Finisterra – Muros 55 km
Muros – Noia 32 km
Noia – O Grove 90 km mit Autobus
O Grove – Pontrevedra 49 km
Pontevedra – Tui 52 km
Tui – Pomte de Lima 44 km
Ponte de Lima – Barcelos 35 km

Heute nahmen wir erstmals Abschied von den Jakobspilgern. Auf der Strasse, zurück nach Cée, riefen wir ihnen zum letzten Mal ein „Buen Camino“ zu. In Cée hielten wir zuerst Ausschau nach einem Pedalo. Wir fanden jedoch keines, das uns garantiert heil an der Costa del Morte vorbei bringen würde und vor allem gab es keinen Pilgerrabatt. Also fahren wir weiter Velo. Wir folgten der zerklüfteten Küstenstrasse, Richtung Süden, durch ein ganz anderes Galizien. Links von uns schroffe, unwirtschaftliche Berge, rechts von uns der atlantische Ozean. An der felsigen Küste kamen immer wieder kleine Buchten mit weissem Sand und türkisfarbenen Wasser zum Vorschein.

Lange Zeit blieb das Capo Finisterra, auf der gegenüberliegenden Seite des Fjords, in Sichtweite.

Letzter Blick zurück nach Finisterra

In den Dörfern, rund um die Häuser, wurde jeder fruchtbare Fleck in einen Gemüsegarten verwandelt.

In Muros, einem Fischerort mit ca. 10 000 Einwohnern liessen wir es für diesen Tag gut sein. Dieser Ort war in früheren Zeiten ein wichtiger Handelshafen für Santiago de Compostela, heute lebt er vom Fischfang. Grossartige Kulturdenkmäler gab es hier nicht zu sehen. Mit einem Spaziergang durch den Hafen und einem Nachtessen in einer Hafenkneippe war es dann auch getan.

Verschlafenes Muros

Für den heutigen Tag planten wir eine Kurzetappe. Noia, am hintersten Ende des Fjords, war unser Ziel.

