja Samstag und so fehlten wenigstens die grossen Camions. Durch erstaunlich dicht besiedelte Gegenden radelten wir über die Hügel bis nach Lixa. Von hier aus wartete eine ca. 15 km lange Talfahrt nach Amarante auf uns. Doch Chef Meili bremste abrupt, so dass ich ihn beinahe gerammt hätte und entschied: „Ab jetzt nehmen wir den Bus!“ Schön, auch davon zu wissen! Von einer Gruppe umherstehender Männer liessen wir uns erklären, wo der Busbahnhof zu finden sei. Da der Name Amarante schöner tönt, als der Ort in Wirklichkeit ist, fragten wir gleich nach einer Verbindung nach Vila Real. Das beinhaltete gleich noch die folgende Etappe, bei der wir von 70 m über 1050 m hätten klettern müssen. Etwas missmutig des instabilen Wetters wegen, hatten wir beide eigentlich keine Lust für solche Kraftakte. Da der Bus erst um 15:00 fuhr, hatten wir genügend Zeit für ein ausgiebiges Mittagessen. Eine Gemüsesuppe, Poulet mit Gemüse und Reis, ein frischer Fruchtsalat, etwas Wein, Mineralwasser und je ein Kaffee entzückten unsere Gemüter. – Und das alles schlug gerade mal mit Euro 14.00 zu Buche. Da lag eine einstündige Busfahrt schon noch drin. Für das Busbillet erhielt Armin natürlich (Pilger)Rabatt, ich musste dank meiner Jugend den vollen Preis bezahlen. Die Fahrt über die 1000 m hohen Hügel weckten Erinnerungen an den O Cebreiro-Pass. Feuchter Nebel bis auf den Boden. Wir staunten nicht schlecht über den Autobahnbau in dieser Gegend. Da werden die schönsten Landschaften durch Autobahnen auf hohen Viadukten zerschnitten.

Auch hier gibt es Viadukte!

Dabei sind die Nationalstrassen schon fast zu beinahe Autobahnen ausgebaut worden.
In Vila Real angekommen, hatten wir für den Ort nicht gerade ein „Wow“übrig, aber es war ein guter Ausgangspunkt für die nächste Etappe.
Da kein Strassencafé-Wetter war, waren die Strassen und Gassen am Abend wie ausgestorben. Alles sass, wie gebannt vor dem Fernseher: Fussballmatch Deutschland – Portugal!

Fan-Gemeinde Portugals

Zum Glück für uns, hatte Portugal den Match gegen Deutschland verloren. So gingen alle ruhig und gedrückt nach Hause und johlten nicht die ganze Nacht in den Strassen umher. Niemand raubte uns den wohlverdienten Schlaf.
Bei Nieselregen starteten wir in den neuen Tag. Wir verliessen die dichtbesiedelte Gegend um Vila Real Richtung Berge. Im ständigen Auf und Ab auf ca. 700 – 800 m Höhe, galt es die letzten Höhenzüge vor dem Douro-Tal zu überqueren. Kaum hatten wir die Wasserscheide erreicht, riss die Wolkendecke auf und blauer Himmel erhellte unsere Gemüter. Im Sonnenschein sieht doch die ganze Welt viel lieblicher aus.

selbst abgebrannte Wälder

Zwar blieben wir von heftigen Regenfällen in letzter Zeit verschont, aber wir wünschten uns stabileres Wetter. Auf 7 Tage ist es zwei Tage schön und warm, der Rest ist bewölkt und kühl.

Abwärts ins Dourotal

Die rasante Abfahrt nach Alijo wurde einzig von den heftigen Seitenwindböen getrübt, die unsere volle Konzentration verlangten. Nun sind es nicht mehr imposante Bauwerke, die bestechen, sondern die Natur und die Landschaften. Alijo ist ein vornehmes, ruhiges Dorf, eingebettet in den Rebbergen. Stilvolle Herrschaftshäuser mit gepflegten Gärten prägen das Dorf. Man hat den Eindruck, die Rasen um die Häuser werden sorgfältig mit der Nagelschere geschnitten. Die hohen Platanen vor unserem Hotel sind ein geschütztes Nationalmonument.

Platanen als Nationalmonument

Sinnbild für den Weinbau

Heute hatten wir ein weiteres Highlight unserer Reise vor uns: das Unesco Weltkulturerbe Douro-Tal! Nachdem es in der Nacht nochmals heftig geregnet hatte, waren wir gespannt, was Petrus uns heute bescheren würde. Bei wechselnder Bewölkung, mit sonnigen Abschnitten fuhren wir erst einige Kilometer leicht bergan, bis nach Favaios. Kurz nach der Ortschaft stachen wir dann über die steilen Abhänge des Pinhao Tales, hinunter ins Douro-Tal. Einige Male mussten wir auf der 14 km langen Abfahrt anhalten und konnten uns an der Landschaft kaum sattsehen.

Oliven und Wein ein perfektes Duo

Abenteuerlich steile Hänge, vertikal terrassiert, prägen das Bild, und Weinkulturen, soweit das Auge reicht.

Diese Talfahrt wird ein unvergessliches Erlebnis bleiben. Den Rotwein in unserem Keller aus dem Douro-Tal werden wir künftig nur noch in ganz kleinen Schlucken geniessen und jedes Mal diese Landschaft vor uns sehen. Der Ort Pinhao, in der Talsohle des Douro-Tales ist das Zentrum der Portweinregion. Das Leben hier dreht sich hauptsächlich um den Weinanbau und die Verarbeitung zu Portwein. In diesem engen windgeschützten Talkessel sollen die Trauben fast vor Hitze kochen. Aus uns hätte man heute eher Eiswein herstellen können.
Zwischen Barca d’Alva, an der spanischen Grenze und der Mündung in den Atlantik bei Porto, schlängelt sich der Douro durch eine tief eingeschnittene Schlucht. Gemütlich folgten wir dem Lauf des Flusses, begleitet vom Duft blühender Lindenbäume, vorbei an den riesigen Quintas bis nach Peso da Regua.

Die Stadt ist hauptsächlich Verkehrsknotenpunkt, ebenfalls Handelszentrum des Portweines und wartet nicht mit monumentalen Bauwerken auf.

Sandemann wacht über der Douro-Region

Staustufe mit Schleuse Höhendifferenz 14.0m

Vor dem Bau der Staustufen im Douro in 1960 und der Regulierung des Flusses machten die Schwankungen des Wasserstandes (im Sommer war der Fluss an vielen Stellen nur 1 m tief), Stromschnellen und tückische Felsbänke den Transport der kostbaren Portweinfässer auf den traditionellen „Barcos rabelos“ zu einem riskanten Unterfangen. Angepasst an diese Bedingungen wurde der kiellose Schiffskörper der Frachtkähne breit und flach konstruiert. So konnte trotz geringen Tiefgangs eine maximale Anzahl an Fässern geladen werden. Zur Beschleunigung der Fahrt wurde ein Rahsegel aufgesetzt. Von Regua nach Porto brauchten die Kähne gut 5 Tage; flussaufwärts wurden sie eine Woche lang von Ochsen gezogen. Heute wird der süsse Wein mit Tankwagen auf dem Landweg nach Porto transportiert.
Nach Angaben unseres Führers gibt es hier Touristenschiffe, die flussabwärts nach Porto fahren. Es war schon immer unser Plan, einen Teil des Douro-Tales auf dem Schiff zu geniessen. Wir klärten ab, ob am nächsten Tag ein Schiff fahren würde. Beim ersten Unternehmen erhielten wir eine Abfuhr. Die Dame verwies uns an die Touristeninformation, die könne über alle anderen Gesellschaften Auskunft geben. Das konnten die Damen von der Touristeninformation jedoch nicht und schickten uns wieder zurück an den Hafen. Ein Matrose einer anderen Gesellschaft versicherte uns in Portugiesisch, dass sein Schiff am nächsten Tag um 11:30 h fahren würde und dass der Velotransport überhaupt kein Problem sei.

Da unser Schiff erst um 11:30 h loslegte konnten wir den Tag gemütlich angehen. Wir waren gespannt, ob unsere Schiffsreise klappen würde. Einige Zweifel bestanden immer noch, deshalb zogen wir eine leichte Velokleidung an, falls unsere Räder doch noch zum Einsatz kommen würden. Gegen 10:00 h trafen wir im Hafen ein und suchten unser Schiff. Der gut gelaunte Kapitän versicherte uns sofort, dass wir selbstverständlich mitfahren könnten und nahm unsere Räder und Gepäck sofort in Empfang. Unbeschwert hatten wir nun Zeit für einen Cappucino in der Hafenbar. Punkt 11:30 h lief das Schiff aus dem Hafen. Eine halbe Stunde später wurden wir bereits zu Tisch gebeten. Zwei Plätze waren für uns am Tisch Nr. 13 reserviert. Rechts von uns sass ein junges, borniertes „Lackaffenpaar“, das kein Wort sprach, weder miteinander, noch mit uns. Trotz dunkler Wolken am Himmel trug er während der ganzen Fahrt die Sonnenbrille. Links von uns stand auf der Tischkarte der Name Suter. Das tönt doch recht schweizerisch. Tatsächlich kamen Herr und Frau Suter aus Genf. Die 6 ½ stündige Schifffahrt war kurzweilig und wir hatten viel zu lachen und zu erzählen. Meine Bluse war denn auch bald mit Rotwein verspritzt. Am späteren Nachmittag hatte der Atlantikwind die Wolken weggeblasen und um 18:00 h abends empfing uns Porto und seine Umgebung bei schönstem Wetter.

Pousadas Nobelhotels in Portugal

Wir legten am gegenüberliegenden Ufer von Porto, im Hafen von Vila Nova de Gaia an. Dort wird hauptsächlich der Portwein vermarktet. Alle grossen Portwein-Marken haben da ihre Lagerhäuser und Degustationsräume und laden die Kunden ein, sich rote Bäckchen anzutrinken.

Portwein – Lagerhäuser

Barcas Rabelos

Die beiden Städte, Porto und Vila Nova de Gaia sind durch einige eindrucksvolle Brücken miteinander verbunden. Die Eisenbahnbrücke wurde einst von Gustave Eiffel, dem Erbauer des Eifelturmes in Paris, konstruiert.

Nachdem unser Schiff geankert hatte und wir wieder festen Boden unter den Füssen hatten, überquerten wir erstmals den Fluss über die untere Fahrbahn der zweistöckigen Brücke „Luis-1-Brücke“. Die obere Ebene ist der Metro und den Fussgängern zugeteilt, die untere dem übrigen Verkehr.

2-stöckige Eisenbrücke

Am anderen Ufer schoben wir unsere Räder durch schmale, graue Gassen hinauf in die Altstadt. Bald fanden wir ein Zimmer Richtung Innenhof, in einem Hotel mitten im Stadtzentrum. Dort wurden wir nicht von Nachtschwärmern gestört, sondern von einem Hahn, Möven und einigen Katzen.

Porto ist die zweitgrösste Stadt des Landes, eine stolze Hafen- und Kaufmannsstadt mit viel englischem Einfluss.

Torre dos Clerigos – Wahrzeichen Portos – Höchster Kirchturm des Landes 75m

6 km vor der Mündung, am Durchbruch des Douros, durch eine Felsenge aus Granit, zwängt sich die Stadt an das schmale Ufer und an den steilen Hang, terrassenförmig um die auf dem Hügel liegende Kathedrale.

Ausblick auf die Stadt von der Kathedrale

Neben Metro und Autobussen rattert ein historisches Tram durch die Strassen

Porto ist die ewige Rivalin Lissabons. Die Einwohner werden von den Lissabonern, wegen ihrer kulinarischen Spezialität, boshaft „Kuttelfresser“ genannt. Die Stadt wirkt ernst, hektisch und geschäftig.

Eikaufsmeile Rua de Santa Catarina

Nicht umsonst sagt der Volksmund, dass in Porto gearbeitet wird, währenddessen in Lissabon gelebt wird.
Die mittelalterlichen Altstadthäuser stützen sich gegenseitig, um nicht einzufallen. An den Fassaden kleben berankte Balkone, an denen die aufgehängte Wäsche flattert.

Einige Häuser wurden bereits renoviert, dazwischen stehen viele unbewohnte, baufällige Ruinen. Es gäbe noch viel zu tun! Die Stadt ist über unzählige Hügel gebaut. Auf unserem 2-Tagesmarsch durch die Stadt ging bei uns an Fitness nichts verloren.
Porto ist nicht nur wegen des Portweins bekannt, sondern auch der Kamelien wegen. Im grauen Winter blühen sie von weiss über rosa bis dunkelrot in allen Parks und Gärten.
Wie so oft in letzter Zeit, erlebten wir einen warmen, sonnigen Tag, der nächste Tag war trüb und teilweise feucht. Nun zieht es uns weiter in den Süden. Gemäss Meteo Portugal scheint dort täglich die Sonne.

Seit dem Verlassen des Pilgerweges sind die vielen Kontakte zu den verschiedensten Leuten verschwunden. Alle, die den Pilgerweg-Virus in sich haben schwärmen von der Via de la Plata. So sind wir gespannt, wen wir auf diesem Weg treffen werden.

Obwohl wir endlich das geeigneten Pedalo für die Weiterfahrt nach Tarifa gefunden haben, radeln wir auf dem Landweg unserm nächsten Ziel entgegen.

Finisterra – Muros 55 km
Muros – Noia 32 km
Noia – O Grove 90 km mit Autobus
O Grove – Pontrevedra 49 km
Pontevedra – Tui 52 km
Tui – Pomte de Lima 44 km
Ponte de Lima – Barcelos 35 km

Heute nahmen wir erstmals Abschied von den Jakobspilgern. Auf der Strasse, zurück nach Cée, riefen wir ihnen zum letzten Mal ein „Buen Camino“ zu. In Cée hielten wir zuerst Ausschau nach einem Pedalo. Wir fanden jedoch keines, das uns garantiert heil an der Costa del Morte vorbei bringen würde und vor allem gab es keinen Pilgerrabatt. Also fahren wir weiter Velo. Wir folgten der zerklüfteten Küstenstrasse, Richtung Süden, durch ein ganz anderes Galizien. Links von uns schroffe, unwirtschaftliche Berge, rechts von uns der atlantische Ozean. An der felsigen Küste kamen immer wieder kleine Buchten mit weissem Sand und türkisfarbenen Wasser zum Vorschein.

Lange Zeit blieb das Capo Finisterra, auf der gegenüberliegenden Seite des Fjords, in Sichtweite.

Letzter Blick zurück nach Finisterra

In den Dörfern, rund um die Häuser, wurde jeder fruchtbare Fleck in einen Gemüsegarten verwandelt.

In Muros, einem Fischerort mit ca. 10 000 Einwohnern liessen wir es für diesen Tag gut sein. Dieser Ort war in früheren Zeiten ein wichtiger Handelshafen für Santiago de Compostela, heute lebt er vom Fischfang. Grossartige Kulturdenkmäler gab es hier nicht zu sehen. Mit einem Spaziergang durch den Hafen und einem Nachtessen in einer Hafenkneippe war es dann auch getan.

Verschlafenes Muros

Für den heutigen Tag planten wir eine Kurzetappe. Noia, am hintersten Ende des Fjords, war unser Ziel.