Noia

Wir wollten uns Zeit nehmen, um unsere Satteltaschen zu entrümpeln und das inzwischen überflüssig gewordene Material nach Hause zu schicken. So fragten wir uns erstmals nach der Post durch und holten dort zwei grosse Kartons. Auf einer Parkbank neben der Post entleerten wir unsere Satteltaschen und füllten die Kartons. Ein weiteres Ziel war der Busbahnhof. Wir wollten abklären, ob es eine Möglichkeit gibt, mit dem Bus von Noia nach Padrõn zu kommen. Diese Etappe wäre eine ziemliche Durststrecke mit vielen Höhenmetern, ohne Dörfer mit Übernachtungs- oder Verpflegungsmöglichkeiten. Armin klärte alles wunderbar ab, während ich die Velos hütete. Heute war es für dieses Unterfangen schon zu spät, denn der Bus fährt diese Strecke nur einmal pro Tag und zwar um 10:20 h. Wir suchten uns in Noia eine Unterkunft, um am nächsten Tag diese Reise zu unternehmen. Erstmals fassten wir all unseren Mut und bestellten zum Abendessen Galiziens Nationalgericht „Pulpo a Feira. Das sind gekochte, in ca. 2 – 3 cm geschnittene, mit Olivenoel und Paprika gewürzte Krakenbeine. Von O Cebreiro bis an die Küste wurden diese Dinger angeboten. Die unappetitlichen Saugnäpfe hatten uns bis jetzt abgeschreckt. Wir mussten jedoch eingestehen, dass diese Speise sehr bekömmlich ist.
Heute Morgen beim Einräumen unserer Satteltaschen stellten wir eine erhebliche Gewichts- und Platzreduktion fest. Anschliessend suchten uns eine Bar für unser Frühstück. Wir wollten zeitig am Busbahnhof sein, das heisst spätestens um 10:00 h, falls es Schwierigkeiten mit den Rädern geben sollte. Irgendwie wurden wir von einer inneren Kraft getrieben, so dass wir schon am 9:30 h reisebereit dort standen. Obwohl wir einige Kilometer von jeglichen Pilgerwegen entfernt waren, trafen wir dort auf eine ganz neue Art von Pilger. Ein zerzauster, gesprächiger Spanier sass auf der Wartebank, mit Wanderschuhen an den Füssen und am Rucksack baumelte eine Jakobsmuschel, das Kennzeichen der Pilger. Er erzählte uns, dass er aus Südspanien stamme und während 3 Monaten und 2 Tagen auf dem mozarabischen Jakobsweg nach Santiago gepilgert sei. Er zog einige kupferne Euro-Cents aus der Tasche und jammerte, das sei sein letztes Geld. Das würde ein langer, harter Tag für ihn werden. Sein Bruder würde ihm am nächsten Tag Geld schicken. Ein Bettler-Pilger? Später wurde uns erklärt, dass es auch solche gäbe, zu Hause zwar vermögend, sich aber durch alle Pilgerwege durchbetteln und sich dann brüsten, wie günstig das Pilgern sei. Uns kam er jedenfalls suspekt vor. Während wir mit ihm im Gespräch waren, kam fast unbemerkt ein Kleinbus angefahren. Der Chauffeur fragte uns nach unserem Ziel. Als wir Padrõn nannten, hiess es gleich Velos einladen und einsteigen. Wir staunten nicht schlecht, als der Bus um 9:40 h startete und nicht 10:20 h. Das Glück war wieder einmal auf unserer Seite!
Es war schon ein komisches Gefühl nach Wochen wieder einmal in einem Auto zu sitzen. An die Geschwindigkeit mussten wir uns erst gewöhnen. Als wir die einsame Landschaft mit ständigem bergauf und bergab sahen, waren wir überzeugt, dass wir die richtige Entscheidung mit der Busfahrt getroffen hatten.
Die Stadt Padrõn ist in doppelter Hinsicht bekannt. Einerseits liegt sie am portugisischen Jakobsweg und ist für die Jakobspilger ein wichtiger Ort. Der Leichman des in Jerusalem hingerichteten Apostel Paulus wurde von zwei seiner Schüler per Schiff nach Padrõn gebracht und von da mit einem Och-senkarren nach Santiago de Compostela transportiert.
Andererseits ist diese Stadt für eine kulinarische Spezialität, die man in ganz Spanien isst, bekannt -die Pimientos de Padrõn. Das sind kleine, geröstete und gesalzene Paprikaschoten, die fast süchtig machen und als Vorspeise gegessen werden. In der Umgebung von Padrõn wird dieses Gemüse kultiviert.
Trotz Pimientos lud uns die Stadt nicht zum Verweilen ein. Vielleicht lag es auch am bewölkten, feuchtwarmen Wetter. Da wir schon im Busbahnhof waren und Busfahren so schön ist, erkundigten wir uns nach einem Bus nach O Grove. Nach nur einer Stunde Wartezeit konnten wir in den entsprechenden Bus einsteigen. Für 7.50 Euro/Person fuhren wir schliesslich 3 Stunden Bus und waren 90 km weiter. Ursprünglich beabsichtigten wir, 2 – 3 Tage auf der Halbinsel O Grove zu bleiben und einmal Sonne, Sand und Meer zu geniessen. Aber wie so oft im Leben kam es anders. Sand und Meer wären da gewesen, aber die Sonne liess uns im Stich. Technische Probleme an Armins Velo veranlassten uns denn auch, in der Stadt eine Unterkunft zu suchen, statt wie vorgesehen etwa 3 km ausserhalb, auf dem Lande. Nach der Busfahrt hatten wir festgestellt, dass das Hinterrad plötzlich einen Plattfuss hatte und der Pneu abgeraspelt war. Von keiner Fahrzeugkontrolle wäre dieser Pneu noch akzeptiert worden. Wir fragten uns nach einer Veloreparaturwerkstätte durch. Der Meister dort, versicherte uns, bis abends 20:00 h alles zu reparieren und beide Velos zu kontrollieren.