Noia

Wir wollten uns Zeit nehmen, um unsere Satteltaschen zu entrümpeln und das inzwischen überflüssig gewordene Material nach Hause zu schicken. So fragten wir uns erstmals nach der Post durch und holten dort zwei grosse Kartons. Auf einer Parkbank neben der Post entleerten wir unsere Satteltaschen und füllten die Kartons. Ein weiteres Ziel war der Busbahnhof. Wir wollten abklären, ob es eine Möglichkeit gibt, mit dem Bus von Noia nach Padrõn zu kommen. Diese Etappe wäre eine ziemliche Durststrecke mit vielen Höhenmetern, ohne Dörfer mit Übernachtungs- oder Verpflegungsmöglichkeiten. Armin klärte alles wunderbar ab, während ich die Velos hütete. Heute war es für dieses Unterfangen schon zu spät, denn der Bus fährt diese Strecke nur einmal pro Tag und zwar um 10:20 h. Wir suchten uns in Noia eine Unterkunft, um am nächsten Tag diese Reise zu unternehmen. Erstmals fassten wir all unseren Mut und bestellten zum Abendessen Galiziens Nationalgericht „Pulpo a Feira. Das sind gekochte, in ca. 2 – 3 cm geschnittene, mit Olivenoel und Paprika gewürzte Krakenbeine. Von O Cebreiro bis an die Küste wurden diese Dinger angeboten. Die unappetitlichen Saugnäpfe hatten uns bis jetzt abgeschreckt. Wir mussten jedoch eingestehen, dass diese Speise sehr bekömmlich ist.
Heute Morgen beim Einräumen unserer Satteltaschen stellten wir eine erhebliche Gewichts- und Platzreduktion fest. Anschliessend suchten uns eine Bar für unser Frühstück. Wir wollten zeitig am Busbahnhof sein, das heisst spätestens um 10:00 h, falls es Schwierigkeiten mit den Rädern geben sollte. Irgendwie wurden wir von einer inneren Kraft getrieben, so dass wir schon am 9:30 h reisebereit dort standen. Obwohl wir einige Kilometer von jeglichen Pilgerwegen entfernt waren, trafen wir dort auf eine ganz neue Art von Pilger. Ein zerzauster, gesprächiger Spanier sass auf der Wartebank, mit Wanderschuhen an den Füssen und am Rucksack baumelte eine Jakobsmuschel, das Kennzeichen der Pilger. Er erzählte uns, dass er aus Südspanien stamme und während 3 Monaten und 2 Tagen auf dem mozarabischen Jakobsweg nach Santiago gepilgert sei. Er zog einige kupferne Euro-Cents aus der Tasche und jammerte, das sei sein letztes Geld. Das würde ein langer, harter Tag für ihn werden. Sein Bruder würde ihm am nächsten Tag Geld schicken. Ein Bettler-Pilger? Später wurde uns erklärt, dass es auch solche gäbe, zu Hause zwar vermögend, sich aber durch alle Pilgerwege durchbetteln und sich dann brüsten, wie günstig das Pilgern sei. Uns kam er jedenfalls suspekt vor. Während wir mit ihm im Gespräch waren, kam fast unbemerkt ein Kleinbus angefahren. Der Chauffeur fragte uns nach unserem Ziel. Als wir Padrõn nannten, hiess es gleich Velos einladen und einsteigen. Wir staunten nicht schlecht, als der Bus um 9:40 h startete und nicht 10:20 h. Das Glück war wieder einmal auf unserer Seite!
Es war schon ein komisches Gefühl nach Wochen wieder einmal in einem Auto zu sitzen. An die Geschwindigkeit mussten wir uns erst gewöhnen. Als wir die einsame Landschaft mit ständigem bergauf und bergab sahen, waren wir überzeugt, dass wir die richtige Entscheidung mit der Busfahrt getroffen hatten.
Die Stadt Padrõn ist in doppelter Hinsicht bekannt. Einerseits liegt sie am portugisischen Jakobsweg und ist für die Jakobspilger ein wichtiger Ort. Der Leichman des in Jerusalem hingerichteten Apostel Paulus wurde von zwei seiner Schüler per Schiff nach Padrõn gebracht und von da mit einem Och-senkarren nach Santiago de Compostela transportiert.
Andererseits ist diese Stadt für eine kulinarische Spezialität, die man in ganz Spanien isst, bekannt -die Pimientos de Padrõn. Das sind kleine, geröstete und gesalzene Paprikaschoten, die fast süchtig machen und als Vorspeise gegessen werden. In der Umgebung von Padrõn wird dieses Gemüse kultiviert.
Trotz Pimientos lud uns die Stadt nicht zum Verweilen ein. Vielleicht lag es auch am bewölkten, feuchtwarmen Wetter. Da wir schon im Busbahnhof waren und Busfahren so schön ist, erkundigten wir uns nach einem Bus nach O Grove. Nach nur einer Stunde Wartezeit konnten wir in den entsprechenden Bus einsteigen. Für 7.50 Euro/Person fuhren wir schliesslich 3 Stunden Bus und waren 90 km weiter. Ursprünglich beabsichtigten wir, 2 – 3 Tage auf der Halbinsel O Grove zu bleiben und einmal Sonne, Sand und Meer zu geniessen. Aber wie so oft im Leben kam es anders. Sand und Meer wären da gewesen, aber die Sonne liess uns im Stich. Technische Probleme an Armins Velo veranlassten uns denn auch, in der Stadt eine Unterkunft zu suchen, statt wie vorgesehen etwa 3 km ausserhalb, auf dem Lande. Nach der Busfahrt hatten wir festgestellt, dass das Hinterrad plötzlich einen Plattfuss hatte und der Pneu abgeraspelt war. Von keiner Fahrzeugkontrolle wäre dieser Pneu noch akzeptiert worden. Wir fragten uns nach einer Veloreparaturwerkstätte durch. Der Meister dort, versicherte uns, bis abends 20:00 h alles zu reparieren und beide Velos zu kontrollieren.

Aufzucht verschiedenster Meeresfrüchte in der Bucht vor O Grove

O Grove ist übrigens ein Eldorado für Liebhaber von Meeresfrüchten. Noch nie schmeckten sie so frisch und gut, wie hier.

Am folgenden Morgen, als wir die Räder aus der Garage holten, war die Luft des reparierten Reifens schon wieder draussen. Um 8:00 morgens öffnete der gute Mechaniker seine Türe natürlich noch nicht. Mit der kleinen Handpumpe wurde der Schlauch wieder gefüllt. Trotz dem unsicheren Gefühl wagten wir eine Rundtour durch die noch verschlafene Halbinsel O Grove und hofften auf eine offene Kaffeebar. Leider ohne Erfolg. So verliessen wir das wolkenverhangene O Grove. Wieder folgten wir der Küstenstrasse Richtung Pontevedra. Eine Ferienanlage reiht sich an die andere. Zu dieser Jahreszeit sind jedoch fast alle noch geschlossen. Mit den grauen Wolken wirkte alles etwas geisterhaft. Nach einigen Pumpaktionen erreichten wir vor Mittag Sanxexo, wo wir einen kompetenten Velohändler fanden, der das Rad in kürzester Zeit wieder auf Vordermann brachte. Anschliessend füllten wir erst einmal den Magen. Die letzten Kilometer nach Pontevedra fuhren wir fast leicht beschwingt.
In Pontevedra wurde einst Christopher Kolumbus Schiff, die „Santa Maria“ gebaut. Deshalb ist die grosse Kirche „Santa Maria“ auch den Seefahrern geweiht.

Seefahrerkathedrale Santa Maria Pontevedra

Zu dem liegt Pontevedra am portugiesi-schen Jakobsweg, der von Porto nach Santiago de Compostela führt.

Wir beschlossen, ab Pontevedra dem Jakobsweg rückwärts zu folgen. Ein Pilger von Süden kommend, der in derselben Pension übernachtete, hatte das Gefühl, der Camino portugués sei eher eine Radfahrerstrecke, als eine Wanderroute, da die Route sehr viel der asphaltierten Strassen entlang verlaufe. Ausserdem sei die Weg sehr gut markiert, wie überall, Richtung Santiago mit gelben Pfeilen, Richtung Porto mit blauen Pfeilen.

Auch unser Velo-Pilgerführer ermunterte uns, dem Jakobsweg Richtung Süden zu folgen. Es gäbe einige Schiebestellen, aber der Weg durch den Wald lohne die Mühe. Lange Zeit ging alles gut, bis wir im Wald vor einer Gabelung standen, ohne jegliche Markierung. Das eine Strässchen asphaltiert, das andere eine gröbere Geröllhalde. Die Versuchung war gross. Armin, als ehemaliger Pfadfinder, hatte den richtigen Spürsinn und wählte die Geröllhalde. Über Stock und Stein schoben wir die Räder bergauf und wieder runter. Eine schweisstreibende Aktion! Ein entgegenkommender Pilger riet uns, besser auf der Strasse zu bleiben. Das was wir hier erleben, sei nur 10 % von dem was noch folgen würde. Eigentlich hätten wir es ja wissen müssen. Wanderführer mit Velovarianten sind nicht das Evangelium. Auf der Strasse angelangt, standen wir an einer Verzweigung und fragten uns, in welche Richtung es wohl gehen würde. Da hörten wir plötzlich komische Geräusche, ein Wimmern. Da lag doch tatsächlich eine Spankiste im hohen Farn mit 5 – 6 kleinen Hundewelpen. Einfach so, mitten im Wald ausgesetzt und zu einem jämmerlichen Tod verurteilt. Hilflos mussten wir diese Tatsache akzeptieren.
Am Nachmittag ging dann ein langersehnter Traum in Erfüllung. Seit wir unsere grossen Velotouren machen, träumten wir davon, einmal auf einer Autobahn zu radeln. Ab O Porrino waren auf unseren Karten nur noch Autobahnen Richtung Tui, an der portugiesischen Grenze eingezeichnet. Mehrmaliges Fragen im Ort half nichts, alle wiesen uns auf diese Strasse. Verbotstafeln, wie üblich waren keine vorhanden. Also fassten wir den Mut, Augen zu und durch! Da es nicht bergab ging, unterliessen wir es, auf die Überholspur zu wechseln. Bei der nächsten Ausfahrt brachen wir das Abenteuer ab und fanden dann auch die alte Nationalstrasse nach Tui. Aber wir haben es bewiesen – wir sind Highway tauglich!

Kathedrale Tui

Wir verliessen nun das grüne Galizien, von dem wir einige verschiedene Facetten kennengelernt haben. Vom Bergdorf O Cebreiro, durch das „Voralpengebiet, nach Santiago de Compostela, weiter an die Küste und im Süden, das für uns unbekannte Weingebiet, mit mundenden Weinen.

Vor vielen Jahren las ich einem Bericht über Galizien, dass hier das Matriarchat vorherrsche. Heute können wir das verstehen. Wenn so viele Ehemänner und Söhne im Ausland ihren Lohn verdienten, mussten die Frauen zu Hause das Zepter übernehmen. Galizien hat auch einen keltischen Ursprung und hat neben den satten grünen Weiden auch noch andere Gemeinsamkeiten mit Irland. Die Volksmusik tönt irgendwie irisch und das Nationalinstrument, die Gaita, ein Dudelsack, erinnert ebenfalls an den grünen Norden.

Gaita - Dudelsack in Galizien

Wir konnten uns auch mit einigen Leuten unterhalten. Jeder erzählte uns seine Lebensgeschichte. Die älteren Semester, die bei uns in der Schweiz ein Leben lang schufteten, zu Hause ein Haus bauten und zurückkehrten, sind heute gemachte Leute und können zufrieden den Lebensabend geniessen. Die Jüngeren die aus dem Ausland zurückgekehrt sind und noch arbeiten müssen, sind in einer schwierigeren Lage. Einige Rückkehrer die hier eine Arbeitsstelle gefunden haben, leben zufrieden in ihrem Heimatland, sowie unser Buschauffeur. Er ist stolz, hat eine saubere Uniform und fährt einmal am Tag von Noia nach Padrõn. Andere sind zurückgekehrt und bereuen ihren Entscheid, weil sie keine Arbeitsstelle mehr finden. Tragisch ist es für die ganz Jungen, die bei uns aufgewachsen sind und keine abgeschlossene Ausbildung haben, wenn der Vater eines Tages entschied in die Heimat zurückzukehren. Sie haben fast keine Perspektiven.
Wir staunten nicht schlecht, als uns plötzlich „Guete Morge“ nachgerufen wurde. Irgendwie erinnert uns der Aufenthalt in Galizien an unsere Tour durch Apulien. Auch dort trafen wir auf sehr viele ehemalige Gastarbeiter, die uns ihre Lebensgeschichte erzählten.
Wenn man so durch die Landschaft radelt, nimmt man auch einige unschöne Dinge wahr, wie zum Bespiel die Neubauruinen – halbfertiggestellte Wohn- oder Geschäftshäuser. Dem Eigentümer ging das Geld aus und nun stehen sie da. Niemand reisst sie ab, niemand baut sie fertig. Zeitzeugen unserer Zeit. Vielleicht werden sie in hundert Jahren zu historischen Monumenten aus dem 20./21. Jahrhundert?

Blick zurück nach Galizien

Blick vorwärts nach Portugal (Festung von Valença)

Kurz nach dem Verlassen von Tui überquerten wir den Rio Miño. Mit dieser Überquerung verab-schiedeten wir uns definitiv von Galizien und erreichten Portugal.

Hier ticken die Uhren anders, die mussten wir nämlich eine Stunde zurückstellen. Wir sind gespannt, wie das Verkehrsverhalten der Portugiesen sein wird. Wir lasen in einem Reiseführer, dass die Portugiesen, ein sonst ruhiges und rechtschaffenes Volk, sobald sie hinter einem Steuer sässen, sich zu Raubtieren entwickeln würden. Unsere Erfahrungen auf Madeira waren auch dementsprechend. Obwohl nun Highway tauglich, wählten wir die ruhigen Nebenstrassen, wobei diese nicht ungefährlicher sind. Bald stellten wir fest, dass diese Strassen nicht dem spanischen Standard entsprechen. Wir brauchen jedoch auch keine 3 – 4 spurigen Strassen für uns alleine. Gemütlich fuhren wir durch die kleinen Dörfer mit gepflegten Häusern. Um jedes Haus war ein üppiger Gemüsegarten angebracht, wo auch Zitronen- und Orangenbäume und Weinreben nicht fehlen.

Der Pilgerweg Richtung Norden kreuzt ab und zu die Strasse. Auf der Etappe zwischen Tui und Ponte de Lima überqueren die Jakobspilger den höchsten Punkt des Camino porutgués, die 400 m hohe Portela Grande. Auf dieser Etappe begegnet man auch dem Cruz dos franceses. Ähnlich wie auf dem Cruz de Ferro legen die Pilger, als Erinnerung an ihre Pilgerfahrt einen Stein nieder. Das Cruz dos Franceses kennt man auch unter dem Namen Cruz dos Mortes. Das hat damit zu tun, dass dieses Kreuz die Stelle kennzeichnet, wo einst Napoleons Truppen, bei der Eroberung der iberischen Halbinsel, hier in einen Hinterhalt gerieten.
Unsere Fahrt ging stetig bergauf durch Schatten spendende Eichen- Nadel- und Eucalyptuswälder bis zum höchsten Punkt. Anschliessend folgte eine herrliche, angenehme und lange Abfahrt ins Tal. Ohne Frieren, ohne eisige Finger oder Windböen, die einem samt Velo um 2 Meter zu versetzen drohten. Schliesslich fuhren wir an Granitsteinbrüchen vorbei, wo das Material auch gleich verarbeitet wurde, zu Pflastersteinen oder Skulpturen für den Garten. Einiges hätte in unseren Garten gepasst. Wir entschieden uns schliesslich für eine übergrosse Christusstatue, wie sie in Rio de Janeiro steht.

Neuer Standort - Grubenstrasse 2, Madetswil

Im reizvollen Städtchen Ponte de Lima, am Rio Lima gelegen, war dann für heute Feierabend.

Ponte de Lima

Gleich nach dem Start ging es heute Morgen während 7 km stetig bergauf. In der Zwischenzeit haben wir uns jedoch zu wahren Bergflöhen entwickelt. Wir staunten nicht schlecht, ob all der stattlichen, gepflegten Häuser, so mitten in der Abgelegenheit, alle mit kunstvollen Gartenzäunen und Balkongeländern versehen. Ehemalige Auswanderer? Das eine oder andere wäre nach unserem Gusto gebaut. In den Gärten gesellten sich zu den Zitrusbäumen nun noch die Olivenbäume. In den Gärten waren fleissige Leute an der Arbeit. Die Selbstversorgung scheint hier eine grosse Rolle zu spielen. Zwar haben wir noch nicht sehr viel von Portugal gesehen, aber trotzdem haben wir das Gefühl, dass hier die Uhren tatsächlich anders ticken als in Spanien. Da zog ein Mann den Pflug, wie ein Ochse, während dessen seine Frau den Plug führte oder man begegnet Frauen, die ihre Lasten auf dem Kopf tragen. Nicht überall hat der Waschautomat Einzug gehalten. So trafen wir alten und jungen Frauen auf dem Lande und in der Stadt die ihre Wäsche an Dorfbrunnen auf dem Waschbrett wuschen.
Unsere Tour endete heute in Barcelos. Dieser Ort ist weit über die Grenzen Portugals hinaus bekannt geworden. Zum einen durch den immer donnerstags stattfindenden Markt „Feira de Barcelos“, zum anderen aber auch durch die Keramikarbeiten und die wundersame Pilgergeschichte um einen gebratenen Hahn, der zum bekannten Symbol Portugals geworden ist.

Hahn von Barcelos

Der Barcelos-Hahn erinnert als bunte Tonfigur in jedem Souvenirladen an die Legende aus dem 14. Jahrhundert. Demnach kam ein galizischer Pilger durch Barcelos. Unglücklicherweise fahndete der Dorfpolizist seit Wochen nach dem Schuldigen einer Untat. Auch dem Richter kam der suspekte Galizier gerade recht und machte kurzen Prozess – in der Schlinge sollte der vermeintliche Täter sterben. Vor der Hinrichtung deutete der vermeintliche Täter auf die, von ihm verweigerte Henkersmahlzeit und wimmerte: „Dieses knusprige Hähnchen wird meine Unschuld auskrähen!“ Als der Brathahn dann wirklich krähte und heftig mit den Flügeln schlug, machte die Falltüre schon „flop“. Den Galizier rettete jedoch der verklemmte Henkersknoten das Leben. Sind wir nicht einer ähnlichen Geschichte schon einmal begegnet, Klar doch, in Santo Domingo de la Calzada, auf dem Camino francés! Nur, der portugiesische Hahn hat Weltberühmtheit erlangt.

Barcelos

Flexibilität geht doch einfach über alles! Eigentlich bereuten wir es, dass wir am Donnerstag den berühmten Markt nicht besuchen konnten. Wir planten jedoch an unserem nächsten Ziel, in Braga, einen Ruhetag einzuschalten. Braga ist mit dem Bus nur ½ Stunde entfernt. Wir sagten uns, dass wir am Donnerstag, von Braga aus, mit dem Bus, ohne Velo, nach Barcelos zurückkehren könnten, um den Markt zu besuchen. Ordentlich packten wir unsere Sachen zusammen und kurz vor der Abreise erzählten wir der älteren Dame an der Recéption von unseren Plänen. Sie klärte uns auf, dass diese Woche Fronleichnan sei und somit der Markt am Mittwoch stattfinden würde. Wir buchten das Zimmer gleich nochmals für eine Nacht, trugen unser Gepäck wieder nach oben und wechselten das Tenue. Dieser Ruhetag gab uns auch die Möglichkeit, die überdehnten Ketten an unseren Rädern auswechseln zu lassen. Kompliziert erklärte uns die Recéptionistin den Weg zum Velohändler, bis wir ihr den Stadtplan unter die Nase hielten und fragten, ob sie uns darauf den Weg zeigen könnte. Wir hätten auch ein Schnittmuster hinlegen können! Der Chef kam dann und richtete die Sache. Wir fanden den Laden und fragten die Dame dort, ob sie ev. Französisch, Italienisch, Englisch, Spanisch oder ev. Deutsch spreche. Nada, difficil war die Antwort. Mit unserem Wörterbuch versuchten wir ihr zu erklären, was unser Anliegen war. Sie verschwand im Lager und kam wieder – mit einem Kindersitz! Daraufhin führte sie uns um die Ecke ins richtige Velogeschäft. Der junge Mann dort sprach recht gut Englisch und verstand sofort, was wir wollten. Er versprach uns, bis am Abend beide Ketten auszuwechseln. In der Zwischenzeit schlenderten wir durch den bunten Markt. Neben Gemüsen, Früchten und anderen Nahrungsmittel wurden auch Wäsche und Kleider angeboten.

Gemüse militärisch ausgerichtet

Von der Auswahl an Kunsthandwerk, wie Keramik und Schnitzereien, waren wir eher enttäuscht.

Aber wir hätten ja eh keinen Platz, um irgendwelches Kunstwerke zu transportieren. Ein kleiner, bunter Hahn für den Setzkasten musste genügen.

An dieser Stelle bedanken wir uns herzlich für alle Glückwünsche, die wir zum Erreichen unseres ersten grossen Etappenziel, Finisterra, erhalten haben, sei es direkt im Blog oder per Mail. Obwohl wir noch nie an einen Abbruch dachten, ermuntern uns die Kommentare zum Weitermachen.

Burgos – Castrojeriz 52 km
Castrojeriz – Carrión de los Condes 47 km
Carrión de los Condes – Mansilla de las Mulas 86 km
Mansilla de las Mulas – León 19 km
León – Astorga 55 km
Astorga – Molinaseca 48 km
Molinaseca – Villafranca del Bierzo 32 km
Villafranca del Bierzo – O Cebreiro 34 km
O Cebreiro – Sarria 46 km
Sarria – Palas de Rei 49 km
Palas de Rei – Perdrouzo 50 km
Perdrouzo – Santiago de Compostela 18 km
Santiago de Compostela – Cee 74 km
Cee – Finisterra 15 km

Da ein Arbeitstag bevorstand, verlief die zweite Nacht in Burgos einiges ruhiger, deshalb schliefen wir gut und tief. Vor der Abfahrt in Burgos wurden wir erst von einem italienischen Paar und dann noch von einem deutschen Pilger fotografiert. Warum auch immer – Exoten? Wahrscheinlich erscheinen diese Bilder in der „Frankfurter Allgemeinen“ und im „Corriere della Sera“.
Wir liessen die Stadt hinter uns und machten uns auf, auf die kastilische Meseta. Diese Hochebene auf ca. 800 – 900 m über Meer, erstreckt sich auf etwa 200 km zwischen Burgos und Leon. Dieser Landstrich ist berüchtigt für beissende Winterkälte, flimmernde Sommerhitze und nimmermüde Winde zu allen Jahreszeiten. Viele Pilger schrecken davor zurück und steigen bis Leon in den Bus. Ihnen entgeht aber ein einmaliges Naturerlebnis, denn die Schönheit liegt im Detail. Uns zeigte sich diese Hochebene von der besten Seite. Sonnenschein pur, eine leichte Brise, die Weite des Himmels und zu dieser Jahreszeit unendliche, dunkelgrüne Getreidefelder, soweit das Auge reicht. Sonst nichts, keine Kuh, kein Schaf, keine Ziege, kein Huhn! Ab und zu erscheint in einer kleinen, windgeschützten Talsenke ein kleines Dörfchen.

Dorf auf der Meseta an geschützter Lage

Sind die Erdhäuser in Madetswil eine Kopie?

Wir fahren in den Himmel!

Dass da die Winde wehen können, zeigen die vielen Energie erzeugenden Windräder. Anlage reiht sich an Anlage, da wird voll auf alternative Energie gesetzt.

Spanien setzt auf Windenergie

Einsam und allein radelten wir durch die fast unbeschreibbare Landschaft, bis wir zur Ruine San Anton kamen. Das halbverfallene Bauwerk gehört zu den sonderbarsten Ruinen am Weg. Da die heutige Landstrasse strikt dem historischen Pilgerweg folgt, verläuft sie mitten durch das Bogengewölbe, das einst Kirche und Kloster verband.

Ruine San Anton

Nur wenige Kilometer nach dieser Sehenswürdigkeit erreichten wir unser Etappenziel, Castrojeriz, das wohl längste Dorf am Jakobsweg.

Castrojeriz

Petrus wird langsam versöhnlich, denn er bescherte uns einen zweiten, angenehmen Tag auf der Meseta. Wieder machte es den Eindruck, als wären wir allein auf dieser Welt. Der leichte Rücken-wind schob uns vorwärts und liess uns durch die Kornkammer Spaniens gut vorankommen. Früher wurden diese unendlichen Felder von Menschenhand bestellt, heute werden sie von grossen Ma-schinen bearbeitet. Das führte dazu, dass die Menschen keine Arbeit mehr fanden und in die grossen Städte gezogen sind, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Viele kleine Dörfer sind ausgestorben und die alten Häuser verfallen.

In den grösseren Ortschaften überragen nicht mehr Kirchen und Kathedralen die Wohnhäuser, sondern Getreidesilos, wie zum Bespiel in Fromista und unserem Etappenort Carrion de los Condes.

Getridesilos

Verschiedene Bewässerungssysteme wurden in dieser Region gebaut, vom kleinen Stausee bis zu Kanälen und modernen Anlagen.

Auf dem Canal de Castilla wurde früher das Getreide bis zum Atlantik transportiert, heute wird der Kanal nur noch für die Bewässerung genutzt.

Canal de Castilla

Etwa 20 Kilometer lang verlief der Pilgerweg parallel zu unserer schnurgeraden Strasse, ohne Baum oder jeglichen Schutz oder Schatten. Im heissen Sommer oder bei Regen könnte das bei manchem Pilger auf das Gemüt schlagen.

Pilgeerautobahn, rechts überholen gestattet!

Ein dritter Tag war uns auf der Meseta beschert. Noch gut 100 km trennten uns von Leon, der letzten grösseren Stadt vor Santiago de Compostela. In unserem Radführer waren Horrorgeschichten über die letzten Kilometer vor dieser Stadt zu lesen. So beschlossen wir, heute möglichst nahe an Leon heranzufahren, um dann am folgenden Tag dieses gefährliche Stück ausgeruht in Angriff zu nehmen. Zwar hatten wir am Abend zuvor besprochen, dass beim Verlassen von Carrion de los Condes der Weg am Kloster San Zollo vorbeiführen wird. (Der Jakobsweg führt ausnahmslos an Klöstern und Kirchen vorbei!)

Kloster San Zollo

Aus unerklärlichen Gründen war Armin heute plötzlich anderer Meinung und wir folgten der Strasse durchs Dorf. Ich trat in die Pedalen, spurte auf der Strasse nach Leon ein und glaubte Armin würde mir folgen. Nach einer Kurve hielt ich an und wartete eine Weile, kein Armin erschien. So fuhr ich ein Stück zurück, aber vom Göttergatten war keine Spur zu sehen. Da stieg der Adrenalinspiegel schon mal für kurze Zeit an. Plötzlich sah ich ihn auf einer ganz anderen Strasse mit gesenktem Kopf vorbeischiessen, keinen Blick für mich, trotz unübersehbaren roten Jacke und lauter Rufe! So blieb mir nichts anderes übrig, als ihm schreiend zu folgen. Glücklich, dass wir uns wieder gefunden hatten, setzten wir unsere Fahrt, am Kloster vorbei, fort. Nach der Mittagspause in Sahagun hatten wir das nächste Problem mit der Streckenführung. Bei grossem Kreisel- und Strassengewirr verpassten wir die richtige Strasse und landeten auf der Pampas, zwar immer noch auf dem Jakobsweg, aber auf steiniger und staubiger Piste. Mühsam kamen wir vorwärts, waren dann am Abend in Mansilla de las Mulas doch erstaunt, dass wir 86 km heruntergeraspelt hatten.

Keine Zeit für ein Bier - nur Zeit für ein Föteli!

Nun lag die grosse Herausforderung vor uns, die restlichen 20 km nach Leon auf teils enger, starkbefahrener Strasse mit vorbeidonnernden Camions zu meistern. Wir hofften, dass hier, wie in der Schweiz Auffahrt gefeiert würde und die Lastwagen wegfallen würden. Leider ging unsere Rechnung nicht auf, in Spanien ist das ein ganz gewöhnlicher Arbeitstag. In Puente Villarente gibt es eine schmale, lang gezogene Brücke, die man als Pilger oder Velofahrer überqueren muss. Wenn da zwei 40-t-Lastwagen kreuzen, gibt es keinen Platz mehr für ein Lebewesen, geschweige denn für zwei vollbepackte Velofahrer. Kein Lastwagenfahrer würde nur mit der kleinen Zehe die Bremse wegen eines Radfahrers berühren. Susis Herz raste schon am Morgen um 6:00 h, dass die Wände zitterten. Mutig starteten wir in unser Abenteuer und irgendwie erreichten wir beide lebend das andere Ende der Brücke. Anschliessend wählten wir den Wanderweg. Die Devise war: Lieber steinig, steil und staubig, als sich dem vorbeirasendem Verkehr auszusetzen. Das Positive am Jakobsweg ist, er führt immer direkt ins Zentrum zur Kirche oder Kathedrale in die Stadt. So schafften wir diese 20 km relativ einfach. Unser Führer gab uns einen guten Tipp für die Übernachtung. Wir suchten die kleine Pension mit Waschservice, mitten im Zentrum von Leon, auf, schleppten unsere Räder in den 2. Stock, gaben unsere Wäsche in Arbeit und machten uns auf den Streifzug durch die Stadt.

Gaudipalast in Leon

Kathedrale Leon

Intelektuelle unter sich

Da 20 km eine angenehme Wanderetappe ist, trafen wir bald wieder einige bekannte Gesichter vom Vorabend.

Nach dem Fotoshooting beim Morgenessen (dieses Mal erscheinen wir in der schwedischen Presse) fuhren wir aus dem Zentrum der Stadt, Richtung Kloster San Marcos, wo in einem Teil ein Parador Hotel untergebracht ist.