Aufzucht verschiedenster Meeresfrüchte in der Bucht vor O Grove

O Grove ist übrigens ein Eldorado für Liebhaber von Meeresfrüchten. Noch nie schmeckten sie so frisch und gut, wie hier.

Am folgenden Morgen, als wir die Räder aus der Garage holten, war die Luft des reparierten Reifens schon wieder draussen. Um 8:00 morgens öffnete der gute Mechaniker seine Türe natürlich noch nicht. Mit der kleinen Handpumpe wurde der Schlauch wieder gefüllt. Trotz dem unsicheren Gefühl wagten wir eine Rundtour durch die noch verschlafene Halbinsel O Grove und hofften auf eine offene Kaffeebar. Leider ohne Erfolg. So verliessen wir das wolkenverhangene O Grove. Wieder folgten wir der Küstenstrasse Richtung Pontevedra. Eine Ferienanlage reiht sich an die andere. Zu dieser Jahreszeit sind jedoch fast alle noch geschlossen. Mit den grauen Wolken wirkte alles etwas geisterhaft. Nach einigen Pumpaktionen erreichten wir vor Mittag Sanxexo, wo wir einen kompetenten Velohändler fanden, der das Rad in kürzester Zeit wieder auf Vordermann brachte. Anschliessend füllten wir erst einmal den Magen. Die letzten Kilometer nach Pontevedra fuhren wir fast leicht beschwingt.
In Pontevedra wurde einst Christopher Kolumbus Schiff, die „Santa Maria“ gebaut. Deshalb ist die grosse Kirche „Santa Maria“ auch den Seefahrern geweiht.

Seefahrerkathedrale Santa Maria Pontevedra

Zu dem liegt Pontevedra am portugiesi-schen Jakobsweg, der von Porto nach Santiago de Compostela führt.

Wir beschlossen, ab Pontevedra dem Jakobsweg rückwärts zu folgen. Ein Pilger von Süden kommend, der in derselben Pension übernachtete, hatte das Gefühl, der Camino portugués sei eher eine Radfahrerstrecke, als eine Wanderroute, da die Route sehr viel der asphaltierten Strassen entlang verlaufe. Ausserdem sei die Weg sehr gut markiert, wie überall, Richtung Santiago mit gelben Pfeilen, Richtung Porto mit blauen Pfeilen.

Auch unser Velo-Pilgerführer ermunterte uns, dem Jakobsweg Richtung Süden zu folgen. Es gäbe einige Schiebestellen, aber der Weg durch den Wald lohne die Mühe. Lange Zeit ging alles gut, bis wir im Wald vor einer Gabelung standen, ohne jegliche Markierung. Das eine Strässchen asphaltiert, das andere eine gröbere Geröllhalde. Die Versuchung war gross. Armin, als ehemaliger Pfadfinder, hatte den richtigen Spürsinn und wählte die Geröllhalde. Über Stock und Stein schoben wir die Räder bergauf und wieder runter. Eine schweisstreibende Aktion! Ein entgegenkommender Pilger riet uns, besser auf der Strasse zu bleiben. Das was wir hier erleben, sei nur 10 % von dem was noch folgen würde. Eigentlich hätten wir es ja wissen müssen. Wanderführer mit Velovarianten sind nicht das Evangelium. Auf der Strasse angelangt, standen wir an einer Verzweigung und fragten uns, in welche Richtung es wohl gehen würde. Da hörten wir plötzlich komische Geräusche, ein Wimmern. Da lag doch tatsächlich eine Spankiste im hohen Farn mit 5 – 6 kleinen Hundewelpen. Einfach so, mitten im Wald ausgesetzt und zu einem jämmerlichen Tod verurteilt. Hilflos mussten wir diese Tatsache akzeptieren.
Am Nachmittag ging dann ein langersehnter Traum in Erfüllung. Seit wir unsere grossen Velotouren machen, träumten wir davon, einmal auf einer Autobahn zu radeln. Ab O Porrino waren auf unseren Karten nur noch Autobahnen Richtung Tui, an der portugiesischen Grenze eingezeichnet. Mehrmaliges Fragen im Ort half nichts, alle wiesen uns auf diese Strasse. Verbotstafeln, wie üblich waren keine vorhanden. Also fassten wir den Mut, Augen zu und durch! Da es nicht bergab ging, unterliessen wir es, auf die Überholspur zu wechseln. Bei der nächsten Ausfahrt brachen wir das Abenteuer ab und fanden dann auch die alte Nationalstrasse nach Tui. Aber wir haben es bewiesen – wir sind Highway tauglich!