Kloster und Paradorhotel San Marcos

Die Parador Hotels sind nicht ganz billige Hotels in historischem Gemäuer und in ganz Spanien vertreten. Irgendwann einmal auf unserer Reise werden wir uns eine Nacht in einem dieser Hotels leisten.
Über die alte Brücke verliessen wir die Stadt. Trotzdem wir die Wegbeschreibung x-mal gelesen hatten, plagte uns das Gefühl, dass wir irgendwie im Vorort herumirrten. Einige Male fragte Armin bei Einheimischen nach dem Weg. Aber es ist immer dasselbe, ob in Spanien oder in einem anderen Land. Die Ortsansässigen weisen uns immer auf den direkten, verkehrsreichen Weg. Warum auf einer ruhigen Nebenstrasse einen Umweg fahren, wenn es einen direkteren Weg zum Ziel auf der Hauptstrasse gibt? Wir mussten dann feststellen, dass wir doch nicht ganz so falsch gefahren waren. Hinter Leon erreichten wir bald den Pàramo, das Oedland.

Páramo

Puente de Órbigo eine der längsten Brücken auf dem Jakobsweg

Nun ganz so oed ist das Land um diese Jahreszeit nicht. Die Weizenfelder sind zwar verschwunden und eine steppenartige, blühende Vegetation nimmt deren Platz ein. Wiederum alleine auf weiter Flur radelten wir durch die wenigen Dörfer. Petrus konnte es nicht lassen und liess die Winde wehen, von vorne, von der Seite kamen die Böen, nur nicht von hinten. Eine Zeitlang zweifelten wir, ob wir unser Ziel in Astorga überhaupt erreichen würden. Unsere Mühen hatten sich gelohnt und wie geplant erreichten wir doch noch unser Ziel. Am Horizont wurde bereits die nächste Herausforderung sichtbar: die Bergkette mit dem auf 1500 m gelegenen Cruz de Ferro. Im geschichtsträchtigen Astorga erwartete uns wiederum eine riesige Kathedrale und ein von Gaudi entworfener Bischofspalast.

Der Pero Mato auf der Kathedrale - das Wahrzeichen von Astorga

Glockenspiel Astorga

In diesem Ort kreuzen sich zwei Verkehrswege aus römischer Zeit. Einerseits die aus Bordeaux kommende Via Traiana und die aus Sevilla kommende Via de la Plata, auf der wir in einigen Wochen nordwärts fahren werden.
Hinter Astorga beginnt die Region der Maragarita. Diese Flecken ist bekannt für folgende kulinarische Spezialität: die Cocido Maragato, dessen Eigenart darin besteht, dass die Zutaten getrennt und in ungewöhnlicher Reihenfolge gegessen werden. Zuerst gibt es das Fleisch: Schinken, Bauchspeck, Blutwurst, Paprikawurst, Hühnerfleisch, Schweinefüsse, – Ohren und Maul und den Relleno (Füll-stoff), eine Art Kloss aus Eiern, Brot, Knoblauch, Petersilie, Würsten und Speck. Danach gibt es Ki-chererbsen, Kartoffeln, Gemüse und Kohl. Zuletzt wird eine Nudelsuppe gereicht. Über den Ursprung streitet man sich. Waren es die Fuhrleute, die, um das Fleisch nicht kalt zu essen zu müssen, es der Suppe vorzogen? Oder waren es Napoleons Truppen, die, jederzeit einsatzbereit, mit den deftigen Gängen begannen, um im Notfall eher die Suppe stehen zu lassen? Da wir weder Fuhrleute sind, noch in kriegerischer Mission unterwegs sind, verzichteten wir auf eine Kostprobe dieser Speise.

Da der starke Wind von gestern einige dunkle Wolken und am Abend leichter Regenfall heran transportiert hatte, fragten wir uns, wie unsere Königsetappe auf den Cruz de Ferro wohl ausfallen würde. Der erste Kontrollblick am Morgen liess uns die Regenmontur anziehen, der zweite Blick nach dem Morgenessen, liess sie uns wieder ausziehen. Petrus hatte wieder einiges an Wind auf Lager, nur keinen Rückenwind. Unverwüstlich, wie wir sind nahmen wir unseren 2000sten Kilometer unter die Räder, sagten uns „No Pain – No Glory“ und kämpften uns durch die Maragateria, über die Montes de Léon bis auf 1500 m. Die karge und struppige Landschaft verwandelte sich bald in ein blühendes Blumenmeer. Violetter Lavendel, gelber Ginster, weisses bis dunkelrosa Heidekraut und orchideenartige Blumen hat die Natur geschmackvoll arrangiert.

Foncébadon, das letzte Dorf vor der Passhöhe, war bereits ausgestorben und fast verfallen. Mit der neuen Pilgerbewegung wurde der Ort wiederbelebt.

Aussicht von Foncébadon

Früher wurden die Pilger in dieser verlassenen Gegend von Wölfen und Räubern überfallen, heute besteht diese Gefahr glücklicherweise nicht mehr. Etwa 2 Kilometer nach Foncébadon erreichten wir die wohl schlichteste, aber eindrucksvollste Stelle auf dem Jakobsweg: das Cruz de Ferro. Aus einem Steinhaufen ragt ein langer Eichenpfahl, darauf ein einfaches Eisenkreuz.

Seit Jahrhunderten legten hier Pilger einen Stein aus ihrer Heimat nieder und warfen somit ihre Seelenlast ab. Auch wir hatten einen Stein aus unserem Garten dabei.

Symbolisch begruben wir alle unsere unfähigen Chefs, ohne jegliche Sozialkompetenz, die wir während unserer Arbeitsjahre ertrugen, unter diesem Steinhaufen. Die fähigen Vorgesetzten behalten wir gerne in guter Erinnerung.
Schade, ein riesiger Reisecar mit einem ebenso grossen Veloanhänger, aus unserem nördlichen Nachbarsland, hatte sich auch zum Cruz de Ferro aufgemacht um seine Klientel hier auszuladen, damit sie anschliessend auf 15 km die 1000 Höhenmeter hinunter sausen konnten. Wir empfanden das als eine Entwürdigung dieser Stelle. Pilger, die x-hundert oder tausend Kilometer marschiert sind, müssen diese Art von Tourismus als Beleidigung empfinden.
Ausser dem kalten, bissigen Wind, hielt sich das Wetter recht gut. Für die anschliessende Talfahrt waren gute Bremsen gefragt. Wir waren froh, dass wir unten im Tal, in Molinaseca, zwar einmal mehr durchfroren, aber heil ankamen.

Molinaseca

Noch mit etwas Sand in den Augen starteten wir in den neuen Tag. Da bald wieder Höhenmeter gefragt waren, entschieden wir uns, zwecks besserer Etappeneinteilung, für eine Kurzetappe. Wir beschlossen, die Fahrt durch die Region des Bierzo zu geniessen. El Bierzo liegt in einem grossen Talkessel, rundum von Bergen umgeben, was zu einem mediterranen Klima führt. Die Region ist sehr fruchtbar und wird auch Garten Eden Spaniens genannt. Kirschen, Äpfel und Wein werden hier angebaut, die Gemüsegärten sind prallvoll. Der hiesige Wein wird teurer gehandelt als eine gute Flasche Rioja. Vom milden Klima verspürten wir nicht viel, zwar gab keinen Wind mehr, aber die Temperatur blieb weiterhin frisch.
Kurz vor Ponferrado zweigte der Jakobsweg auf eine asphaltierte Nebenstrasse ab. Wir befanden die Strasse als Velo tauglich und folgten ihr, bald aber ging sie in einen Kiesweg über und schliesslich führte nur noch eine schmale Spur durchs hohe Gras. Auf dem Kiesweg konzentrierte ich mich voll auf den Weg, sah dann doch einmal nach vorne und dachte: Da vorne stimmt etwas mit der Zusam-mensetzung nicht mehr! Armin schaute wie ein Hase aus dem hohen Gras, sein Velo stand wie ein störrischer Esel ca. 1,5 m daneben. Im Gras hatte es einen ca. 20 cm grossen Bordstein, der Armins Velo abrupt stoppte und ihn abwarf. Zum Glück war die Landung im hohen Gras weich und weder Armin noch das Velo trugen irgendwelchen Schaden davon.

Templerburg in Ponferrada

Schon am frühen Nachmittag erreichten wir Villafranca del Bierzo. Nach einer warmen Dusche schlenderten wir durch den relativ kleinen Ort und staunten nicht schlecht über die vielen Kirchen und Klöster.

Villafranca del Bierzo

In einer Bar an der Sonne verfielen wir dann wieder unserer neuen Leidenschaft: Spanischer Weisswein und frisch zubereitete Tapas!

Heute stand die vermeintlich letzte grosse Herausforderung an Höhenmeter vor uns, das Bergdorf O Cebreiro auf 1300 m Höhe und somit auch das Tor zu Galizien.
Kurz nach 8:00 h morgens, bei lediglich 7° C und bewölktem Himmel, schwangen wir uns auf die Räder, radelten die ersten 20 km gemütlich entlang dem Rio Valcarce bis nach Vega de Valcarce. Von 627 m stieg es dann auf den folgenden Kilometern steil bergan. Drei Strassen wurden im Laufe der Zeit durch dieses Tal gebaut. Erst bauten die Römer die erste Strasse, die lange Zeit genügte. Vor nicht allzu langer Zeit wurde eine bestens ausgebaute Nationalstrasse verwirklicht und als man wieder genügend Geld hatte, wurde noch eine Autobahn gebaut. Wir benutzten die alte verkehrsarme Römerstrasse. Je höher wir kamen, desto mehr blies uns wieder ein kalter, rauer Wind ins Gesicht.

Blick nach Galizien

Kurz nach Mittag erreichten wir das Bergdorf, einmal mehr durchfroren. Bevor wir uns irgendwo aufwärmen konnten, ging zuerst der Kampf ums Bett los. Je näher Santiago de Compostela rückt, desto rarer werden die Betten. Unser Reiseführer hatte uns schon vorgewarnt und erwähnt, dass die Pilgerherberge dauernd ausgebucht ist und dass im Sommer die Armee zusätzlich Zelte aufstellt. So wussten wir, wählerisch durften wir nicht sein. Das erste Hotel war bereits ausgebucht, das Zweite ebenfalls. Beim Dritten konnten sich 6 Spanier mit der Wirtin nicht über den Preis einigen, zu unseren Gunsten. Keinen Kilometer wären wir mehr gefahren bei dieser Kälte. Wir fragten uns, ob wir in Santiago de Compostela gleich einen Flug nach den Kanarischen Inseln buchen sollen. Das Duschwasser wurde wieder wärmer eingestellt und wir meckerten wieder über den kalten Steinboden im Badezimmer. Das rustikale Restaurant des Hotels glich einer gemütlichen Skihütte. Mit zwei lustigen Pilgerinnen aus Bayern, die wir zuvor schon in Molinaseca und Villafranca del Bierzo getroffen hatten, verbrachten wir einen gemütlichen Abend. Draussen blieb es trüb, feucht und neblig. Diese vorweihnächtliche Stimmung hätte uns fast dazu gebracht „Feliz Navidad“ zu singen.

"Skihütte" in O Cebreiro

Pallozas einst Unterunft für Mensch und Tier

Es war übrigens der Dorfpfarrer dieses Dorfes, der in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts seine Doktorarbeit über den Jakobsweg schrieb.

Erfinder der gelben Pfeile als Jakobswegmarkierung

1984 markierte er erstmals den Weg von Frankreich bis Santiago de Compostela mit gelben Pfeilen. Diese gelben Pfeile sind bis heute Wegweiser und Markierung für den Camino.

Eine Anekdote erzählt, dass er in den Pyrenäen von der Grenzpolizei gefragt wurde, was er mit den gelben Pfeilen bezwecke. Seine Antwort: „Ich bereite eine grosse Invasion vor.“ Wie weitsichtig er doch war. Wir trafen einen jungen Pilger, der ohne Dokumentation und Karte unterwegs ist und nur den gelben Pfeilen folgt.

Der nächste Tag begann, wie der Vortag geendet hatte. Trüb, dichter, nasser Nebel bis an den Boden und kalt. Schade für die schöne verpasste Aussicht. So wurden die wasserdichten Socken, die langen Hosen, Regenjacke und Sicherheitsweste aus den Satteltaschen geholt. Im dichten Nebel ging es auf den ersten 10 km stetig bergauf und bergab bis zum Alto do Poio auf 1370 m.

Pilgerdernkmal Alto do Poio

Anschliessend wartete eine 22 km lange Talfahrt nach Samos auf uns.

Kloster Samos

Durch den Nebel hörte man Kuhglocken und es roch nach Kuhmist. Anscheinend ein deutliches Zeichen dafür, dass man in Galizien ist, denn hier ist alles anders. Es ist überall grün und hügelig, es gibt zahlreiche Dörfer und Weiler mit landwirtschaftlichen Betrieben, ähnlich dem Schweizer Voralpengebiet.

Die grossartigen Baudenkmäler sind verschwunden und wurden durch kleine Landkirchen ersetzt. Die Häuser bestehen alle aus Stein und die Dächer aus Schiefer, die Landbevölkerung spricht die Regionalsprache Galego. Auf der Speisekarte wird wieder vermehrt Käse angeboten.
Je tiefer wir ins Tal kamen, desto wärmer wurde es, der Nebel hatte sich aufgelöst und ein wolkenloser Himmel trat in Erscheinung. Bald mussten wir unsere warmen Kleider vom Leib reissen.
Am Abend beim Bummel durch Sarria fanden wir Kirschen aus dem Bierzo für Euro 2.99/Kilo. Klar, dass wir davon kosten mussten.

Was den Nebel anbelangt, gab sich Galizien ein weiteres Mal alle Ehre. Kaum hatten wir unsere Räder bestiegen, lockerte er sich jedoch auf und es wurde schon früh ein herrlicher, sonniger, warmer Tag. Wir waren vorgewarnt und wussten, dass keine leichte Etappe vor uns stand. Zwar mussten wir keine hohen Berge mehr erklimmen, dafür stetiges auf und ab. Am Abend staunten wir nicht schlecht, als wir sahen, dass wir mehr als 1000 Höhenmeter bergauf und 700 Höhenmeter bergab in den Pedalen hatten.
Ca. 20 km nach Sarria erreichten wir am Rio Mino den Ort Portomarin. Das ursprüngliche Dorf, einst der blühendste und reichste Ort Galiziens, verschwand in der Mitte des letzten Jahrhunderts im Wasser. Der Fluss wurde gestaut und ein neues Dorf auf dem Hügel wurde gebaut. Einzig die beiden Kirchen San Pedro und San Nicolas wurden Stein für Stein abgetragen und am neuen Ort wieder aufgebaut.

Potomarin

Ansonsten war Natur pur das Thema dieses Tages. Die Bauern waren fleissig am Mist- und Jauche-führen. Jedes Mal, wenn sie uns mit ihren Traktoren überholten, liessen sie einen Teil ihrer Fuhr vor unserer Nase liegen. So hatten wir den ganzen Tag den feinen Duft in der Nase – eigentlich wie zu Hause! In einer ausgedienten Grube waren die Frösche im Liebetaumel und quakten, was das Zeug hielt. Ich hatte fast Angst um Armin, war er doch heute in seinem grünen T-Shirt als Froschkönig unterwegs. Eine Wiese daneben war übersäht von wilden, gelbblühenden Lupinen, dazwischen dunkelrosa Fingerhut. Die Smaragdeidechse war im Laub verschwunden, bevor ich den Fotoapparat zücken konnte. An manchem lauschigen Ort, der zum Verweilen einlud, fuhren wir vorbei.