Kathedrale Tui

Wir verliessen nun das grüne Galizien, von dem wir einige verschiedene Facetten kennengelernt haben. Vom Bergdorf O Cebreiro, durch das „Voralpengebiet, nach Santiago de Compostela, weiter an die Küste und im Süden, das für uns unbekannte Weingebiet, mit mundenden Weinen.

Vor vielen Jahren las ich einem Bericht über Galizien, dass hier das Matriarchat vorherrsche. Heute können wir das verstehen. Wenn so viele Ehemänner und Söhne im Ausland ihren Lohn verdienten, mussten die Frauen zu Hause das Zepter übernehmen. Galizien hat auch einen keltischen Ursprung und hat neben den satten grünen Weiden auch noch andere Gemeinsamkeiten mit Irland. Die Volksmusik tönt irgendwie irisch und das Nationalinstrument, die Gaita, ein Dudelsack, erinnert ebenfalls an den grünen Norden.

Gaita - Dudelsack in Galizien

Wir konnten uns auch mit einigen Leuten unterhalten. Jeder erzählte uns seine Lebensgeschichte. Die älteren Semester, die bei uns in der Schweiz ein Leben lang schufteten, zu Hause ein Haus bauten und zurückkehrten, sind heute gemachte Leute und können zufrieden den Lebensabend geniessen. Die Jüngeren die aus dem Ausland zurückgekehrt sind und noch arbeiten müssen, sind in einer schwierigeren Lage. Einige Rückkehrer die hier eine Arbeitsstelle gefunden haben, leben zufrieden in ihrem Heimatland, sowie unser Buschauffeur. Er ist stolz, hat eine saubere Uniform und fährt einmal am Tag von Noia nach Padrõn. Andere sind zurückgekehrt und bereuen ihren Entscheid, weil sie keine Arbeitsstelle mehr finden. Tragisch ist es für die ganz Jungen, die bei uns aufgewachsen sind und keine abgeschlossene Ausbildung haben, wenn der Vater eines Tages entschied in die Heimat zurückzukehren. Sie haben fast keine Perspektiven.
Wir staunten nicht schlecht, als uns plötzlich „Guete Morge“ nachgerufen wurde. Irgendwie erinnert uns der Aufenthalt in Galizien an unsere Tour durch Apulien. Auch dort trafen wir auf sehr viele ehemalige Gastarbeiter, die uns ihre Lebensgeschichte erzählten.
Wenn man so durch die Landschaft radelt, nimmt man auch einige unschöne Dinge wahr, wie zum Bespiel die Neubauruinen – halbfertiggestellte Wohn- oder Geschäftshäuser. Dem Eigentümer ging das Geld aus und nun stehen sie da. Niemand reisst sie ab, niemand baut sie fertig. Zeitzeugen unserer Zeit. Vielleicht werden sie in hundert Jahren zu historischen Monumenten aus dem 20./21. Jahrhundert?

Blick zurück nach Galizien

Blick vorwärts nach Portugal (Festung von Valença)

Kurz nach dem Verlassen von Tui überquerten wir den Rio Miño. Mit dieser Überquerung verab-schiedeten wir uns definitiv von Galizien und erreichten Portugal.