Horrea - Galizischer Getreidespeicher

Wären wir jedes Mal unserer Lust gefolgt, wären wir überhaupt nie an unserem Ziel, Palas de Rei, angekommen.
Inzwischen sind wir auf den letzten 100 km vor Santiago de Compostela angekommen. Das heisst, ab jetzt ist einiges los auf dem Pilgerweg. Damit das Pilgerbüro in Santiago die Pilgerreise bestätigt und die Compostela ausstellt, müssen die letzten 100 km nach Santiago marschiert, oder die letzten 200 km mit dem Fahrrad gefahren sein. Der Pilgerpass muss täglich abgestempelt werden, sei es in einer Herberge, Hotel, Touristeninformation oder Kirche. So begannen viele unserer Weggefährten ihre „Pilgerreise“ bei der Kilometer-Marke 100. Sie kommen jeweils mit dem Flugzeug an, werden mit einem Bus zu dieser Wegkreuzung gefahren und treten ihre Wanderschaft mit einem leichten Tagesrucksack (wenn überhaupt) an. Ihr Gepäck wird im Bus von Unterkunft zu Unterkunft gebracht und mittags bauen Busfahrer und Begleitpersonal einen Verpflegungsstand auf, um die Hungrigen zu versorgen. Am Abend bettet man sich etwas abseits des Weges zur Ruhe. Es ist wohl klar, dass sich jeder Langzeitpilger etwas seltsam fühlt bei diesem Spektakel. Mit der ruhigen Wanderschaft oder dem Zusammengehörigkeitsgefühl ist es von nun an vorbei, der Pilgergruss „Buen Camino“ verschwindet. Andererseits muss man auch erkennen: Wie viele Leute sind in unserer Wohlstandsgesellschaft schon 100 km gewandert?

Auf der heutigen Etappe wollten wir möglichst nahe an Santiago de Compostela herankommen, um am nächsten Tag einen grossen Kampf zu gewinnen. Die Erfahrungen in Leon hatten sich bewährt. Einerseits gab es den Kampf um die Zentimeter auf der Hauptstrasse, andererseits wird es eventuell am Ziel vieler Pilger einen Kampf ums Bett geben. Pfingsten steht bevor und da soll Santiago jeweils total ausgebucht sein.
In die spanischen Strassen wurde sehr viel Geld investiert. Sie sind sehr gut ausgebaut und jede Strasse verfügt an der Seite über einen mehr oder weniger breiten Sicherheitsstreifen. So konzentrierten wir uns vorerst auf unseren zugeteilten Platz auf der Hauptstrasse. Nach einigen Kilometer nervten uns jedoch die vorbeisausenden Autos. Wir machten einen erneuten Versuch auf dem Pilgerweg zu fahren, erst auf einer Asphaltstrasse, dann im Kies und schliesslich auf einem idyllischen, schattigen, aber holprigen Waldweg, der auf grossen Steinen durch einen Bach führte.

Wer sein Velo liebt - der schiebt!

Auf dem Weg waren Scharen von Pilgern unterwegs, die wenig Verständnis hatten für Radfahrer und bei der Bachüberquerung kaum Geduld mit uns hatten. Wir akzeptierten unser Schicksal und flüchteten bei der nächsten Gelegenheit wieder auf die Strasse. Bald merkten wir, dass wir auch bei der Hotelsuche nicht mehr wählerisch sein dürfen. Schliesslich nahm uns doch noch eine Pension in Pedrouza, 20 km vor Santiago de Compostela auf. Zwar mussten wir das Bad teilen, was aber auch kein Problem darstellte. Wir, als Radpilger sind meistens vor den Fusspilgern am Ziel und schlafen am Morgen länger als die Marschierenden.

Heute waren wir früh wach und voller Tatendrang, galt es doch die letzten Kilometer nach Santiago zu bewältigen und einige Kämpfe zu gewinnen. Wieder liess uns dichter Nebel die Sicherheitswesten aus dem Gepäck zupfen. Um 8:15 h waren wir bereits startbereit. Wieder ging der Kampf um die Zentimeter am Strassenrand los. Durch den Nebel hörten wir über uns ein startendes Flugzeug vorbeidonnern, das wahrscheinlich eine Ladung Pilger in die Heimat zurückbrachte. Der Flughafen liegt bei Lavacolla, wo sich einst die mittelalterlichen Pilger jeweils im Bach wuschen, um sauber und wohlriechend am Grab des Apostels anzukommen. Angesichts der hygienischen Verhältnisse ein sinnvolles, wenn auch mit grösster Wahrscheinlichkeit auf ein Missverständnis beruhendes Ritual. Ein französischer Mönch, Verfasser eines mittelalterlichen Pilgerführers, soll die Bedeutung von Lavacolla falsch interpretiert haben. Statt korrekt „voller Geröll“ verstand er „Lava Colea“ was so viel bedeutet, wie die Genitalien waschen. Wir hatten im Hotel eine gute Duschgelegenheit, so verzichteten wir auf dieses Ritual.
Wenig später erreichten wir zusammen mit vielen Pilgern den „Berg des Genusses“, den Monte de Gozo.

Berg des Genusses - im Nebel

Millionen von Freudenschreien sind im Laufe der tausendjährigen Pilgergeschichte von die-sem Berg ausgestossen worden sein. Früher sah man von diesem Punkt, bei nebelfreier Lage, bereits die Türme der Kathedrale von Santiago de Compostela. Heute ist diese Sicht verdeckt von den Neubauten in der Vorstadt. Von hier sind es nur noch einige wenige Kilometer bis ans Ziel. Vor den Toren der Stadt wurde eine Busladung voller italienischer Sonntagsschuhpilger abgeladen, die Richtung Kathedrale schlarpten. Dann genügte kein „Buen Camino“ mehr, um sich Platz zu verschaffen. Da mussten wir schon lauter werden. Aber heute gewannen wir alle Kämpfe, selbst den mit der Bettensuche. Gleich im Zentrum, nahe der Kathedrale, fanden wir eine ansprechende Pension, mit geschmackvoll ausgebauten Zimmern in altem Gemäuer. Selbst für die Fahrräder war gesorgt. Neben der Recéption sind Aufhängevorrichtungen für Velos angebracht.

Räder in die Höhe strecken und 2 Tage nichts tun.

Einzig an den Lärm in der Nacht hatten wir nicht gedacht. Kaum waren die Schwärmer ruhig, fuhr die Strassenputzmaschine einige Male vor unserem Zimmer vorbei.
Als wir in einer Bar bei einer Tasse heissen Schokolade sassen, kamen wir mit einem erfahrenen deutschen Pilger ins Gespräch. Er machte uns darauf aufmerksam, dass heute in der Kathedrale der „Botafumeiro“ aufgehängt sei, der sonst in der Bibliothek seinen Platz hat, und dass der bei der heutigen Pilgermesse um 12:00 mittags sicher in Betrieb komme. Der Botafumeiro ist ein 60 kg (gefüllt 100 kg) schweres und 1,6 m hohes versilbertes Weihrauchgefäss und kommt nur bei bestimmten Gelegenheiten zum Einsatz. Ist ja klar, heute war so eine besondere Gelegenheit, die Meilis aus Madetswil waren da!

Bottafumeiro

Früher machte er den strengen Körpergeruch der Pilger etwas erträglicher, heute ist es ein Spektakel, wenn er am 35 m langen Seil hängend durch das Querschiff geschwenkt wird.

Zweimal ist er dabei schon übers Ziel hinaus und aus der Kirche geschossen. Betreffend Körpergeruch stimmte die Interpretation von Lavacolla vielleicht doch nicht? Heute gibt’s zum Glück Rexona und andere wohlriechende Wässerchen.
Wir wollten diesem Spektakel ebenfalls beiwohnen und hasteten rasch in die Kathedrale, wo die Pilgermesse in der prallvollen Kirche bereits im Gange war. Artig stellten wir uns hinten an und waren genau an der richtigen Stelle um dieses Geschehen zu verfolgen. Unwahrscheinlich, wie viele Fotoapparate und Handys in die Höhe schossen, als der Weihrauch angezündet wurde. Dabei wurde es uns eigenartig zu Mute. Uns wurde bewusst, dass wir seit Genf diesem Weg gefolgt waren, vieles dabei erlebt hatten, viele interessante Begegnungen und Gespräche hatten und plötzlich waren wir an unserem ersten grossen Zwischenziel. Wehmut und auch ein wenig Stolz machte sich breit.

Kathedrale Santiago de Compostela

Altar mit dem Apostel Jakobus

Da wir natürlich einwandfreie, regelmässig abgestempelte Pilgerausweise haben, holten auch wir im Pilgerbüro unsere Compostela ab. Man weiss ja nie, vielleicht brauchen auch wir nochmals einen neuen Job!

Zwei Tage ruhten wir uns in Santiago de Compostela aus. Die Stadt ist nicht nur ein religiöses Zent-rum, sondern auch eine lebendige Universitätsstadt mit vielen Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants-und Bars.

Das andere Santiago mit Park und Vergnügungsviertel

Bei diesem Angebot hatten wir keine Probleme unsere Zeit zu vertreiben. Am zweiten Morgen unseres Ruhetages goss es wie aus Kübeln, was uns veranlasste ohne schlechtes Gewissen, das Leintuch nochmals über die Ohren zu ziehen. Aber dann, am nächsten Tag, als das Unwetter vorbei war, packte uns erneut unsere Reiselust.
Schon im Mittelalter war die Pilgerreise für viele in Santiago de Compostela noch nicht zu Ende, sondern sie wanderten weiter ans Capo Finisterra. Dieser Ort, ca. 100 km hinter Santiago de Compostela gelegen, war schon für die Kelten, Phönizier und Römer ein spezieller Ort und sie feierten hier ihre Riten. Auch heute wandern viele Pilger weiter ans „Ende der Welt“, andere besuchen diesen Ort per Bus. Die Infrastrukturen sind auf diesem Wegstück nicht so gut ausgebaut wie auf dem Camino francés. Die lauschigen Plätzchen fehlen, vor allem aber die Unterkünfte. Wir wussten also, dass wir heute vorwärts fahren mussten und keine Zeit vertrödeln konnten. Ohne Irrwege durch die Aussenquartiere verliessen wir die Stadt und machten uns auf, durch den Gemüsegarten und die Eucalyptuswälder im Westen Galiziens. Die Eucalyptuswälder sind nicht ganz unproblematisch. Irgendwann wurden Samen dieser Pflanzen aus Australien nach Spanien importiert. Diese Bäume fühlten sich hier rasch heimisch und gediehen wunderbar.

Während der Franco-Diktatur wurden viele Gebiete mit Eucalyptusbäumen aufgeforstet. Diese Pflanzen brauchen erstens viel Wasser, zweitens gedeihen sie wie Unkraut und verhindern so das Wachstum einheimischer Pflanzen. Nicht einmal ein Waldbrand könnte sie dezimieren. Um das ökologische Gleichgewicht wieder herzustellen, werden diese Waldgebiete jetzt wieder gerodet und mit einheimischen Laub- und Nadelhölzern aufgeforstet. Auf unserer Fahrt wurden wir von unzähligen holzbeladenen Lastwagen überholt.
Etwas abseits der Strasse fanden wir eine kleine Bar für einen Durststopp. Die Bar war in einem neueren, stattlichen Haus untergebracht. Der Besitzer outete sich bald als ehemaliger Schweizer Gastarbeiter. 20 Jahre habe er in unserem Land gearbeitet, bis 16:00 in der Chemiefabrik, anschliessend für eine Reinigungsfirma. So hätte er Fr. 7000.00 monatlich verdient und konnte so sein schönes Haus in Galizien finanzieren, ohne jegliche Hypotheken der Bank. Sehr viele Männer aus dieser Gegend hätten ihr Geld in der Schweiz verdient. Alle neuen Häuser in der Umgebung wärenso mit Schweizer Geld gebaut worden.
Beim Einkauf im kleinen Lebensmittelladen, einige Dörfer weiter, wurden wir sehr freundlich von dessen Inhaber bedient. Er fragte uns nach unserem Ziel. Als wir ihm erzählten, dass wir aus der Schweiz mit dem Fahrrad hierhergefahren wären, erhellte sich sein Gesicht und es gab noch 2 Guetzli umsonst in unsere Tüte. Auch er erzählte uns, dass sehr viele „Gallegos“ in der Schweiz arbeiten würden. Wir hatten das Gefühl, die Schweiz sei für ihn das gelobte Land, wo Milch und Honig fliesst. Anschliessend gab er uns noch gute Tipps für die Weiterreise, die wir glücklicherweise befolgt hatten.
75 km mit 900 Höhenmeter bergauf und 1100 Höhenmeter bergab mussten wir hinlegen bis wir eine Bleibe für die Nacht fanden. Auf der Talfahrt nach Cée erblickten wir erstmals den atlantischen Ozean.

In dem breiten, grossen Bett schliefen wir wie die Murmeltiere. Nach dem Frühstück nahmen wir den letzten Rest zum Kilometer-Punkt 0 auf dem Jakobsweg in Angriff. Es verblieb nur noch ein kleines Stück zu radeln, deshalb kamen wir bereits vor Mittag an. Irgendwie führte uns ein Wegweiser zu einem kleinen Bijou von Hotel auf den Hügel vom Fischerdorf Finisterra.

Finisterra - Das Ende der Welt in Sicht!

Zwar eher für uns in der oberen Preisklasse, aber nach fast 2400 km auf dem Rad, durften wir uns diesen Luxus gönnen. Wir deponierten unsere Räder samt Gepäck. Das letzte Stück zum Leuchtturm legten wir zu Fuss zurück und genossen den Spaziergang rund um das Kap.

Beim Leuchtturm hofften wir auf eine Bar oder ein Restaurant, um unser Hüngerchen zu stillen. Alles war vorhanden, aber geschlossen! Einzig an einem Stand wurde verschiedenes Gebäck, alles Packungen in Grösse XXL und frische Kirschen aus dem Bierzo feilgeboten. Wir entschieden uns für die Kirschen.
Bis heute hält sich die aus mittelalterlichen Pilgerberichten überlieferte Tradition, die auf der Wanderung getragene Kleidung – oder zumindest Teile davon – beim Leuchtturm zu verbrennen. In der richtigen Reihenfolge ausgeführt – Bad im Meer, Verbrennen der Kleidung, Betrachten des Sonnenuntergangs – verspricht das Ritual, am nächsten Tag als neuer Mensch zu erwachen. Also mit dem Bad im Meer hatten wir der Temperatur wegen so unsere Mühe, zum Verbrennen unserer Kleidung waren wir wahrscheinlich zu geizig (Arbeitskleider konnten wir wegen Platzmangel leider nicht mitnehmen) und mit dem Sonnenuntergang schien es auch nicht zu klappen. So werden wir die Alten bleiben, obwohl diese Reise uns sicher auch verändert hat.

So marschierten wir wieder zum Hafen von Finisterra zurück. Dort gibt es eine kleine Statue: ein Galizier mit dem Koffer in der Hand. Er steht für die vielen, die aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Bedingungen ihr Glück in der neuen Welt suchten. In der Zeit von 1836 bis 1980 sind alleine 2,5 Millionen Menschen, zumeist Männer emigriert.

Auswandererdenkmal Finisterra

Nun sind wir also beim Kilometerpunkt 0 des Jakobweges angelangt.

km 0.000 vom Pilgerweg erreicht!