Hier ticken die Uhren anders, die mussten wir nämlich eine Stunde zurückstellen. Wir sind gespannt, wie das Verkehrsverhalten der Portugiesen sein wird. Wir lasen in einem Reiseführer, dass die Portugiesen, ein sonst ruhiges und rechtschaffenes Volk, sobald sie hinter einem Steuer sässen, sich zu Raubtieren entwickeln würden. Unsere Erfahrungen auf Madeira waren auch dementsprechend. Obwohl nun Highway tauglich, wählten wir die ruhigen Nebenstrassen, wobei diese nicht ungefährlicher sind. Bald stellten wir fest, dass diese Strassen nicht dem spanischen Standard entsprechen. Wir brauchen jedoch auch keine 3 – 4 spurigen Strassen für uns alleine. Gemütlich fuhren wir durch die kleinen Dörfer mit gepflegten Häusern. Um jedes Haus war ein üppiger Gemüsegarten angebracht, wo auch Zitronen- und Orangenbäume und Weinreben nicht fehlen.

Der Pilgerweg Richtung Norden kreuzt ab und zu die Strasse. Auf der Etappe zwischen Tui und Ponte de Lima überqueren die Jakobspilger den höchsten Punkt des Camino porutgués, die 400 m hohe Portela Grande. Auf dieser Etappe begegnet man auch dem Cruz dos franceses. Ähnlich wie auf dem Cruz de Ferro legen die Pilger, als Erinnerung an ihre Pilgerfahrt einen Stein nieder. Das Cruz dos Franceses kennt man auch unter dem Namen Cruz dos Mortes. Das hat damit zu tun, dass dieses Kreuz die Stelle kennzeichnet, wo einst Napoleons Truppen, bei der Eroberung der iberischen Halbinsel, hier in einen Hinterhalt gerieten.
Unsere Fahrt ging stetig bergauf durch Schatten spendende Eichen- Nadel- und Eucalyptuswälder bis zum höchsten Punkt. Anschliessend folgte eine herrliche, angenehme und lange Abfahrt ins Tal. Ohne Frieren, ohne eisige Finger oder Windböen, die einem samt Velo um 2 Meter zu versetzen drohten. Schliesslich fuhren wir an Granitsteinbrüchen vorbei, wo das Material auch gleich verarbeitet wurde, zu Pflastersteinen oder Skulpturen für den Garten. Einiges hätte in unseren Garten gepasst. Wir entschieden uns schliesslich für eine übergrosse Christusstatue, wie sie in Rio de Janeiro steht.

Neuer Standort - Grubenstrasse 2, Madetswil

Im reizvollen Städtchen Ponte de Lima, am Rio Lima gelegen, war dann für heute Feierabend.

Ponte de Lima

Gleich nach dem Start ging es heute Morgen während 7 km stetig bergauf. In der Zwischenzeit haben wir uns jedoch zu wahren Bergflöhen entwickelt. Wir staunten nicht schlecht, ob all der stattlichen, gepflegten Häuser, so mitten in der Abgelegenheit, alle mit kunstvollen Gartenzäunen und Balkongeländern versehen. Ehemalige Auswanderer? Das eine oder andere wäre nach unserem Gusto gebaut. In den Gärten gesellten sich zu den Zitrusbäumen nun noch die Olivenbäume. In den Gärten waren fleissige Leute an der Arbeit. Die Selbstversorgung scheint hier eine grosse Rolle zu spielen. Zwar haben wir noch nicht sehr viel von Portugal gesehen, aber trotzdem haben wir das Gefühl, dass hier die Uhren tatsächlich anders ticken als in Spanien. Da zog ein Mann den Pflug, wie ein Ochse, während dessen seine Frau den Plug führte oder man begegnet Frauen, die ihre Lasten auf dem Kopf tragen. Nicht überall hat der Waschautomat Einzug gehalten. So trafen wir alten und jungen Frauen auf dem Lande und in der Stadt die ihre Wäsche an Dorfbrunnen auf dem Waschbrett wuschen.
Unsere Tour endete heute in Barcelos. Dieser Ort ist weit über die Grenzen Portugals hinaus bekannt geworden. Zum einen durch den immer donnerstags stattfindenden Markt „Feira de Barcelos“, zum anderen aber auch durch die Keramikarbeiten und die wundersame Pilgergeschichte um einen gebratenen Hahn, der zum bekannten Symbol Portugals geworden ist.