Wir sind froh, dass wir diesen Weg als Wegweiser gewählt hatten. Wir hatten viele Begegnungen und Gespräche mit interessanten Leuten aus aller Welt und wir fragen uns, wie es dem einen oder anderen ergangen ist.

Was für ein Schicksal verbirgt sich hinter diesem Schuh?

Wie weit ist Monsieur Ducommun, unsere erste Begegnung nach Genf? Wie geht es dem Bretonen Patrick und der sympathischen Walliserin Fréderique, die sich auf diesem Weg gefunden haben? Wo sind wohl die zwei bayrischen, aufgestellten Mädels Monika und Carola, die wir zwischen Molinaseca und O Cebreiro immer wieder getroffen hatten. Wie hat der Mann aus Belgien, den wir kurz vor Santiago getroffen haben, schliesslich sein Ziel erreicht? Nach einer schweren Krebsoperation am Hals, verursacht durch Passivrauchen, hat er sich mit dem 50 kg schweren (inkl. Gepäck und Ersatzbatterie) Elektro-Bike alleine auf den Weg von Belgien nach Santiago gemacht, in der Hoffnung, die Krankheit so zu besiegen. Als wir ihn trafen war er völlig entkräftet und demoralisiert. So hat jeder seine Erwartungen und Hoffnungen in den Jakobsweg. Wer mit Problemen gestartet ist, hat vielleicht eine Lösung gefunden – oder auch nicht! Es gibt einige Streckenabschnitte, die uns reizen würden einmal zu Fuss zu gehen. Wer weiss, vielleicht packt es uns einmal! Aber wir haben noch so viele Ideen. Nun können wir auch verstehen, dass man vom Pilgerweg-Virus gepackt werden kann. Es gibt ja ein ganzes Netz davon durch ganz Europa. Armin beteuerte immer sehr strikt, dass er kein Pilger sei. Kaum gab es aber irgendwo Pilgerrabatt, war er ein überzeugter Pilger.
Die Schweizer Radfahrer waren nicht schlecht vertreten. Alle haben sie uns überholt! Manchmal mussten wir auch schmunzeln. Meist waren es zwei Kollegen, die da zusammen unterwegs waren; der Eine sportlich und drahtig, der Andere etwas weniger sportlich und weniger drahtig. Jedes Mal, wenn wir uns trafen und wir sagten: „Heute ist für uns Feierabend“ wurden wir vom Letzteren be-neidet, weil er noch weiterfahren musste.
Im Geiste lassen wir nochmals die Regionen Rioja, Meseta, Paramo, La Maragarita, El Bierzo und das grüne Galizien an uns vorbeiziehen, erfreuen uns nochmals an den Störchen, die zwischen Burgos und Astorga jeden Kirchturm besetzt hatten. Wir haben immer noch den Kuckuck im Ohr, der uns von Genf bis Santiago de Compostela täglich begleitet hatte.
Das Wetter in Spanien war mit wenigen Ausnahmen trocken. Was uns jedoch immer wieder herausforderte, waren die grossen Temperaturunterschiede. Am einen Tag lechzten wir nach kühlen Getränken, am anderen Tag nach heisser Schokolade. Spanien ist eben mehr als Sonne, Palmen, Sand, Strand und Ballermann. Das mussten auch diejenigen jungen Pilger erfahren, die in St.Jean-Pied-de-Port in kurzen Hosen und Trägerhemd gestartet waren, in der Meinung, sie würden ja im Sonnenland Spanien wandern, und dann auf dem Ibañeta-Pass vom Schnee überrascht wurden.
Wir mussten feststellen, dass es in Spanien XXl-Bodegas und XXL Getreidesilos gibt. Unsere kosmetischen Vorräte sind langsam aufgebraucht und wir müssen jeweils Ersatz suchen, der in unser Gepäck passt. Kein leichtes Unterfangen! Die Packungen sind alle XXL, dazu noch Aktion, das heisst noch 50 % mehr Inhalt! So wird es langsam Zeit unsere Satteltaschen völlig zu entrümpeln und die ganz warmen Kleider nach Hause zu schicken. Schliesslich ist ja bald Juni!
Das nächste grosse Zwischenziel ist Tarifa, die südlichste Spitze der iberischen Halbinsel. Nun fragen wir uns, ob wir hier im Hafen nicht besser ein Pedalo kaufen sollten, um diese Ziel zu erreichen. So wäre alles auf Meereshöhe und es gäbe keine hohen Berge zu erklimmen!

St-Jean-Pied-de-Port – Roncesvalles 28 km
Roncesvalles – Pamplona 50 km
Pamplona – Estella 51 km
Estella – Logroño 48 km
Logroño – Santo Domingo de la Calzada 51 km
Santo Domingo de la Calzada – Villefranca Montes de Oca 35 km
Villefranca Montes de Oca – Burgos 54 km

Nach einem herzlichen Abschied von unseren Gastgebern in St. Jean-Pied-de-Port nahmen wir den Ibañeta-Pass in Angriff, der uns einigen Respekt einflösste, galt es doch 800 Höhenmeter zu bewältigen. Kurz nachdem wir St. Jean-Pied-de Port verlassen hatten, hiess uns die spanische Provinz Navarra willkommen.

Hola - España

Kaum im ersten Dorf angelangt, waren wir gleich mit einer Gruppe Spanier im Gespräch, besser gesagt im Gestotter. Englische, italienische und französische Wörter kamen uns in den Sinn, nur keine spanischen. Ab jetzt werden jeden Abend 10 Sätze aus dem „Langenscheidt Grundwortschatz“ gepaukt. Das Tal mit den steilen Felsen, das wir hinauf kletterten, ist mit der Schöllenen zu vergleichen. Nur gedeihen an den Abhängen keine Alpenrosen, sondern gelber Ginster.

Internationales Radlertreffen auf dem Ibañetapass

Nur wenige Kilometer nach der Passhöhe befindet sich Roncesvalles. Dieser Ort besteht eigentlich nur aus einer riesigen Klosteranlage und zwei kleinen Pensionen. In einem Teil des Klosters ist ein gediegenes Hotel untergebracht, in einem anderen Teil die offizielle Pilgerherberge, die Platz für 100 Personen bietet.

Roncesvalles

Unterwegs bekamen wir den Tipp, uns diese Herberge mal anzusehen. In unserem Führer lasen wir, dass hier keine Radfahrer akzeptiert würden. Trotzdem wollten wir kurz einen Blick in dieses historische Gemäuer werfen. Strikt und energisch wurden wir in unseren Velokleidern weggewiesen, mit der Begründung, diese Herberge sei nur für Pilger und nicht für Touristen. So kehrten wir in unsere Pension zurück und bestellten dort in der Bar selbstsicher dos ensaladas mixtas y dos cervezas. Und siehe da, wir bekamen das Richtige – also es geht doch! Die Pension bot ein Pilgernachtessen für 9.00 Euros an. Wir liessen 2 Plätze reservieren und waren gespannt, was uns da für diesen Preis geboten würde. Ein Topf mit Gemüsesuppe, anschliessend eine gebratene Forelle mit Pommes, zum Dessert ein Yoghurt, sowie eine Karaffe Wein und Wasser wurde uns als Pilgermenü aufgetischt.
Seit St. Jean-Pied-de-Port ist die Pilgerschar noch internationaler geworden. Selbst Japaner und Chinesen trifft man auf dem Camino. Beim Nachtessen wurde fast nur englisch gesprochen. Vor der Bar musste einer ein Bild von einer englischsprechenden Gruppe knipsen. Damit sie auf dem Foto freundliche Gesichter machen würden, brachte er ihnen das Wort „Ameisenscheisse“ bei und meinte, das würde ja sonst niemand verstehen. Erst als wir in Gelächter ausbrachen, merkte er, was er überhaupt gesagt hatte. Wir werden das Gefühl nicht los, dass unsere Reise am heutigen Tag einem Neubeginn gleich zu setzen ist.

Qué dia tan bonito! Nach der ersten Nacht in Spanien, als wir aus dem Fenster blickten, war da ein wolkenloser Himmel zu sehen. Das war eine Begrüssung! Es war zwar etwas kühl, aber schliesslich waren wir über 900 m über Meereshöhe. Solches Wetter hatten wir uns doch schon lange gewünscht und die Welt sieht doch bei Sonnenschein so schön aus. So war auch unser erster Eindruck von Spanien. Die wenigen Dörfer, die an unserem Weg lagen, sahen alle sehr sauber und gepflegt aus. Keine baufälligen Häuser, die zum Verkauf angeboten werden, wie in Frankreich. Der Baustil erinnerte uns ans Bündnerland, die Landschaft ans Obergoms.

Der einzige Nachteil war, dass wir in keinem Dorf einen Laden vorfanden, wo wir unser Picknick hätten einkaufen können. Schade, denn wir fuhren an so manchem idyllischen Picknickplatz vorbei. Man merkt sehr wohl, dass der Pilgerweg in Spanien eine lange Tradition hat. Unübersehbar ist der Camino francés ausgeschildert.

Ca. 10 km vor Pamplona konnten wir weg von der Hauptsrasse auf einen gemütlichen Radweg ausweichen, der uns am Ufer des Rio Argo entlang, durch das Naherholungsgebiet direkt ins Zentrum der Hauptstadt von Navarra führte.

Einfache Sache - immer diesen Markierungen folgen!

Pamplona, bekannt durch die Fiesta de San Fermin, wo die Stiere durch die Gassen gehetzt werden und durch Ernest Hemingway’s Roman „Fiesta“ zeigte sich uns als saubere Stadt, die mit ihrem etwas strengen Baustil eine gewisse Noblesse ausstrahlt. Wir hatten genügend Zeit, um uns die Kathedrale, ihre Umgebung und die Altstadt anzusehen.

Hemingwaydenkmal vor Stierkampfarena

Kathedrale und Kreuzgang in Pampona

Stilvolle Häuser

Besonders frisches Fleisch nach Stierkämpfen!

Der 8. Mai war definitiv nicht unser Tag! Der obligate Blick am Morgen aus dem Fenster liess uns aufheulen. Regen! Davon hatten wir wahrlich genug in den letzten Wochen. Am liebsten hätten wir das Leintuch wieder über unsere Ohren gezogen. Im selben Hotel war noch eine kleine Gruppe deutscher „Anfänger-Luxuspilger“ untergebracht. Dann die Szene, die uns jeweils zum Flüchten bringt! Wir setzten uns beim Frühstück an ein kleines Tischchen. Die junge Reiseleiterin hat das beobachtet und sich dann bei der Hotelangestellten beklagt, sie seien eine Gruppe und der Tisch gehöre ihnen. Zum Glück reagierte die Hoteldame nicht, denn sonst hätten wir unser Frühstück auf der Strasse essen müssen, denn es gab keine weiteren Tische. Zur Belohnung setzten sich zwei Damen aus jener Gruppe zu uns. Es waren genau diese Leute, die wir so heiss „lieben“, ob Deutsche oder Schweizer. Leute in einer Gruppe, die mal ins Ausland fahren und meinen, es müsse alles so wie zu Hause sein. Die Eine meckerte, weil auf ihrer organisierten Pilgerreise, in einer privaten Unterkunft nur ein Bett und ein Stuhl vorhanden war, kein Tisch etc. Wäre sie nur 20 km länger marschiert, hätte sie vielleicht in einem Hotel ein Zimmer, das ihren Ansprüchen entsprich, logieren können. Ein weiteres Problem für sie waren die Petflaschen, in Deutschland gibt es doch Pfand dafür! Ja, mein Gott, wir sind auf dem Jakobsweg in Spanien und nicht in Nordrhein-Westfahlen oder im „Züribiet“. Wir konnten es nicht lassen und liessen die Bemerkung „Luxuspilger“ fallen. Das hörten sie gar nicht gerne und meinte ihr Rucksack sei doch etwa 4 kg schwer. Andere buckeln 10 – 15 kg auf dem Rücken, das über 2000 km und sind zufrieden, wenn sie abends ein Bett zur Verfügung haben. Wir luden unser Gepäck auf unsere Räder und ergriffen die Flucht.
Pamplona ist eine fahrradfreundliche Stadt und der Jakobsweg bestens ausgeschildert. So fanden wir den Weg recht gut aus der Stadt, aber in der Agglomeration hatten wir so unsere Mühe, da wir nicht mehr dem Pigerwegzeichen folgen konnten. Diverse Leute wollten uns helfen, aber jeder erzählte uns etwas anderes. Am Schluss standen wir vor einer verbarrikadierten Autobahnzufahrt. Viel Zeit ging mit der verzweifelten Suche nach der richtigen Strasse verloren. Irgendwann fanden wir diese und was wir da sahen, war purer Wahnsinn. Ab Pamplona bis Santiago de Compostela wurde eine Autobahn gebaut, parallel dazu verläuft während ca.100 km eine sehr gut ausgebaute Nationalstrasse und kein Schwein fährt darauf. Nur zwei Schweizer Esel auf dem Jakobsweg geniessen das ungestörte Radeln darauf.

Luxusradweg nur für uns zwei!

Wir fragen uns, ob da etwa EU-Gelder verpufft wurden?
Am Nachmittag zeigte sich die Sonne, was aber nur ein Waschküchenklima verursachte. Das drückte uns fast in den Boden und es lief für uns einfach nicht richtig rund. In Puenta la Reina setzten wir uns auf eine Bank und versuchten unsere Laune mit frischen Erdbeeren aufzuheitern.

Puenta la Reina

Da kamen zwei Bikepilger aus Wales angebraust. Sie waren dem Wanderweg gefolgt. Heissa! Sahen die aus! Bis zum Kopf waren die mit Dreck zubetoniert. Die mussten sich am Abend mit der ganzen Ausrüstung unter die Dusche stellen. Ganz neidisch musterten sie unsere „sauberen“ Velos. Unser Nachtlager wollten wir in Ortschaft mit dem wohlklingenden Namen „Estella“ suchen. Mit Müh und Not erreichten wir denn auch unser Ziel, aber die Einfahrt in der Ort machte uns nicht gerade „gluschtig“. Eine stinkende Chemiefabrik und eine zerfallene Kirche begrüssten uns.

Mittelalterlicher Palast in Estella

Für alle unsere Mühen wurden wir schliesslich mit einer schönen Unterkunft mit zwei breiten Betten mit guten Matratzen belohnt. Nebst unserem Gepäck, schleppten wir auch unsere Fahrräder in den ersten Stock, sie durften auf dem Balkon übernachten.

Der graue Himmel am nächsten Tag sah eher nach Nebel aus. Kaum waren unsere Räder bepackt, war der Himmel auch schon blau. Ausgeruht und gut gelaunt schoben wir unsere Velos gleich steil den Berg hinauf zum Kloster Irache. Wir fahren ja durch die riesigen Weingebiete von Navarra und Rioja und begegnen somit auch vielen Weingütern, deren Namen man schnell wieder vergisst. Aber den Namen Bodega Irache vergisst keiner mehr, der je hier vorbeigekommen ist. Diese Bodega ist weltbekannt für den „Fuente de Vino“, den Weinbrunnen. Da ist tatsächlich an der Aussenwand ein Hahn angebracht, wo man sich mit Wein bedienen kann.

linker Hahn Wein - rechter Hahn Wasser

Jeden Tag werden 70 Liter für die Pilger zur Verfügung gestellt. Manch einer füllt sich da gleich die Flasche und nicht nur den Becher und so gehen die Pilger, die diese Stelle erst am Nachmittag passieren vielfach leer aus. Es war ja erst morgens 9:30 h, als wir vorbeikamen, trotzdem kosteten auch wir von dem feinen Saft. Es schien auch, als würde heute wieder alles wie am Schnürchen zu laufen. Wir genossen das schöne Wetter, die abwechslungsreiche Landschaft und einfach das ganze Leben,

bis Armins Drahtesel störrisch wurde. Wahrscheinlich hatte das Rad am Vortag (wen wundert’s) einen Schlag erlitten. Eine Speiche war gebrochen und die hinteren Bremsscheiben mussten ausgewechselt werden.