Hahn von Barcelos

Der Barcelos-Hahn erinnert als bunte Tonfigur in jedem Souvenirladen an die Legende aus dem 14. Jahrhundert. Demnach kam ein galizischer Pilger durch Barcelos. Unglücklicherweise fahndete der Dorfpolizist seit Wochen nach dem Schuldigen einer Untat. Auch dem Richter kam der suspekte Galizier gerade recht und machte kurzen Prozess – in der Schlinge sollte der vermeintliche Täter sterben. Vor der Hinrichtung deutete der vermeintliche Täter auf die, von ihm verweigerte Henkersmahlzeit und wimmerte: „Dieses knusprige Hähnchen wird meine Unschuld auskrähen!“ Als der Brathahn dann wirklich krähte und heftig mit den Flügeln schlug, machte die Falltüre schon „flop“. Den Galizier rettete jedoch der verklemmte Henkersknoten das Leben. Sind wir nicht einer ähnlichen Geschichte schon einmal begegnet, Klar doch, in Santo Domingo de la Calzada, auf dem Camino francés! Nur, der portugiesische Hahn hat Weltberühmtheit erlangt.

Barcelos

Flexibilität geht doch einfach über alles! Eigentlich bereuten wir es, dass wir am Donnerstag den berühmten Markt nicht besuchen konnten. Wir planten jedoch an unserem nächsten Ziel, in Braga, einen Ruhetag einzuschalten. Braga ist mit dem Bus nur ½ Stunde entfernt. Wir sagten uns, dass wir am Donnerstag, von Braga aus, mit dem Bus, ohne Velo, nach Barcelos zurückkehren könnten, um den Markt zu besuchen. Ordentlich packten wir unsere Sachen zusammen und kurz vor der Abreise erzählten wir der älteren Dame an der Recéption von unseren Plänen. Sie klärte uns auf, dass diese Woche Fronleichnan sei und somit der Markt am Mittwoch stattfinden würde. Wir buchten das Zimmer gleich nochmals für eine Nacht, trugen unser Gepäck wieder nach oben und wechselten das Tenue. Dieser Ruhetag gab uns auch die Möglichkeit, die überdehnten Ketten an unseren Rädern auswechseln zu lassen. Kompliziert erklärte uns die Recéptionistin den Weg zum Velohändler, bis wir ihr den Stadtplan unter die Nase hielten und fragten, ob sie uns darauf den Weg zeigen könnte. Wir hätten auch ein Schnittmuster hinlegen können! Der Chef kam dann und richtete die Sache. Wir fanden den Laden und fragten die Dame dort, ob sie ev. Französisch, Italienisch, Englisch, Spanisch oder ev. Deutsch spreche. Nada, difficil war die Antwort. Mit unserem Wörterbuch versuchten wir ihr zu erklären, was unser Anliegen war. Sie verschwand im Lager und kam wieder – mit einem Kindersitz! Daraufhin führte sie uns um die Ecke ins richtige Velogeschäft. Der junge Mann dort sprach recht gut Englisch und verstand sofort, was wir wollten. Er versprach uns, bis am Abend beide Ketten auszuwechseln. In der Zwischenzeit schlenderten wir durch den bunten Markt. Neben Gemüsen, Früchten und anderen Nahrungsmittel wurden auch Wäsche und Kleider angeboten.

Gemüse militärisch ausgerichtet

Von der Auswahl an Kunsthandwerk, wie Keramik und Schnitzereien, waren wir eher enttäuscht.

Aber wir hätten ja eh keinen Platz, um irgendwelches Kunstwerke zu transportieren. Ein kleiner, bunter Hahn für den Setzkasten musste genügen.

An dieser Stelle bedanken wir uns herzlich für alle Glückwünsche, die wir zum Erreichen unseres ersten grossen Etappenziel, Finisterra, erhalten haben, sei es direkt im Blog oder per Mail. Obwohl wir noch nie an einen Abbruch dachten, ermuntern uns die Kommentare zum Weitermachen.

3 Kommentare zu “Finisterra – Barcelos 30. Mai bis 6. Juni 2012”

  1. die usem Nachberhuusam 11.06.2012 um 12:57

    Hoi hoi Ihr liebe Nachbere
    au mir sind natürli immer am nalese, was ir so erlebed und uf de Charte naluege, wonir so sind und freued euis mit eui, das ihr euies erschte grosse Ziel so guet erreicht hend! Bi den gspannt, wie eui – minere Meinig na s charmante – Tarifa gfallt – aber bis det ane, werded er sicher wider einiges erlebe.
    D Rio de Janeira Chrischtus Statue isch nanig iitroffe – münd halte den na sege, woner si gnau wend ufstelle, damiti cha Awisige geh, wen d Liferig chunt;-)
    S obergrusige Wetter bi euis sött entli au mal verbii gah und drum hani mi gad fürs Wochenend für die erscht Hochtour i dere Saison agmeldet – obwohl wahrschinli na d Schneeschue statt de Stiigise axeit sind.
    D Seraina het e Wohnig gfunde im Zentrum vo Winterthur Töss – im Chrugeler – und zieht am 1. Juli det ii – s wird also widr chli ruhiger im Nachberhuus:-)
    Macheds wiiter guet und gnüssed eiui Reis!
    Ganz liebi Grüessli!
    Seraina und Elisa

  2. 2 Pilgerinen aus Bayernam 12.06.2012 um 13:04

    Hallo Ihr zwei,
    es war schön, euch auf dem Camino kennengelernt zu haben. Und wir erinnern uns noch gerne an den lustigen Abend in OCebreiro.
    Caro und ich sind bei strömenden Regen am Pfingstsonntag in Santiago de Compostela angekommen. Da mussten wir auch an euch beide denken, denn auf dem Rad ist es sicherlich auch kein Vergnügen gewesen. Am nächsten Tag, endlich hat wieder die Sonne geschienen, sind wir dem Bus ans Kap de Finesterre gefahren und haben dort in einem chicen Appartement mit Meeresblick übernachtet. Zum Schluss haben wir noch 2 Tage in Madrid verbracht.
    Und nun hat uns der Alltag wieder. Aber wir denken oft an den Camino. Es war eine tolle Zeit!
    Wir wünschen euch für euer Radl-Abenteuer noch spannende Momente , interessante Begegnungen und dass ihr gesund und so fit bleibt. Wir werden eure Route dank eures genialen Blogs weiterhin verfolgen.
    Allerliebste Grüße
    Moni und Caro

  3. Verena Brenn vom StimmVolkam 13.06.2012 um 05:11

    Liebe Meilis

    Spannend zu lesen, was ihr alles so erlebt ! Und ein Extra-Ständchen für dich Armin (und natürlich auch deine Frau) für das hartnäckige Dranbleiben bei all den Wetterkapriolen.

    Singst du Armin denn auch manchmal beim Fahrradfahren ? Wir kennen dich ja auch als wackeren Sänger mit schöner Stimme und freuen uns, wenn du dann nach deiner Rückkehr wieder mit uns singst – gerne auch in Spanisch „De Colores“ oder so.

    Vorerst aber einmal euch beiden noch viele schöne Eindrücke und Abenteuer auf eurer Reise, gutes Durchhalten und auch Geniessen!

    Herzlich und mit einem Gruss vom singenden StimmVolk
    Verena