Mit Bedienungsanleitung geht's einfacher!

Die Bremsen reparierte Armin selbst, die Speiche liessen wir am Abend in Logrono in einer Werkstatt reparieren. Zum Glück hatten wir das nicht schon am Vortag bemerkt, sonst hätten wir alles einen Abhang hinunter geworfen. Unser Luxusradweg führte uns weiter durch Weinkulturen, Olivenhaine, vorbei an Mandelbäumen, am Horizont bereits die nächsten Schneeberge in Sicht, nach Logroño, der Hauptstadt von Rioja und Tapas.

Kathedrale von Logroño

Viel zu warm angezogen machten wir uns auf Entdeckungsreise durch die ansprechende Stadt. Wir müssen uns erst mal an Temperaturen bis zu 30° C gewöhnen. Wir haben immer noch etwas Eis vom Aubrac an den Zehen. Mit kühlem, fruchtigem Weisswein aus Rioja und einem Teller voll Tapas beschlossen wir diesen herrlichen Tag.

Unsere Räder nächtigten wieder im ersten Stock, dieses Mal in der Recéption.

Am nächsten Morgen sassen wir in einer Kaffeebar beim Frühstück, die vollbepackten Fahrräder draussen in Sichtweite. Wer kam denn da anmarschiert? Josef, der Bikepilger aus Süddeutschland, den wir in Arthez-sur Béarn bei unserem ersten Picknick getroffen hatten. Er trug nicht mehr Bike-montur, sondern war gekleidet wie ein fescher Pilger, mit Sonnenhut und Muschel. Sein Bike depo-nierte er in St. Jean-Pied-de-Port und hatte sich dort zum Fusspilger mutiert. Jetzt marschiert er bis ans Ende der Welt, fährt mit dem Bus zurück nach St. Jean-Pied-de-Port, holt sich dort sein Bike und will anschliessend nach Rom weiter radeln. So trifft man sich immer wieder und man hat den Eindruck, die Welt sei ein Dorf. Auf dem Velo-Pilgerweg verliessen wir Logrono. Da unsere Reise keine Flussvelotour ist, geht es auch ständig auf und ab. Die Fahrt durch die riesigen Weinbaugebiete des Rioja mit der rotbraunen Erde war beeindruckend.

Hoffentlich wir es ein guter Jahrgang

Weingut XXL für Schweizerverhältnisse

Wieder war ein Ort mit wohlklingendem Namen unser Ziel: Santo Domingo de la Calzada. Bei der Durchfahrt durch die Agglomeration überkam uns wieder das Gefühl, ups, schon wieder so ein öder Ort, wurden aber bald eines anderen belehrt. Um diese Jahreszeit wird der Santo Domingo gefeiert, der zu Lebzeiten viel Gutes getan hatte und bald nach seinem Tod „Heilig“ gesprochen wurde. So war also der ganze Ort in Feststimmung.

Esel für einmal nicht auf dem Jakobsweg

Bald mussten wir wieder Auskunft geben über das „Woher“ und „Wohin“. Aus einer ledernen Baskenflasche wurde uns Sangria zum Trinken angeboten. Der Ort lud uns also gleich zum Verweilen ein. Die Kathedrale ist bekannt dafür, dass in der Kirche ein Hühnerpaar lebt und dort ihr Futter pickt.

Hahn und Huhn in der Kathedrale hinter Gittern

Dies steht in Verbindung mit folgender Geschichte:
Etwa im 14. Jahrhundert sollen der deutsche Pilger Hugonell und seine Eltern in Santo Domingo auf ihrer Pilgerreise Halt gemacht haben. Als der junge Mann die Liebe der Wirtstochter verschmähte, bezichtigte die Beleidigte ihn des Diebstahls. Der junge Mann endete am Strick. Auf dem Rückweg von Santiago fanden die Eltern ihren Sohn am Ortseingang von Santo Domingo an einem Strick hän-gend, aber lebend, auf den Schultern des Santo Domingo. Als sie das dem Richter, der zu Tische sass, meldeten, erklärte dieser: „Euer Sohn ist so tot wie die Brathühner auf meinem Teller“. Noch wärend er sprach, erhoben sich die Tiere mit lautem Krähen. Die Richter trugen als Mahnung lange Zeit einen Strick um den Hals, der später durch ein bequemeres Band ersetzt wurde.
Die in der Kathedrale zur Schau gestellten lebendigen Hühner werden übrigens alle 3 Wochen ausgetauscht.

Eisenplastik vor Pilgerherberge

Heute tummelten wir uns den ganzen Tag auf dem Pilgerweg, auf einer meist unbefestigten Piste.

Kesselflickerpilger - eine neue Kategorie

Jeder Pilger hat sein eigenes Kreuz

weit ist der Weg.....

Einige Kilometer nach Santo Domingo de la Calzada verschwanden langsam die weiten Weinkulturen. Wir verabschiedeten von La Rioja und wechselten in die saftig grüne Provinz Castilla y Léon. Der Weg stieg stetig etwas an. So erreichten wir am Nachmittag staubig und verschwitzt den Ort Villafranca Montes de Oca auf über 945 m. Langsam gehören wir nicht mehr zu den Warmduschern, sondern das Wasser wird etwas kühler eingestellt. Wir beklagen uns auch nicht mehr über eiskalte Steinböden in den Hotels, sondern empfinden dies als Wohltat. Die Fusspilger suchen für die Rast ebenfalls Schattenplätze. So breitete ein Pilger unter dem Dach einer stillgelegten Tankstelle seine Liegematte aus und machte sein Mittagsschläfchen, oder ein japanisches Paar legte sich in einen kleinen Tunnel an den Schatten und stöhnte wegen der Hitze. Die meisten Japaner sind immer ganz in Kleider eingehüllt und tragen oft noch Handschuhe, um sich vor der Sonne zu schützen. Am Abend studierten wir lange die Karte, um herauszufinden, wie wir am nächsten Tag am ehesten Burgos erreichen würden. Der Pilgerweg war für uns nicht geeignet und die Nationalstrasse mit den vielen grossen Camions machte uns Angst. So blieben uns nur noch die Nebenstrassen über die Montes de Oca.

Störche lieben Kirchtürme als Nistgelegenheit

Frisch ausgeruht, in gemächlichem Tempo und allein auf der Strasse fuhren wir durch eine ganz andere Landschaft als am Vortag.

Strasse auf den Monte de Oca

Wir besuchten die Kirche San Juan de Ortega hoch auf dem Berg.

In lockerer Fahrt durchquerten wir einige kleine Dörfer, wie zum Beispiel Atapuerco. Erst nachher stellten wir fest, dass wir da an einem Unesco Weltkulturerbe vorbei gefahren waren. 1994 wurden dort die ersten 800 000 Jahre alten Knochenreste gefunden. Seither findet man immer wieder irgendeinen Knochen. Dadurch wurde das Dorf zur wichtigsten archäologischen Ausgrabungsstätte der Welt erkoren. Nach der zügigen Fahrt durch ein kilometerlanges Industriegebiet erreichten wir ohne grössere Probleme um die Mittagszeit Burgos, eine der wichtigsten Städte am Jakobsweg. Wir waren stolz, dass wir auch gleich ein Hotel im Zentrum fanden. Das sollte sich aber noch rächen. Die Stadt hat einiges zu bieten, so ein weiteres Kulturerbe, die riesige Kathedrale unter deren majestätischen Türmen, Spaniens beliebtester und schelmenhaftester Sohn, der mythische El Cid begraben sein soll.

mit jedem Stundenschlag verschlingt der Stundenschläger eine Fliege!

In den fünfziger Jahren wurde dessen Geschichte mit Charlton Heston in der Hauptrolle verfilmt. Wir hatten beschlossen, in dieser Stadt einen Ruhetag einzuschalten und hatten deshalb genügend Zeit für eine ausgiebige Besichtigung der Kathedrale und eine Stadtrundfahrt mit dem Treno turistico.

Plaza de San Fernando

Im Sommer schattenspendende Platanenallee

Zudem feierten wir unseren 40. Hochzeitstag, was Anlass für ein feines Nachtessen war. Als wir gegen 22:00 h zurück zum Hotel schlenderten, waren die Gassen voll von Leuten und eine fröhliche, südländische Stimmung herrschte. Die laute, heitere Stimmung dauerte dann bis in die Morgenstunden. Kaum war der letzte Nachtschwärmer verstummt, ging eine laute Prozession durch die Gassen. Wir trauten unseren Ohren nicht. Schlaf war in dieser Nacht Mangelware.

Seit einer Woche nun radeln wir durch Spanien und haben von diesem Land die ersten Eindrücke gesammelt. Der Jakobsweg als solcher, gehört ebenfalls zum Weltkulturerbe. Es sind ja sehr viele und verschiedene Erdenbürger, die sich darauf bewegen und es erstaunt uns immer wieder wie wenig Unrat herumliegt. An der Strecke Madetwil – Russikon liegen mehr Petflaschen oder Bierdosen als auf dem ganzen Weg in Spanien. Die Jakobspilger geniessen in Spanien (noch) einen gewissen Respekt. Sicher ist der Weg auch verkommerzialisiert worden, aber mancher Spanier hat dadurch ein Einkommen gefunden, was besser ist als alle EU-Hilfsprogramme. Die Kirchen und Kathedralen beeindrucken uns immer wieder. Sie sind schlicht gebaut und mit dem geschmackvollen Schmuck, zum Beispiel den goldenen Altären, strahlen sie eine gewisse Eleganz aus. Während die Kirchen auf der Via Podiensis in Frankreich manchmal fast dem Verfall nahe waren, sind die spanischen Kirchen sehr gut erhalten und gepflegt. Nicht nur die Kirchen, sondern auch die Städte und Dörfer werden sauber gehalten. Meistens, wenn wir morgens die Fahrräder satteln, haben die Putzfahrzeuge die Strassen schon gefegt.

Cahors – Moissac 73 km
Moissac – Lectoure 54 km
Lecture – Condom 36 km
Condom – Nogaro 53 km
Nogaro – Arzacq 53 km
Arzacq – Navarrenx 58 km
Navarrenx-Saint Palais 26 km
Saint Palais – St-Jean-Pied-de Port 32 km

Ausgeruht und mit frisch gewaschener Wäsche in den Satteltaschen nahmen wir den letzten Drittel unserer Frankreichdurchquerung in Angriff. Wir verliessen das traumhafte Lot-Tal und überquerten die letzten Ausläufer des Zentralmassivs. Am Morgen zogen wir die Regenhosen an und aus und an. Da es wärmer geworden ist, genügte ein Paar Socken. Am Nachmittag hellte sich der Himmel auf, so dass wir ohne Regenjacke unsere Kilometer hinunterspulen konnten. Die grossen Obstkulturen sind längst verblüht und die Früchte haben bereits angesetzt. Zwischen den Obstkulturen findet man immer wieder kleine Rebberge, wo die Chasselas-Traube angebaut wird. Wir verliessen unseren Weg kurz und stiegen hinauf in das mittelalterliche Städtchen Lauzerte. Unter den Arkaden, am Marktplatz, in einer Bar, bestellten wir Tapas, unsere erste Vorfreude auf Spanien.

Arkaden schützen uns vor dem Regen

Es gibt noch einiges zu tun!

Es wurde ein richtig schöner „Velölitag“ den wir in Moissac, am Ufer des Tarn beendeten. Die Kathedrale von Moissac ist beeindruckend und was mit uns davor geschah, irgendwie lustig.

Kathedrale Moissac

Unzählige Male mussten wir Auskunft geben über das „Woher“ und das „Wohin“. Manche haben wir schon inspiriert mit unserem totalen Break zwischen Arbeitsleben und Rentnerdasein. Von der Kathedrale kamen wir fast nicht mehr weg. Viele Pilger und auch Touristen standen um uns herum. Jeder wollte noch etwas wissen. Welche Karten, GPS ja oder nein, wie viele Kilometer pro Tag? Kritisch wurde unsere Ausrüstung begutachtet. Ein Wunder, dass wir nicht noch abgetastet wurden, um zu prüfen ob wir wirklich von dieser Welt sind.

Die Wetterprognosen für den nächsten Tag waren nicht vielversprechend und so zeigte sich auch der Himmel uni grau, undefinierbar ob Wolken oder Nebel – was soll’s! Mit der heutigen Etappe kreuzten wir unsere Tour von 1999, „vom Atlantik ans Mittelmeer“. Heute ist diese Route als „Veloroute des deux mers“ ausgeschildert. Damals hatten wir unseren Weg noch selbst zusammen geschneidert. Wer hat’s erfunden? Zwischen dem Canal lateral und dem Fluss Garonne folgten wir 16 km lang dem Pilger- und Veloweg, fernab vom Verkehr.

An die 70 Pilger haben wir dabei überholt und ihnen fröhlich „buen camino“ gewünscht. Als sie beim Vorbeifahren unser Schweizer Kreuz auf dem Gepäck bemerkten, flüsterten sie halb laut: Oh, ce sont des Suisses! Also doch Exoten? Einige unserer Bewunderer vom Vortag waren auch dabei, so zum Beispiel der Urner, der vor 10 Monaten in Krakau (Polen) startete und jetzt noch auf den letzten 1000 km den Endspurt hinlegt, zu Fuss wohlverstanden. Nach der Überquerung der Garonne erreichten wir die Gascogne. Gascogne, das heisst: weites, hügliges Agrarland auf den Vorläufern der Pyränäen, bekannt für Gänseleber und Armagnac. Rindvieh und Schwein beherrschen das Feld nicht mehr, sondern Gänse und Enten, sogar Bio-Tafel-Schnecken werden am Strassenrad angeboten. Ob Rebbau, Obst, Gemüse oder Korn, alles gibt das Land her. Wie damals, 1999, besuchten wir den Ort Auvillars, mit der schönen Sicht über das Tal der Garonne.

Auvillars

Nur mit der Weitsicht klappte es heute nicht so ganz.

Raps-odie in grau

Im kleinen Gemüseladen im Ort wurden Erdbeeren aus Spanien angeboten, während 2 km hinter dem Ort, im Talboden, die einheimischen Beeren gepflückt wurden. Die Ortschaft Lectoure war schliesslich unser Tagesziel. Auf dem abendlichen Spaziergang durch das Dorf, hörten wir plötzlich liebliche Klänge aus der riesigen Kathedrale. Ein Chor und ein Kammerorchester aus Toulouse übte für die Aufführung am Abend das Cherubini-Requiem.

Insidern kommt das bekannt vor!

Der Chorleiter dirigierte im Wintermantel! Wir setzten uns für einen Moment in die eiskalte Kirche und erfreuten uns an der Musik. Am heutigen Tag hatten wir unseren 1000 sten selbstgefahrenen Kilometer gefahren, ein Grund zum Feiern, mit einem Glas Armagnac nach dem Nachtessen.

Anderntags, als wir aus unseren Kissen blinzelten, was war das, was in unser Zimmer schien? Etwa ein Scheinwerfer? Nein, es war tatsächlich die Sonne!

Blitzschnell verstauten wir unsere warmen, wasserdichten Socken, langärmligen T-Shirts und Regenjacke und stellten auf Sonne um. Der Reise-führer versprach uns für heute eine flache Etappe. Nun, so flach war es dann doch nicht. Beim Ver-lassen von Lectoure sah man in der Ferne die tiefverschneiten Pyränäen. In einigen Tagen werden wir vor diesen Bergen stehen. Bei unserer Fahrt über die Hügel, fiel uns schon bald die riesige Ka-thedrale von La Romieu auf, ebenfalls ein Unesco Weltkulturerbe.

Kathedrale mit Kreuzgang von La Romieu

Ein beeindruckendes Bauwerk , aber ohne Kirchenschmuck. Die Kirche wurde während den Religionskriegen im Mittelalter von den Protestanten ausgeräumt. Beim Spaziergang durch das Dorf, bei genauem Hinsehen, entdeckt man überall Steinkatzen. Sie stammen aus folgender Legende:
„ Angeline, ein Waisenkind, liebte Katzen und wurde nie ohne sie gesehen, ob sie ass, schlief oder auf dem Feld arbeitete. Doch als dann eine grosse Hungersnot das Land heimsuchte, schlachteten die Bauern auch ihre Katzen. Angeline aber versteckte eine Katze und einen Kater auf dem Dachboden und liess sie nur nachts zum Jagen hinaus. Nach ein paar Jahren trugen die Felder wieder reiche Ernte. Nun machten die Ratten den Menschen den Ertrag streitig. Da liess Angeline ihre Katzen heraus, die inzwischen zahlreichen Nachwuchs hervorgebracht hatten. Die Kätzchen fanden auf den Bauernhöfen ein neues Zuhause, und die Ratten verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren.“

Angelines Katzendenkmal

Nach einigen weiteren Kilometern überraschte uns Condom (und das am Jakobsweg, oder eben erst recht?) mit einer imposanten Kathedrale.

Besser aber gefielen uns die Plastiken von Tartagnin und den drei Musketieren vor der Kirche.

Die Freude am Sonnenschein war von kurzer Dauer. Der nächste Tag endete, wie er begann, mit Dauerregen. Die Luxuspilger im Hotel begannen sich zu beklagen. Von den ergiebigen Niederschlägen der letzten Tage sind die Wanderwege aufgeweicht.

Sumpf nichts als Sumpf

Die Wanderer bleiben im Sumpf stecken und der Schlamm dringt oben in die Schuhe. Vor jedem Hotel ist abends grosse „Schuheputzete“ mit Schlauch und Bürste. Da haben wir es bequemer, unsere Schuhe bleiben sauber, wir kippen sie einfach, um das Wasser auszuleeren. Heute lernten wir eine neue Spezies von Pilgern kennen – die Taxipilger! Als wir so klatschnass in Montréal ankamen, uns unter die regengeschützten Arkaden stellten und auf unseren Landkarten orientieren wollten, sassen zwei deutsche ältere Herren, jammernd und Wunden leckend, an einem Bistrotischchen. Seit drei Tagen (!) seien sie schon unterwegs und solch schlechtes Wetter, sie möchten gerne nach Pamplona wandern, aber bei diesem Wetter würden sie das nie erreichen. Wir konnten es nicht lassen und machten trotz Regenwetter einige Witze. Der eine bedankte sich und meinte, wir hätten heute bereits eine gute Tat vollbracht, wir hätten ihn heute zum ersten Mal zum Lachen gebracht! Mit ihren Handys bestellten sie ein Taxi. Sie hatten Angst, nicht zeitig genug in Eauze anzukommen und in der Herberge keinen Platz mehr zu finden. Einige Kilometer ausserhalb von Montréal wurden wir von ihrem Taxi überholt und der Taxifahrer spritzte uns bei seinem Überholmanöver ganz gewaltig an. Anscheinend liessen sich bis kurz vor Eauze chauffieren, um dann doch noch einige Meter zu Fuss zu gehen. Jedenfalls holten wir sie kurz vor ihrem Etappenziel ein und das Gejammer ging wieder los. Wie kleine Kinder kamen sie uns vor: Mami, wie lang gahts no, bis mir det sind? Grosse Lust zum Fotografieren und kalte Kathedralen anschauen verspürten wir an diesem Tag nicht. So machten wir nur eine kurze Mittagsrast in Eauze, der Kapitale des Armagnacs. Im Café de la France sass eine echte Berliner Schnauze neben uns, die uns kaum Zeit und Ruhe zum Essen liess. Sie sass bei einer kleinen Tasse Kaffee und bettelte dann von uns das Brot, das zu unserem Imbiss serviert wurde. Ihr Brot sei nach zwei Tagen im Rucksack pampig geworden. Seit 5 Jahren lässt sie Papa jedes Jahr für 3 – 4 Wochen allein in Berlin zurück und macht sich ganz alleine auf den Jakobsweg. Gestartet ist sie damals in Salzburg. Wir könnten uns vorstellen, dass Papa diese jährliche Auszeit in vollen Zügen geniesst. Nach dem Essen nahmen wir trotz Regen nochmals 20 km unter die Räder. Kurz vor Erreichen von Nagaro setzte Petrus, betreffend Regenguss, nochmals kräftig eins drauf.

Es machte den Anschein, dass sich der Himmel am Vortag ausgeweint hätte. Die Gewässer sind inzwischen randvoll. Gut, wenn der Regen mal innehält. Ein sonniger und warmer Tag erwartete uns und wir warfen sogar richtige Schatten.

Breite Schatten

Zügig und motiviert fuhren wir übers Land und die weissen Pyränäen kommen bedrohlich näher. Am Abend, in Arzacq, im Pfarrsaal, liessen wir uns belehren, dass wenn man von dieser Ortschaft aus die Pyränäen sieht, werde es anderntags regnen! Mit der heutigen Etappe verliessen wir die Gascogne wieder. In der Landwirtschaft überwiegen nun die Maisfelder. Die Enten und Gänse brauchen ja dieses Futter, um gestopft zu werden. Kühe und Schafe übernehmen auf den Feldern ebenfalls wieder die Herrschaft. Die Kathedralen, resp. Kirchen werden wieder bescheidener. Ab und zu sieht man bereits eine Palme oder eine schattenspendende Pinie.

Der Baustil mutet südlich an. Grosse Bewässerungsanlagen auf den Feldern zeugen von Trockenperioden. Arzacq, unser Etappenziel,ist ein Beispiel dafür, dass ein bisher unbekannter Ort durch die Wiederbelebung der Via Podiensis einen beachtlichen Aufschwung erfuhr. So kann man z. B. das „Maison de Jambon“ besuchen, wo man einiges über die Herstellung von „Jambon de Bayonne“ erfährt. Heute wurde auch der 1. Mai gefeiert. Es scheint ein alter Brauch zu sein,, dass in allen Ortschaften am Strassenrand Maiglöckchensträusschen verkauft werden.

Zum Glück bewahrheitete sich die Bauernregel von Arzacq, mit der Sicht in die Pyränäenund dem Regen nicht. Mit dem Monatsnamen hatte sich auch das Wetter geändert. Da sich ein klitzekleines Sonnenbrändchen, wegen der Sonnenstrahlen vom Vortag, an unseren Armen bemerkbar machte, holten wir heute schnell unsere Sonnencrème und Sonnenbrille aus unserem Fundus. Die Radlerhosen und Socken wurden kürzer. Wir meisterten auf 57 km Hügelzug um Hügelzug, jedes Mal mit der dazugehörigen Berg- und Talfahrt. In Morlanne, aus dem Schlossgarten, tat sich eine atemberaubende Aussicht auf die kilometerlange Bergkette der Pyränäen auf. Berge, die aussehen wie Matterhorn oder Spitzmeilen kamen zum Vorschein.

Matterhorn?

Schloss Morlane

Wir kamen ins Schwärmen von einem Haus im hiesigen Baustil mit Sicht in die Berge. Erstmals seit Wochen, trat so eine komische Flüssigkeit, namens Schweiss, aus unseren Poren. Die angenehme Temperatur und das schöne Wetter verleitete uns zu einem Picknick in Arthez sur Béarn.

Im Dorfladen trafen wir auf ein Ehepaar aus dem Appenzellerland und wenig später kam ein junger, süddeutscher Bikepilger angefahren. Wir tauschten uns aus und machten den jungen Mann auf unseren Blog aufmerksam. Er war erstaunt, dass wir in unserem Alter noch so etwas machen, er hätte lange nicht gewusst, dass es so was gäbe. Tja, von den vifen Söhnen haben wir es gelernt! Am Abend, in Navarrenx am Gave d‘Oloron konnten wir zum ersten Mal ohne dicke Faserpelzschicht durch den Ort schlendern und unseren Apéro in einer Gartenwirtschaft geniessen.

Stadtmauer von Navarrenx

Ein weiterer sonniger Tag wartete auf uns. Die Höhenprofile in unserem Führer erscheinen so flach. Tatsächlich aber überwanden wir wiederum Hügelzug um Hügelzug und so ergaben 10 Mal am Tag 100 m bis am Abend auch 1000 Höhenmeter. Inzwischen sind wir im französischen Baskenland angekommen, das mit dem hügligen Appenzellerland zu vergleichen ist. Bewaldete Hügel, Weiden mit Schafen,

dichtere Bevölkerung und das Hochgebirge im Hintergrund lassen uns Vergleiche ziehen mit der Schweiz. Vor Mittag kamen wir in St. Palais an. Das sympathische Städtchen lud uns zum Verweilen ein. Deshalb entschlossen wir uns heute für eine Kurzetappe. Was soll’s´? Wir haben Zeit! So standen wir vor Mittag schon wieder unter der Dusche in einem Hotelzimmer mit Balkon, erlaubten uns ein „Mittagspfüsi“ und liessen es uns wohl sein.

Heute nahmen wir die letzte Etappe vor dem Aufstieg in die Pyränäen in Angriff. Wir passierten den Stein von Gibraltar, wo die Jakobswege von Tours, Vézelay und Le Puy-en-Velay zusammentreffen.

Stein von Gibraltar

Bis anhin sahen wir noch wenige Velopilger, aber seit dem Zusammenschluss dieser drei Wege, schossen sie wie Pilze aus dem Boden. Ab nun heisst es Ruhe bewahren und sich nicht durch die Tagesleistungen der Anderen beirren zu lassen. Oftmals ist nicht derjenige, mit der höchsten Tagesleistung am schnellsten am Ziel und schliesslich ist der Weg unser Ziel. So radelten wir gemächlich in unserem Tempo unserem letzten Etappenort in Frankreich, St. Jean-Pied-de-Port zu.

Altstadt -St. Jean-Pied-de-Port

Früher, wenn sich ein Pilgerzug der Ortschaft näherte, läuteten die Glocken und die Bewohner traten aus den Häusern um den Pilgern einen Almosen zu geben. Leider wurde dieser Brauch abgeschafft, wegen uns läuteten weder die Glocken, noch bekamen wir einen Almosen. Nein, wir mussten sogar um ein Bett kämpfen. In diesem Ort, am Fuss des Ibaneta-Passes, ist ganz schön was los. Viele Pilger wählen diesen Ort als Startpunkt. Andere beenden hier vorerst mal ihren Pilgermarsch, um nächstes Jahr hier wieder fortzufahren. Zudem ist die Umgebung ein ausgesprochenes Wandergebiet für diverse Bergtouren und „at last but not least“ gibt es noch ganz gewöhnliche Touristen. In einer Gîte d’etape (Herberge) fanden wir dann doch noch ein Bett, das heisst, wir mieteten ein 4-Bett-Zimmer für uns allein. Die Preise sind bescheiden, deshalb konnten wir uns das leisten. So mussten wir nur die sanitären Anlagen mit anderen Leuten teilen. Zum ersten Mal kamen unsere Seidenschlafsäcke zum Einsatz. Nichts nahmen wir vergebens mit. Am Abend teilten wir den Tisch mit zwei Kanadier und einem französischem Ehepaar. Die Situationen ergeben immer interessante Gespräche. So ist unser Französisch wieder fliessender geworden. Vom Besitzerpaar, beides gelernte Köche, wurden wir mit baskischer Küche verwöhnt. Unsere Wäsche wurde in dieser Unterkunft ebenfalls gewaschen und getrocknet. So machten wir wieder eine positive Erfahrung, die wir gerne weiter auf unsere Reise mitnehmen.

Seit unserer Abreise am 2. April legten wir über 1400 km bis an die spanische Grenze, ganz im Wes-ten Frankreichs zurück, wovon ca. 1100 km in Frankreich. Seit Genf fuhren wir durch viele verschie-dene Regionen mit verschiedenen kulinarischen Spezialitäten. Jede Landschaft hatte ihren ganz besonderen Reiz, trotz des schlechten Wetters. In die eine oder andere Region würden wir gerne nochmals zurückkehren. Neben der französischen Sprache sind wir noch zwei weiteren, für uns unbekannten Sprachen begegnet. In der Umgebung von Cajarc waren die Ortstafeln zweisprachig angeschrieben, französisch und okzident, im Baskenland neben Französisch noch Baskisch.

Zeisprachige Ortstafeln

Baske Armin

Trotz der Nähe zu Spanien ist die baskische Sprache überhaupt nicht verwandt mit dem Spanischen. Die französischen Basken distanzieren sich ganz und gar von den spanischen Basken. Sie würden in der Landwirtschaft und im Tourismus arbeiten, die spanischen Basken in der Industrie.
Da wir die französischen Präsidentschaftswahlen hautnah miterlebt hatten und die letzten Wochen der Himmel voller grauen Wolken war, fragen wir uns ob das ein Vorzeichen sei, für Frankreichs politische Zukunft. Wir diskutierten viel mit den Leuten, Viele warfen beim zweiten Wahlgang ihre Wahlzettel blank in die Urne. Keiner sei brauchbar, weder Sarkosy noch Hollande.
Wir sind überrascht, wie oft unser Blog besucht wird und wie doch Interesse an unserem Abenteuer besteht. Wir freuen uns über jeden Kommentar oder E-Mail. Oft kommt die Frage auf, wie es unseren Hinterteilen geht. Wir können nur sagen – sehr gut! Die Investition in neue, etwas breitere Gel-Sättel hat sich gelohnt. Manch sportliche Radfahrer mag darüber schmunzeln, aber wir sitzen wie auf einem Sofa. Zudem werden diese Körperteile täglich mit verschiedenen Salben gepflegt. Trotz der kalten und feuchten Wetterverhältnisse hatten wir nie den kleinsten Anflug einer Erkältung. Reiseapotheke und Veloreparaturtasche wurden nie geöffnet. Hoffentlich bleibt es weiter so. Wir greifen uns an den Kopf – Holz alandge! Zur Verhinderung von Wadenkrämpfen gibt es Magnesium, sowie wärmende und kühlende Gels. Einzig die Waden entwickeln sich langsam zu Betonpfeilern. Wahrscheinlich tragen wir bei unserer Heimkehr die Hosenbeinweite XXXL!

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